Physiologie: Der Darm denkt positiv
Biologen kennen schon lange die Moleküle, die als Botenstoffe des Nervensystems dienen - mit der Entdeckung neuer Transmitter war nicht zu rechnen. Doch jetzt präsentiert ein kotender Wurm einen alten Bekannten in unerwarteter Rolle.
Der Laboralltag des Forschungslieblings Caenorhabditis elegans ist anstrengend: Man beobachtet seine Geburt und seinen Tod, berechnet seine Lebenserwartung, lässt ihn gleichgeschlechtliche Partner wählen, setzt ihn unter Stress und verfolgt aufs Genaueste jede seiner Zuckungen.
Den Grundstein für diese Laborkarriere legte in den 1960er Jahren der spätere Nobelpreisträger Sydney Brenner, der das nur einen Millimeter große Tier in die Forschung holte. Schließlich bietet der Fadenwurm der Wissenschaft doch zahlreiche Vorteile: Er lässt sich äußerst kostengünstig auf einer Platte mit Mikroorganismen halten, und sein durchscheinender Körper ermöglicht den Wissenschaftlern einen Blick in sein Innerstes. Dadurch konnten sie das Schicksal einzelner Zellen während der Embryonalentwicklung verfolgen.
Die Wissenschaftler interessierte vor allem, welches Signal den Muskeln den Befehl gibt: Zieh dich zusammen! Beim Menschen sorgt dafür das Molekül Acetylcholin, ein weit verbreiteter Neurotransmitter, der als Botenstoff des Nervensystems Befehle an benachbarte Nerven- oder Muskelzellen übermittelt.
Da auch der winzige Nematode Acetylcholin herstellt, vermuteten Jorgensen und seine Kollegen, dass das Molekül auch die Darmtätigkeit des Wurms ankurbelt. Sie stellten deshalb Tiere her, die den Botenstoff nicht mehr bilden konnten. Doch überraschenderweise ließ sich das Verdauungsorgan des Wurms davon wenig beeindrucken: Während alle anderen Muskeln stillstanden, entließ er fleißig im 50-Sekunden-Takt seinen Darminhalt in die Umwelt. Offensichtlich nutzte das Würmchen einen anderen Botenstoff, um seine Darmmuskeln zu mobilisieren und seine Notdurft zu verrichten.
Die Forscher suchten deshalb nach Würmern, die an akuter Verstopfung litten und ihren Darm nicht mehr regelmäßig entleeren konnten. Wie sich zeigte, arbeiteten bei diesen Tieren zwei neu entdeckte Proteine nicht mehr richtig: PBO-4 und PBO-5.
Weitere Untersuchungen enthüllten den Aufenthaltsort dieser beiden Proteine: PBO-4 sitzt in der Darmwand und PBO-5 unmittelbar gegenüber auf der Oberfläche der Muskelzellen – durch einen winzigen Spalt voneinander getrennt.
Der Aufbau erinnert an Synapsen von Nervenzellen – und tatsächlich scheint auch die Funktion ähnlich zu sein. Wie die Forscher herausfanden, arbeitet PBO-4 als Protonenpumpe: Ist der Darm voller Nahrungsreste, pumpt es Wasserstoff-Ionen in den Zellzwischenraum, wo die Teilchen dann zur Muskelzelle wandern. Dort registriert PBO-5 die Protonen und gibt den Startschuss für die Muskelzelle sich zusammenzuziehen.
Könnten Protonen auch in unserem Nervensystem mitmischen? Durchaus – schließlich sind Pumpen und Rezeptoren für H+-Ionen auch in Menschen – und Mäusehirnen schon lange bekannt. Und Mäuse, die defekte Protonenrezeptoren besitzen, lernten schlechter als ihre normalen Artgenossen. Bisher fehlte aber der direkte Beweis, dass Protonen als neuronale Signalstoffe wirken.
Diesen lieferten nun die Forscher aus Utah mithilfe des futternden Fadenwurms. Damit zeigte sich wieder einmal, dass auch in einem alten Bekannten wie dem Proton immer noch neue Talente schlummern.
Den Grundstein für diese Laborkarriere legte in den 1960er Jahren der spätere Nobelpreisträger Sydney Brenner, der das nur einen Millimeter große Tier in die Forschung holte. Schließlich bietet der Fadenwurm der Wissenschaft doch zahlreiche Vorteile: Er lässt sich äußerst kostengünstig auf einer Platte mit Mikroorganismen halten, und sein durchscheinender Körper ermöglicht den Wissenschaftlern einen Blick in sein Innerstes. Dadurch konnten sie das Schicksal einzelner Zellen während der Embryonalentwicklung verfolgen.
