Stammzellforschung: Diskrete Helfer
Die Erinnerungsfähigkeit zu verlieren, ist eine erschreckende Vorstellung - und kann doch für Alzheimer- oder Schlaganfallpatienten zur grausamen Realität werden. Nun haben Stammzellforscher möglicherweise einen ersten Durchbruch zur Heilung geschafft - wenn auch auf indirektem Weg.
Die Mäuse des US-amerikanischen Neurobiologen Frank LaFerla von der Universität von Kalifornien in Irvine hatten Schwierigkeiten: Sie konnten sich nur schlecht orientieren, sie hatten Probleme damit, Objekte ihrer Umgebung wieder zu erkennen, ihre Gedächtnisleistung war radikal vermindert. Für diesen Zustand hatten LaFerla und sein Team lange gearbeitet. Denn sie untersuchen die Wirkung von Stammzellen auf neuronale Schäden im Gehirn – in der Hoffnung, eines Tages Therapieansätze für die Folgen von Alzheimer-Demenz oder Schlaganfällen zu finden.
Das perfekte Modell
Doch die neuronalen Veränderungen menschlicher Hirnschädigungen an Tiermodellen zu simulieren, ist gar nicht so einfach: Gezielte Eingriffe in bestimmten Hirnarealen zerstören meist mehr als die Krankheiten, die man untersuchen will. Greifen die Wissenschaftler zu Medikamenten, um die Nervenzellen zu schädigen, bleibt unklar, ob einzelne Nebenwirkungen nicht auch andere Bereiche beeinflussen. Und auch Tiermodelle mit Durchblutungsstörungen im Gehirn eignen sich nur bedingt, weil bei ihnen meist ganz unterschiedliche Hirngebiete in Mitleidenschaft gezogen werden. Genaue Tests der Gedächtnisleistung werden so nahezu unmöglich.
Deshalb entwickelten LaFerla und sein Team transgene Labormäuse, bei denen das Gift des Diphterie-Erregers massive Zellschäden in bestimmten Hirnregionen verursachte. Über ihr Trinkwasser erhielten die Tiere ein Mittel, welches das Toxin in Schach hielt. Erst wenn dieses ausblieb, zerstörte das Gift die Nervenzellen des Hippokampus, der zentral für die Erinnerungsfähigkeit zuständig ist.
Um die Gedächtnisleistung ihrer erkrankten Mäuse zu erproben, schickten die Forscher sie in zwei Testreihen: Zunächst einmal sollten sie Orte wiedererkennen – eine Fähigkeit, die maßgeblich vom Hippokampus abhängt. Hier versagte das Gedächtnis der hirngeschädigten Tiere in etwa sechzig Prozent der Fälle, während sich sowohl ihre medikamentös versorgten transgenen Artgenossen als auch gesunde Kontroll-Mäuse in knapp drei Viertel der Lokalitäten zurecht fanden.
Anschließend mussten die Tiere Objekte wiedererkennen, wobei auch die Großhirnrinde eine wichtige Rolle spielt. Doch auch hier schnitten die toxingeschädigten Tiere etwas schlechter ab: Sie hatten noch knapp zwei Drittel der Objekte im Gedächtnis, während ihre Mitstreiter ganze achtzig Prozent identifizieren konnten. Der geschädigte Hippokampus beeinträchtige demnach auch andere Erinnerungsleistungen.
Stammzellen als Gedächtnisverbesserer?
Nachdem somit die Hirnschädigungen der Testmäuse empirisch bestätigt waren, folgte die eigentliche Untersuchung: Könnte eine Kur mit neuronalen Stammzellen die Gedächtnisleistung verbessern? Jeweils etwa 200 000 modifizierte Zellen – die unter ultraviolettem Licht grün aufleuchteten – injizierten LaFerla und sein Team in das Gehirn der Mäuse, um diese Frage zu beantworten.
Drei Monate nach dem Eingriff testeten die Wissenschaftler ihre Probanden noch einmal. Und tatsächlich, die Stammzellkur hatte gewirkt:
Doch als die Forscher ihre Stammzellen unter ultraviolettem Licht genauer unter die Lupe nahmen, entdeckten sie Erstaunliches: Zwar hatten sich die Zellen wie erwartet bei den geschädigten Hirnareale versammelt, doch nur etwa vier Prozent von ihnen hatten sich tatsächlich zu Nervenzellen entwickelt. Die verbesserte Gedächtnisleistung war also nicht dem bloßen Ersatz der geschädigten Neurone durch spezialisierte Stammzellen zu verdanken. Doch wem dann?
Indirekte Pflege
Des Rätsels Lösung liegt wahrscheinlich allein in der Anwesenheit der Stammzellen. "Wir glauben, dass die Stammzellen die lokale Mikroumgebung im Gehirn verbessern", erklärt Frank LaFerla das ungewöhnliche Ergebnis. Eine wichtige Rolle spielen hierbei so genannte Neurotrophine: Nährproteine, die von den Stammzellen produziert werden. Mit ihnen, vermuten die Forscher, unterstützen die Stammzellen geschädigte Neuronen und halten sie so am Leben und funktionstüchtig.
