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Sexualdimorphismus: Die Achse der Männlichkeit

Truthahn-Profil
Auch manches Geflügel interpretiert Geschlechterrollen unterschiedlich: In Gruppen lebende wilde Truthühner(Meleagris gallopavo) entwickeln zwei unterschiedlich maskuline Typen von Männchen. Dominante Hähne haben besonders auffällig gefärbte Köpfe und Hälse, die mit ausgeprägten Hautlappen behängt sind. Rangniedrigere Hähne sind weniger prächtig und haben deshalb auch keinen Erfolg bei den Weibchen – stattdessen unterstützen sie ihre attraktiveren Brüder dabei, möglichst viele Hennen zu erobern und den Fortbestand der Gruppe zu sichern. Jetzt zeigte ein englisches Forscherteam von der University of Oxford und dem University College London die genetische Grundlage dieser Abstufung männlicher Merkmale.
Truthahn | Ein männliches Truthuhn kann bis zu zehn Kilogramm schwer werden – die Weibchen sind kleiner und unauffälliger.

Die Gruppe um Marie Pointer untersuchte so genannte autosomale Gene, die sowohl Männchen als auch Weibchen besitzen, in beiden Geschlechtern aber unterschiedlich oft abgelesen werden. Solch eine geschlechtsspezifische Expression sorgt dafür, dass sich viele Körpermerkmale bei männlichen und weiblichen Tieren verschiedenartig entwickeln.

Zuerst identifizierte das Team diejenigen Genprodukte, die besonders oft in Hennen oder dominanten Hähnen hergestellt wurden. Während 2217 Gene mindestens doppelt so stark in den Männchen exprimiert wurden, waren bei den Weibchen 2908 Gene verstärkt aktiv. Dabei konnten die Forscher hochregulierten Genen bei Männchen häufiger eine konkrete Funktion zuordnen, während sie bei Hennen scheinbar seltener deren Merkmale veränderten. Das passt dazu, dass Hähne bei dieser Tierart unter stärkerem Selektionsdruck stehen und sich von anderen abheben müssen, um von einer Henne erwählt zu werden.

Als die Forscher daraufhin die weniger männlichen – oder subdominanten – Hähne untersuchten, vervollständigte sich das Bild: Bei ihnen waren die besonders ausgeprägten Gene der dominanten Männchen nur mittelmäßig aktiv. Dafür überlappten ihre angekurbelten Gene stärker mit denen der Weibchen. Ihrem Geschlecht nach klar männlich, waren sie also genetisch und äußerlich eine Zwischenform, die weniger attraktiv auf Weibchen wirkte.

An solchen Zwischenformen mangelte es ähnlichen Studien bisher. Das machte es schwer, die Beziehung zwischen sichtbaren Unterschieden und den zugehörigen Genen genau zu definieren. Die Forscher bestätigen mit ihren Ergebnissen die Vermutung, dass die Ausprägung von Geschlechtsmerkmalen nicht zweipolig ist, sondern entlang einer Achse verläuft.

Truthühner unterstehen einer festen Hackordnung. Ob ein Hahn zur attraktiveren Sorte gehört, entscheidet sich erst kurz vor der Datingsaison: Unter Brüdern wird die Rangfolge im Winter vor der Geschlechtsreife ausgehandelt und der unterlegene Bruder entwickelt den subdominanten Phänotyp. Das kooperative Verhalten der unterlegenen männlichen Truthähne nennt sich auch Verwandtenselektion. Bei der Balz stolzieren sie gemeinsam vor einer Henne umher, um sie zu beeindrucken – auch wenn die sich am Ende nur mit dem attraktivsten Bruder paaren wird.

Doch auch für weniger männliche Hähne besteht noch Hoffnung auf Liebesglück: Stirbt ein dominantes Männchen, kann seine Rolle vom rangniedrigeren Bruder übernommen werden. Dann ändert sich dessen Genexpression – und damit wird auch sein Äußeres verlockender.

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