Direkt zum Inhalt

Korruption: Die dunkle Seite der Zusammenarbeit

Kooperation kann korrupt machen: Wenn Testpersonen in einem Würfelspiel zusammenarbeiteten, ließen sie sich vom Gewinn verführen - und logen sich gemeinsam schamlos reich.
Wurf mit zwei Würfeln

Hat Zusammenarbeit womöglich auch negative Auswirkungen? Könnte sie eine Quelle der Korruption sein? Das fragten sich ein experimenteller Ökonom und ein Psychologe. Um der Hypothese nachzugehen, ersannen die beiden Forscher ein einfaches Würfelspiel um Geld, welches Probanden gewinnen konnten. Jeweils zwei Testpersonen spielten dabei gemeinsam – sie wurden jedoch beim Würfeln nicht überwacht und konnten somit über die gewürfelte Augenzahl lügen. Was sie wie erwartet auch taten, um ihren Gewinn zu erhöhen. Allerdings logen sie nochmals deutlich öfter, wenn sie in der Zusammenarbeit die Möglichkeit hatten, sich gegenseitig Geld zuzuschanzen.

Viel sei schon zu den Vorteilen der Zusammenarbeit geforscht und geschrieben worden – aber bisher kaum etwas zu den negativen Seiten, so die Forschenden in ihrer nun erschienenen Studie im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences".

Insgesamt über 550 Probanden durchliefen das Experiment – zunächst Studenten aus Jena, in einem zusätzlichen Kontrollversuch dann Studenten an der britischen University of Nottingham. Die Testpersonen waren per Computer vernetzt und jeweils in Zweiergruppen eingeteilt. Die Grundregel für die Gruppen lautete: Erst würfelt Person A und gibt ihr Würfelergebnis per Computereingabe den Versuchsleitern und ihrem Mitspieler B bekannt. Dann würfelt B und verfährt ebenso. Geld gibt es für beide Kooperationspartner immer dann, wenn am Ende ein Pasch vorliegt, wenn also beide die gleiche Zahl gewürfelt – oder vorgegaukelt! – haben. Im Grundsetting des Spiels gab es für beide Partner jeweils einen Euro bei einem Einerpasch und so weiter – also maximal je sechs Euro bei jedem Sechserpasch.

Gemeinsam dem Glück auf die Sprünge helfen

Wären nun alle Spieler ehrlich, so wäre jede erwürfelte Zahlenkombination gleich häufig. Tatsächlich aber zeigen die Daten der Forscher ein verdächtig erhöhtes Auftreten von Paschen. Beim Einerpasch fällt das noch kaum auf, steigert sich aber rasch und zeigt schließlich ein sehr ausgeprägtes und eindeutig erlogenes Maximum beim Sechserpasch. In dieser Situation waren sowohl das Interesse der beiden Spieler als auch ihr möglicher Gewinn gleichgerichtet. Diese Kooperation verführte die Teilnehmer offenbar sehr stark zum Lügen: Sie schwindelten tatsächlich deutlich häufiger und gewinnorientierter als in einem Vergleichsexperiment, bei dem die Probanden allein spielten und zweimal ihren eigenen Würfel rollen ließen.

Die Studienleiter ließen ihre Probanden noch weitere Variationen mit dem Würfel spielen. In einer davon bekam Person A grundsätzlich sechs Euro pro Wurf; der Gewinn von Person B aber war weiterhin an den Pasch und die Augenzahl desselben gebunden. Hier logen die Personen A oft eine Sechs vor, um ihren Partnern höhere Gewinne zu ermöglichen – was diese durch ebenfalls erlogene Sechsen auch gut ausnutzten. Bei einer geringen fixen Summe für Person A war dieser Effekt dagegen sehr viel schwächer ausgeprägt.

Das funktionierte umgekehrt genauso: Bekam Person B eine feste hohe Summe und nur der Gewinn von Person A war an Pasch und Augenzahl gekoppelt, log auch B die passende Zahl, um damit A zu beschenken. Kurz: Auch wenn ihr eigener Gewinn nicht auf dem Spiel stand, logen sie, um ihrem jeweiligen Mitspieler höhere Gewinne zuzuschanzen.

Wert der Zusammenarbeit kompensiert das Lügen

Es scheint, so schreiben die Forscher nun, als hätten kollaborative Handlungen einen eigenen positiven moralischen Wert, mit dem die Spieler unbewusst die moralische Verwerflichkeit des Lügens kompensiert sehen. Das Experiment zeige, dass dieser moralische Wert umso höher sei, je stärker sich die Interessen und möglichen Gewinne der beiden Partner gleichen.

Die Studienautoren sehen sogar eine mögliche Bestätigung ihrer Forschungsergebnisse in den Finanzskandalen der jüngsten Zeit. "Wann immer wir Zusammenarbeit in unseren Betrieben und in der Gesellschaft fördern", so ihr Fazit, "sollten wir darauf achten, dass Kooperationen unter gewissen Umständen überwacht werden sollten, anstatt sie uneingeschränkt gutzuheißen."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.