Insekteninvasionen: Die achte Plage
In der Bibel nehmen sie hinter Viehpest und Hagel Platz acht der Heimsuchungen ein, die das israelitenfeindliche Ägypten ertragen musste: Heuschrecken. Immer wieder bilden sie riesige Schwärme, die ganze Landstriche leer fressen. Unter welchen Bedingungen kommt es zu derartigen Invasionen?
"Mose streckte seinen Stab über Ägyptenland, und der HERR trieb einen Ostwind ins Land, den ganzen Tag und die ganze Nacht. Und am Morgen führte der Ostwind die Heuschrecken herbei. Und sie kamen über ganz Ägyptenland und ließen sich nieder überall in Ägypten, so viele, wie nie zuvor gewesen sind noch hinfort sein werden. Denn sie bedeckten den Erdboden so dicht, dass er ganz dunkel wurde. Und sie fraßen alles, was im Lande wuchs, und alle Früchte auf den Bäumen, die der Hagel übriggelassen hatte, und ließen nichts Grünes übrig an den Bäumen und auf dem Felde in ganz Ägyptenland."
Kaiser und Heuschrecken
Doch nicht nur in Nordafrika, auch im fernen Ostasien sind riesige Schwärme der orientalischen Wanderheuschrecke (Locusta migratoria manilensis) seit jeher eine immer wieder auftretende Bedrohung für die Menschen und lösten in der Vergangenheit zahlreiche schwere Hungersnöte aus. Der chinesische Kaiser gab sogar bereits vor mehr als 1000 Jahren seinen Untergebenen den Befehl, die Aktivität der Kerbtiere in jedem Jahr niederzuschreiben – er erhoffte sich, dadurch irgendwann ein Muster zu erkennen und die Invasionen der Sechsbeiner vorhersagen zu können.
Als er sich die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Jahr für Jahr ansah, bemerkte er zusätzlich, dass Heuschreckenschwärme nach einzelnen warmen Jahren wahrscheinlicher auftraten als nach kühleren – wohl weil mehr Insekten die milderen Winter überlebten. Einen Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Klimaphänomenen konnte Ma allerdings nicht herstellen.
Wetternachhersage
Dies gelang erst jetzt einem internationalen Forscherteam um Leif Christian Stige von der Universität Oslo, das die chinesischen Aufzeichnungen noch einmal hervorholte und systematisch mit Klimadaten verglich. Temperaturen und Niederschläge über das letzte Jahrtausend rekonstruierten die Wissenschaftler dafür mit Hilfe von Wachstumsringen von Bäumen, Eisbohrkernen, Sedimenten aus Seen und historischen Dokumenten. So waren sie in der Lage, die Wetterverhältnisse quasi in einer Nachhersage bis ins Jahr 957 auf Dekaden-Intervalle aufzulösen.
Auch dieses Rätsel lösten Stige und Co: Sowohl Trockenphasen als auch Überschwemmungen schaffen große zusätzliche Brutgebiete – die Tiere bevorzugen feuchte Graslandschaften zum Ablegen ihrer Eier – für die Heuschrecken. Bei einer Dürre trocknen Flüsse aus und legen weite sumpfige Ebenen des ehemaligen Uferbereiches und Flussbettes frei; ein ähnlicher Lebensraum entsteht auch auf ehemals überfluteten Wiesen. In jedem Fall profitieren die Sechsbeiner, vermehren sich explosionsartig und starten schließlich – ausgelöst durch hohe Dichte und knappe Nahrung – ihren Beutezug über die Felder.
Von der Bibel bis zur Gegenwart
Ob durch die höheren Temperaturen in Folge der Klimaveränderung in China bald weniger Heuschreckenschwärme unterwegs sein werden, ist zweifelhaft, da der Effekt auf die Niederschlagsmengen in der Region bislang nicht abgeschätzt werden kann. Wie aktuell das Problem in vielen Ländern nach wie vor ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).
Sind die Schwärme erst einmal unterwegs, erweisen sich meist alle menschlichen Bekämpfungsmaßnahmen – auch das Versprühen von Insektiziden – als wirkungslos. Bei der letzten großen Plage in Afrika stoppte erst das Wetter in Form einer anhaltenden Trockenperiode den Vormarsch der Tiere. Auch in der Bibel bringen klimatische Einflüsse schließlich die Erlösung: Gott treibt die geflügelten Plagegeister mit einem starken Westwind ins Schilfmeer.
So steht es im zehnten Kapitel des Zweiten Buch Mose. Darüber hinaus werden die krabbeligen Quälgeister noch an dreißig weiteren Bibelstellen erwähnt. Und auch lange vor Beginn der christlichen Zeitrechnung hatten die Insekten bereits ihren Ruf weg: Eine Malerei in einem ägyptischen Grab aus dem 15. Jahrhundert v. Chr. zeigt eine gefräßige Heuschrecke auf einer Papyrusblüte.
