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News: Der Pulsschlag des Denkens

Musik wirkt auf vielerlei Art und Weise auf die menschliche Psyche. Sie kann sogar die Intelligenz steigern oder zumindest für bessere Ergebnisse bei IQ-Tests sorgen. Erstaunlicherweise ist der Effekt von klassischer Musik dabei geringer als stampfende Technoklänge. Die schnellen Rhythmen der jungen Hits treffen nach Ansicht von Wissenschaftlern so etwas wie eine 'psychische Resonanzfrequenz'.
"Wie's gefällt, es ist verkehrt." – Das geflügelte Wort paßt scheinbar genau auf den Musikgeschmack verschiedener Menschen und die Wirkung der Klänge. Denn schon seit längerer Zeit ist bekannt, daß klassische Musik während des Autofahrens zu defensiver Fahrweise verleitet. So manchem Führerscheinneuling täte eine Prise Mozart, Vivaldi oder Bach sicher ganz gut. Stattdessen dröhnen dumpfe Bässe aus den rollenden Diskotheken. Ausgerechnet die sollen nach Meinung des Psychologen Anthony P. Rilmer von der University of Middlesix in Ohio das Denkvermögen anregen (Psychological Impact vom März 1999). Ertönen also demnächst Technoklänge in Büroräumen, Labors und am heimischen Schreibtisch?

"Ich wollte es zunächst auch nicht glauben, aber die Resultate meiner Versuchsreihen sind eindeutig", sagt Rilmer. Mit 198 Studenten hat er verschiedene Tests zur Intelligenz, räumlichen Vorstellungskraft, Abstraktionsvermögen, manuellen Geschicklichkeit und Gedächtnisleistung durchgeführt. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen geteilt, von denen der einen während des Experimentes klassische Musik vorgespielt wurde, der anderen moderne Technoklänge.

"In allen Kategorien erreichten die Technohörer zwischen zehn und dreißig Prozent mehr Punkte", berichtet Rilmer. Um sicherzugehen, daß die Unterschiede nicht durch eine zufällige Selektion der geschickteren und intelligenteren Probanden aufgetreten ist, hat er die Tests eine Woche später mit den gleichen Studenten wiederholt. Diesmal wurde die Musik vertauscht. Wieder erbrachte die Technogruppe deutlich bessere Leistungen. "Der Effekt ist einfach da und läßt sich nicht wegreden."

Auf der Suche nach der verantwortlichen Eigenschaft der Technomusik variierte Rilmer einige Parameter. Dabei stellte er fest, daß Stücke mit einer Frequenz von 220 bis 230 bpm (beats per minute) am förderlichsten für die Denkkraft waren. Die Schallamplitude war von geringer Bedeutung, solange nicht die Schmerzgrenze überschritten wird. Der Forscher glaubt, in seinen Versuchen eine natürliche Frequenz unserer Gehirnaktivitäten gefunden zu haben. Seiner Ansicht nach treffen 220 bis 230 bpm so etwas wie eine "psychische Resonanzfrequenz".

Noch fehlt eine schlüssige Erklärung für Rilmers Beobachtung. Aber an der University of Middlesix werden die Erkenntnisse bereits in der Praxis genutzt: Während der Klausuren spielen die Lautsprecher in den Seminarräumen Techno in gemäßigter Lautstärke. Nur in den Kunstkursen wurde die Musik schnell wieder abgesetzt. "Die Studenten können keine vernünftigen Kreise mehr malen, nur noch eckige Figuren. Sowas habe ich noch nie erlebt", sagt der Dekan der Fakultät für bildende Künste zur Begründung. – Also doch lieber Beethoven?

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