Rohstoffe: Die Rohstoffkrisen der Zukunft
Steigende Nachfrage gefährdet die Versorgung mit wichtigen Elementen für moderne Technologien. Welche Stoffe Engpässe verursachen könnten, zeigt diese Übersicht.
Mit modernen Werkstoffen und Technologien sind heutzutage auch exotische Elemente zu wichtigen, ja unverzichtbaren Rohstoffen geworden. Nahezu alle Elemente des Periodensystems haben inzwischen technische Bedeutung erlangt, und einige von ihnen sind so selten oder so schwer zu gewinnen, dass die Wirtschaft für Rohstoffkrisen unterschiedlicher Art sehr anfällig geworden ist. Neben physischer Knappheit können auch andere Effekte wie stark steigende Nachfrage zu Versorgungsengpässen führen: Der Mobiltelefon-Boom des Jahres 2000 zum Beispiel hatte den unerwünschten Nebeneffekt, dass plötzlich die Nachfrage nach dem Metall Tantal das Angebot massiv überstieg. Auch politische Gegebenheiten wie Konflikte oder einfach Exportquoten auf bestimmte Metalle können ein Material zu einer bedrohten Ressource machen.
Einige Materialien sind von derartigen Einflüssen stärker betroffen als andere, und es sind keineswegs immer die seltensten Elemente, die uns Sorgen bereiten müssen. Dieses Periodensystem der gefährdeten Elemente, erstellt von dem Chemiker und Unternehmensberater Mike Pitts, zeigt bei welchen Stoffen die westlichen Industrieländer in naher und etwas fernerer Zukunft mit Versorgungsschwierigkeiten rechnen müssen.
Helium
Supraleitende Magnete in Kernspintomographen oder auch die Hochfrequenzmagnete der Kernresonanzspektrometer in nahezu allen chemischen Instituten weltweit sind zur Kühlung auf eine zuverlässige Quelle flüssigen Heliums angewiesen. Doch die Vorräte des Gases sind begrenzt. Die Hauptquelle für Helium ist Gestein, das Uran und Radium enthält, die Helium durch Alpha-Zerfall erzeugen. Dadurch hat sich das Gas im Gestein angereichert und gelangte unter anderem in Erdgas, aus dem man es extrahieren kann. Der US-amerikanische Physik-Nobelpreisträger Robert Richardson warnt seit einiger Zeit, dass die Vorräte bei gegenwärtigen Verbrauch schon im Laufe dieses Jahrhunderts zur Neige gehen werden.
Zink
Etwa die Hälfte der weltweiten Förderung von Zink geht in die Verzinkung von Stahl, um Bauteile vor Korrosion zu schützen. Deswegen hat das Metall eine enorme technische Bedeutung. Außerdem findet es in Batterien und in verschiedenen Speziallegierungen Verwendung. Nach Berechnungen von Kohmei Halada vom Japanischen Nationalen Institut für Materialwissenschaften wird der Zinkverbrauch bis 2050 die wirtschaftlich zu gewinnenden Reserven um das Dreieinhalbfache und die theoretische Reserve um fast das Doppelte überschreiten. Das spezielle Problem beim Zink ist, dass es nur zu einem sehr kleinen Anteil recycelt werden kann – es geht bei Verzinkung und anderen dissipativen Verfahren verloren.
Gallium
Etwa 95 Prozent allen Galliums wird zu Galliumarsenid verarbeitet, das in Leuchtdioden, Solarzellen und vergleichbaren Bauteilen zum Einsatz kommt. Außerdem ist es ein wichtiges Dotierungselement für Siliziumbauteile. Nur in wenigen dieser Anwendungen gibt es potenzielle Ersatzstoffe. Gallium ist in der Natur sehr selten und ist lediglich zu einem kleinen Anteil in Aluminium- und Zinklagerstätten enthalten. In vielen dieser Lagerstätten ist seine Gewinnung unökonomisch. Die Europäische Union schätzt, dass die Welt schon 2030 weltweit viermal so viel Gallium benötigen wird als heutzutage produziert wird. Der U.S. Geological Survey schätzt den Faktor für Gallium sogar auf 6. Zusätzlich gibt es nur wenige Lieferanten: China allein kontrolliert etwa 75 Prozent der Weltproduktion. Als zukünftige Quelle interessant: Flugasche von Kohlekraftwerken enthält bis zu 1,5 Gewichtsprozent Gallium.
Germanium
Germanium spielt eine wichtige Rolle in optischen Bauteilen und ist ein verbreitetes Dotierungselement in Silizium. Germanium ist in der Erdkruste häufiger als Gallium, kommt aber ebenfalls nur in sehr geringen Konzentrationen unter anderem in Zinkerzen vor. Die Herstellung von Germanium ist deswegen an die Förderung dieses "Muttermetalles" gekoppelt und kann nicht entsprechend der Nachfrage beliebig erhöht werden. Neue Technologien, insbesondere in der Optik, lassen den Bedarf an Germanium drastisch steigen, allein die Nachfrage im Bereich der Glasfaseroptik wird nach den Prognosen um den Faktor Acht steigen. Das führt dazu, dass im Jahr 2030 nach Berechnungen der EU mehr als doppelt so viel Germanium benötigt wird, wie die Welt heute produziert.