Eine besonders komplexe motorische Leistung des Wirbellosen nahmen jetzt Erik Jorgensen und sein Team von der Universität von Utah in Salt Lake City genauer unter die Lupe: die Entleerung des Darmes. Verrichtet der Wurm sein Geschäft, so ziehen sich einzelne Partien der Körper- und Darmmuskulatur in einem immer gleichen Bewegungsmuster zusammen und entspannen sich wieder. Da in dem ständig essenden Tier nicht all zu viel Platz für Exkremente ist, erleichtert sich C. elegans im Schnitt alle 50 Sekunden.
Die Wissenschaftler interessierte vor allem, welches Signal den Muskeln den Befehl gibt: Zieh dich zusammen! Beim Menschen sorgt dafür das Molekül Acetylcholin, ein weit verbreiteter Neurotransmitter, der als Botenstoff des Nervensystems Befehle an benachbarte Nerven- oder Muskelzellen übermittelt.
Da auch der winzige Nematode Acetylcholin herstellt, vermuteten Jorgensen und seine Kollegen, dass das Molekül auch die Darmtätigkeit des Wurms ankurbelt. Sie stellten deshalb Tiere her, die den Botenstoff nicht mehr bilden konnten. Doch überraschenderweise ließ sich das Verdauungsorgan des Wurms davon wenig beeindrucken: Während alle anderen Muskeln stillstanden, entließ er fleißig im 50-Sekunden-Takt seinen Darminhalt in die Umwelt. Offensichtlich nutzte das Würmchen einen anderen Botenstoff, um seine Darmmuskeln zu mobilisieren und seine Notdurft zu verrichten.
Die Forscher suchten deshalb nach Würmern, die an akuter Verstopfung litten und ihren Darm nicht mehr regelmäßig entleeren konnten. Wie sich zeigte, arbeiteten bei diesen Tieren zwei neu entdeckte Proteine nicht mehr richtig: PBO-4 und PBO-5.
Weitere Untersuchungen enthüllten den Aufenthaltsort dieser beiden Proteine: PBO-4 sitzt in der Darmwand und PBO-5 unmittelbar gegenüber auf der Oberfläche der Muskelzellen – durch einen winzigen Spalt voneinander getrennt.
Der Aufbau erinnert an Synapsen von Nervenzellen – und tatsächlich scheint auch die Funktion ähnlich zu sein. Wie die Forscher herausfanden, arbeitet PBO-4 als Protonenpumpe: Ist der Darm voller Nahrungsreste, pumpt es Wasserstoff-Ionen in den Zellzwischenraum, wo die Teilchen dann zur Muskelzelle wandern. Dort registriert PBO-5 die Protonen und gibt den Startschuss für die Muskelzelle sich zusammenzuziehen.
Damit scheint C. elegans über einen ungewöhnlichen Neurotransmitter zu verfügen: Protonen. Der endgültige Beweis gelang Jorgensen und seinen Kollegen, indem sie an PBO-4 eine fluoreszierende Substanz hängten, die leuchtete, wenn keine Protonen den Spalt ansäuerten. Strömten aber die Wasserstoff-Teilchen in den Spalt, erlosch die Fluoreszenz.
"Protonen sind seit fast zwanzig Jahren die einzigen neuen Mitglieder der Gruppe der Neurotransmitter"
(Erik Jorgensen)
Positiv geladene Wasserstoff-Ionen kannte man bislang nicht als Signalstoffe des Nervensystems, und sie sind weit kleiner als die bekannten Neurotransmitter. "Protonen sind seit fast zwanzig Jahren die einzigen neuen Mitglieder der Gruppe [der Neurotransmitter]", erklärt der Leiter der Forschungsgruppe die Bedeutung ihrer Ergebnisse. (Erik Jorgensen)
Könnten Protonen auch in unserem Nervensystem mitmischen? Durchaus – schließlich sind Pumpen und Rezeptoren für H+-Ionen auch in Menschen – und Mäusehirnen schon lange bekannt. Und Mäuse, die defekte Protonenrezeptoren besitzen, lernten schlechter als ihre normalen Artgenossen. Bisher fehlte aber der direkte Beweis, dass Protonen als neuronale Signalstoffe wirken.
Diesen lieferten nun die Forscher aus Utah mithilfe des futternden Fadenwurms. Damit zeigte sich wieder einmal, dass auch in einem alten Bekannten wie dem Proton immer noch neue Talente schlummern.
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