Kaiser und Heuschrecken
Doch nicht nur in Nordafrika, auch im fernen Ostasien sind riesige Schwärme der orientalischen Wanderheuschrecke (Locusta migratoria manilensis) seit jeher eine immer wieder auftretende Bedrohung für die Menschen und lösten in der Vergangenheit zahlreiche schwere Hungersnöte aus. Der chinesische Kaiser gab sogar bereits vor mehr als 1000 Jahren seinen Untergebenen den Befehl, die Aktivität der Kerbtiere in jedem Jahr niederzuschreiben – er erhoffte sich, dadurch irgendwann ein Muster zu erkennen und die Invasionen der Sechsbeiner vorhersagen zu können.
Doch erst vor fünfzig Jahren unternahm ein Landsmann des Kaisers – Shijun Ma von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking – den Versuch, den Berg an Aufzeichnungen abzutragen und die Ursachen der Schwarmbildung zu ergründen. Anhand der Langzeitdaten fand Ma heraus, dass die Massenaufkommen mit historisch dokumentierten Dürreperioden beziehungsweise Überschwemmungen zusammenhingen.
Als er sich die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Jahr für Jahr ansah, bemerkte er zusätzlich, dass Heuschreckenschwärme nach einzelnen warmen Jahren wahrscheinlicher auftraten als nach kühleren – wohl weil mehr Insekten die milderen Winter überlebten. Einen Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Klimaphänomenen konnte Ma allerdings nicht herstellen.
Wetternachhersage
Dies gelang erst jetzt einem internationalen Forscherteam um Leif Christian Stige von der Universität Oslo, das die chinesischen Aufzeichnungen noch einmal hervorholte und systematisch mit Klimadaten verglich. Temperaturen und Niederschläge über das letzte Jahrtausend rekonstruierten die Wissenschaftler dafür mit Hilfe von Wachstumsringen von Bäumen, Eisbohrkernen, Sedimenten aus Seen und historischen Dokumenten. So waren sie in der Lage, die Wetterverhältnisse quasi in einer Nachhersage bis ins Jahr 957 auf Dekaden-Intervalle aufzulösen.
Stige und seine Kollegen konnten Mas Befund bestätigen, dass kurzfristig hohe Temperaturen die Heuschreckendichte steigern. Auf lange Sicht ist aber das Gegenteil der Fall: In mehrjährigen kälteren Phasen war die Dichte der Krabbeltiere höher als in langen Warmzeiten. Dieses Ergebnis konnten die Biologen auch mit dem beobachteten Zusammenfallen von Schwarmbildung und Dürre beziehungsweise Überflutung in Einklang bringen. Beide Wetterphänomene treten in China häufiger bei kühlen Witterungen auf. Doch was gefällt den Insekten an diesen eher ungemütlichen Zeiten?
Auch dieses Rätsel lösten Stige und Co: Sowohl Trockenphasen als auch Überschwemmungen schaffen große zusätzliche Brutgebiete – die Tiere bevorzugen feuchte Graslandschaften zum Ablegen ihrer Eier – für die Heuschrecken. Bei einer Dürre trocknen Flüsse aus und legen weite sumpfige Ebenen des ehemaligen Uferbereiches und Flussbettes frei; ein ähnlicher Lebensraum entsteht auch auf ehemals überfluteten Wiesen. In jedem Fall profitieren die Sechsbeiner, vermehren sich explosionsartig und starten schließlich – ausgelöst durch hohe Dichte und knappe Nahrung – ihren Beutezug über die Felder.
Von der Bibel bis zur Gegenwart
Ob durch die höheren Temperaturen in Folge der Klimaveränderung in China bald weniger Heuschreckenschwärme unterwegs sein werden, ist zweifelhaft, da der Effekt auf die Niederschlagsmengen in der Region bislang nicht abgeschätzt werden kann. Wie aktuell das Problem in vielen Ländern nach wie vor ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).
Erst Anfang 2007 wurde der mexikanische Bundesstaat Yucatán von Hunderten von Millionen Heuschrecken geplagt. Die bis zu zehn Zentimeter großen Insekten, die in einem über fünf Kilometer gestreckten Schwarm vorrückten, vernichteten dutzende Felder und schädigten insgesamt 5000 Hektar Agrarfläche. Im Jahr 2004 fraßen sich gar Billionen der Tiere durch nahezu alle nordafrikanischen Staaten: Mauretanien verlor etwa achtzig Prozent seiner Ernte; insgesamt waren 1,6 Millionen Hektar Land betroffen.
Sind die Schwärme erst einmal unterwegs, erweisen sich meist alle menschlichen Bekämpfungsmaßnahmen – auch das Versprühen von Insektiziden – als wirkungslos. Bei der letzten großen Plage in Afrika stoppte erst das Wetter in Form einer anhaltenden Trockenperiode den Vormarsch der Tiere. Auch in der Bibel bringen klimatische Einflüsse schließlich die Erlösung: Gott treibt die geflügelten Plagegeister mit einem starken Westwind ins Schilfmeer.
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