Arsen
Als zweite Hälfte des Galliumarsenid ist Arsen ebenfalls ein essenzieller Bestandteil moderner Halbleiterbauteile. Es ist in der Erdkruste ebenso häufig wie Germanium, bildet allerdings nur in geringem Maße eigene Erze und ist deswegen ebenfalls ein Nebenprodukt der Förderung anderer Metalle wie Blei, Kobalt oder Kupfer. Nach einigen Analysen, unter anderem des niederländischen Forschungsinstituts TNO, wird die Nachfrage schon 2030 die Produktion übersteigen.
Indium
Indium braucht man vor allem für die Herstellung von Indiumzinnoxid, das in Flachbildschirmen und Touchscreens zum Einsatz kommt. Das Metall gewinnt man – allerdings nicht in allen Fällen wirtschaftlich – als Nebenprodukt von Zinn und Blei. Ein beträchtliches Problem ist, dass ein Drittel aller Indium-haltigen Erze nach der Extraktion des Hauptmetalls nicht weiter aufgearbeitet wird, das enthaltene Indium geht also verloren. Die Nachfrage nach Indium wird stark von der technischen Entwicklung getrieben, so werden zum Beispiel Indium-basierte Solarzellen entwickelt. Die kumulative Nachfrage bis zum Jahr 2030 wird nach Ansicht einiger Experten das mehr als 70-Fache der heute zugänglichen Reserven betragen. Deswegen halten die Reserven bei gegenwärtigem Verbrauch nach verschiedenen Analysen noch zwischen etwa 15 und 25 Jahre. Über vier Fünftel des in Europa verarbeiteten Indiums stammen aus China.
Tellur
Als Bestandteil von Stahl- und anderen Legierungen verbessert Tellur die mechanischen und chemischen Eigenschaften von Bauteilen. Es wird zu Halbleitern für Fotodioden und Solarzellen verarbeitet. Tellur ist ein sehr seltenes Element und fällt fast ausschließlich als Nebenprodukt der Kupfer- und Nickelproduktion an. Es lohnt sich für die Produzenten jedoch nicht, als Reaktion auf steigende Nachfrage die Produktion anzukurbeln – deswegen hat die zunehmende Zahl unterschiedlicher Anwendungen bei gleichzeitig geringem Produktionsvolumen zu einem erheblichen Mangel an Tellur und entsprechend stark steigenden Preisen geführt. Wegen der stark wachsenden Nachfrage und aufwändigen Gewinnung gilt es als kritisches Material, auch wenn die Reserven beim gegenwärtigen Verbrauch noch über siebzig Jahre ausreichen.
Neodym
Das Seltenerdmetall Neodym wurde vor allem durch seine Bedeutung für starke Neodym-Eisen-Bor-Magnete bekannt, die in Elektromotoren und der Energieerzeugung eingesetzt werden. Außerdem kommt es in Feststofflasern und anderen optischen Materialien vor. Unter anderem durch den Bedarf an erneuerbaren Energien rechnen Experten damit, dass die Nachfrage nach Neodym bis 2030 auf das etwa Vierfache der heutigen Weltproduktion ansteigt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Seltenen Erden nur gemeinsam gefördert werden und ihre relativen Häufigkeiten in den Erzen oft nicht der jeweiligen Nachfrage entsprechen. Eine geringere Nachfrage nach den anderen Elementen dieser Gruppe kann die Neodym-Produktion ausbremsen und zu einem Engpass führen. Zusätzlich kontrolliert China den Markt an Seltenerdmetallen und hat in den letzten Jahren strikte Ausfuhrbeschränkungen erlassen
Hafnium
Wegen seiner Seltenheit und seines exorbitanten Preises gibt es für Hafnium nur wenige Anwendungen. Es kommt in militärischen Kernreaktoren zum Einsatz und als Legierungsbestandteil von Spezialmaterialien. Hafnium ist ausgesprochen schwer zu gewinnen – es ist ein Nebenprodukt der Herstellung von hochreinem Zirconium, das wiederum in Brennelementen von Kernkraftwerken eingesetzt wird. Um die beiden Elemente voneinander zu trennen, ist ein aufwändiges chemisches Verfahren nötig, das den Preis hochtreibt. Die verfügbare Menge Hafnium hängt ausschließlich vom Bedarf an hochreinem Zirconium ab, und als Reaktion auf höhere Nachfrage mehr Hafnium zu produzieren lohnt sich nicht. Deswegen steht nur eine geringe Menge des Materials zur Verfügung.
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