Maya-Kult: Die Göttin im Dampfbad
Nahe der einstigen Maya-Stadt Xultun in Guatemala haben Archäologen eine außergewöhnliche Ritualstätte frei gelegt: ein Dampfbad (Temazcal), in dem die Maya Tiere und Menschen vergruben. Wie die Forscher um Mary E. Clarke von der Boston University nun in einem Beitrag im »Cambridge Archaeological Journal« beschreiben, versuchten die Maya an diesem Ort eine Göttin günstig zu stimmen, von der man wohl glaubte, sie hause in dem Gebäude. Die Opfer waren allerdings erst sehr viel später in die Erde gelangt: 300 Jahre nachdem man den Bau aufgegeben hatte. Vermutlich zeugen die kultischen Tätigkeiten vom Untergang der Kultur in Xultun.
Dampfbäder dienen bis heute in Mittelamerika als ein Art Haus zur Heilung und als Ort, an dem Hebammen tätig sind. Derartige Bauten haben Ausgräber jedoch auch an alten Maya-Stätten entdeckt, etwa in Los Sapos, unweit der Maya-Stadt Xultun. Das dortige Temazcal stammt aus der Blütezeit der Stadt zwischen 250 und 550 n. Chr. Das Besondere an diesem Fund: Das Gebäude war einst mit der Figur einer hockenden Göttin mit Kröten- und Reptilienextremitäten bemalt. Der Eingang lag zwischen den Beinen der Gottheit, die vermutlich »Ix-tzutz-sak« hieß. Die Archäologen gehen davon aus, dass die Göttin für Schwangerschaft und Geburt angerufen wurde.
In Ruinen hausen Götter und Geister
»Keine andere Struktur in Mittelamerika sieht so aus wie dieses Gebäude«, sagt Koautorin Ashley Sharpe vom Smithsonian Tropical Research Institute laut einer Presseaussendung. »Betrat man den Bau, dann betrat man offenbar auch die Amphibiengöttin, die das Dampfbad verkörperte.« In der Maya-Kultur galten Plätze in der Natur als mit Geistern belebte Orte, ebenso alte Ruinen. Denn das Dampfbad von Los Sapos war drei Jahrhunderte, nachdem man es aufgegeben und zugeschüttet hatte, wieder ausgegraben worden.
Die Menschen legten anschließend Hundewelpen, Vögel, Kröten und Leguane dort nieder. Und sie begruben ein Kind samt Tongefäßen und Figürchen. Dann steckten sie alles in Brand. Warum? Die Göttin »galt als wilde Verkörperung der Erde«, sagt Clarke. Die Menschen waren damals wohl überzeugt: »Wenn sie [die Göttin] unzufrieden ist, kann sie sich rächen oder die Dinge zurückhalten, die die Menschen zum Überleben brauchen.« Mit den Opfergaben in Los Sapos hatte man offenbar versucht, die Gottheit günstig zu stimmen – »um zu überleben«. Denn zu jener Zeit steckte die Maya-Kultur in der Krise. Wenig später, um 900, brach die Siedlung von Xultun zusammen.
Am Fundplatz von Los Sapos konnte die Forschergruppe Details von Maya-Dampfbädern studieren, die sonst nicht mehr erhalten sind, beispielsweise die einstige Bemalung. Aus diesem Grund, betonen Clarke und ihr Team, sei es möglich gewesen, den Bau im Rahmen der Maya-Religion zu interpretieren. Wie die mittelamerikanischen Dampfbäder aussahen, zeigt etwa auch der »Codex Magliabechiano«. Das Dokument aus der Zeit um 1550 umfasst religiöse Texte der Azteken. Darunter das Bild eines Temazcal: Das Bad wurde über eine Feuerstelle beheizt und ähnlich wie eine moderne Sauna betrieben.
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