"Bislang lag ein Schwergewicht der Stammzellforschung darauf, diese in unterschiedliche Zelltypen zu differenzieren", erläutert Tritia Yamasaki, eine der beteiligten Forscherinnen, das Ergebnis. "Dabei scheint das gar nicht immer notwendig zu sein." Möglicherweise wären also nicht die Stammzellen selbst die Heilsbringer für Alzheimer- oder Schlaganfallpatienten, sondern ihre Neurotrophine.
Das perfekte Modell
Doch die neuronalen Veränderungen menschlicher Hirnschädigungen an Tiermodellen zu simulieren, ist gar nicht so einfach: Gezielte Eingriffe in bestimmten Hirnarealen zerstören meist mehr als die Krankheiten, die man untersuchen will. Greifen die Wissenschaftler zu Medikamenten, um die Nervenzellen zu schädigen, bleibt unklar, ob einzelne Nebenwirkungen nicht auch andere Bereiche beeinflussen. Und auch Tiermodelle mit Durchblutungsstörungen im Gehirn eignen sich nur bedingt, weil bei ihnen meist ganz unterschiedliche Hirngebiete in Mitleidenschaft gezogen werden. Genaue Tests der Gedächtnisleistung werden so nahezu unmöglich.
Deshalb entwickelten LaFerla und sein Team transgene Labormäuse, bei denen das Gift des Diphterie-Erregers massive Zellschäden in bestimmten Hirnregionen verursachte. Über ihr Trinkwasser erhielten die Tiere ein Mittel, welches das Toxin in Schach hielt. Erst wenn dieses ausblieb, zerstörte das Gift die Nervenzellen des Hippokampus, der zentral für die Erinnerungsfähigkeit zuständig ist.
Um die Gedächtnisleistung ihrer erkrankten Mäuse zu erproben, schickten die Forscher sie in zwei Testreihen: Zunächst einmal sollten sie Orte wiedererkennen – eine Fähigkeit, die maßgeblich vom Hippokampus abhängt. Hier versagte das Gedächtnis der hirngeschädigten Tiere in etwa sechzig Prozent der Fälle, während sich sowohl ihre medikamentös versorgten transgenen Artgenossen als auch gesunde Kontroll-Mäuse in knapp drei Viertel der Lokalitäten zurecht fanden.
Anschließend mussten die Tiere Objekte wiedererkennen, wobei auch die Großhirnrinde eine wichtige Rolle spielt. Doch auch hier schnitten die toxingeschädigten Tiere etwas schlechter ab: Sie hatten noch knapp zwei Drittel der Objekte im Gedächtnis, während ihre Mitstreiter ganze achtzig Prozent identifizieren konnten. Der geschädigte Hippokampus beeinträchtige demnach auch andere Erinnerungsleistungen.
Stammzellen als Gedächtnisverbesserer?
Nachdem somit die Hirnschädigungen der Testmäuse empirisch bestätigt waren, folgte die eigentliche Untersuchung: Könnte eine Kur mit neuronalen Stammzellen die Gedächtnisleistung verbessern? Jeweils etwa 200 000 modifizierte Zellen – die unter ultraviolettem Licht grün aufleuchteten – injizierten LaFerla und sein Team in das Gehirn der Mäuse, um diese Frage zu beantworten.
Drei Monate nach dem Eingriff testeten die Wissenschaftler ihre Probanden noch einmal. Und tatsächlich, die Stammzellkur hatte gewirkt:
Die Stammzellen verbessern die lokale Mikroumgebung im Gehirn
(Frank LaFerla)
Die erkrankten Mäuse zeigten sich nun genauso erinnerungsfreudig wie ihre gesunden Artgenossen – während toxingeschädigte Tiere ohne Stammzellinjektion noch genauso schlecht abschnitten wie zuvor. (Frank LaFerla)
Doch als die Forscher ihre Stammzellen unter ultraviolettem Licht genauer unter die Lupe nahmen, entdeckten sie Erstaunliches: Zwar hatten sich die Zellen wie erwartet bei den geschädigten Hirnareale versammelt, doch nur etwa vier Prozent von ihnen hatten sich tatsächlich zu Nervenzellen entwickelt. Die verbesserte Gedächtnisleistung war also nicht dem bloßen Ersatz der geschädigten Neurone durch spezialisierte Stammzellen zu verdanken. Doch wem dann?
Indirekte Pflege
Des Rätsels Lösung liegt wahrscheinlich allein in der Anwesenheit der Stammzellen. "Wir glauben, dass die Stammzellen die lokale Mikroumgebung im Gehirn verbessern", erklärt Frank LaFerla das ungewöhnliche Ergebnis. Eine wichtige Rolle spielen hierbei so genannte Neurotrophine: Nährproteine, die von den Stammzellen produziert werden. Mit ihnen, vermuten die Forscher, unterstützen die Stammzellen geschädigte Neuronen und halten sie so am Leben und funktionstüchtig.
"Bislang lag ein Schwergewicht der Stammzellforschung darauf, diese in unterschiedliche Zelltypen zu differenzieren", erläutert Tritia Yamasaki, eine der beteiligten Forscherinnen, das Ergebnis. "Dabei scheint das gar nicht immer notwendig zu sein." Möglicherweise wären also nicht die Stammzellen selbst die Heilsbringer für Alzheimer- oder Schlaganfallpatienten, sondern ihre Neurotrophine.
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