Nobelpreise 2008: Ein Hurra! der bunten Allzweck-Dose
Der Chemie-Nobelpreis 2008 belohnt drei Forscher dafür, wesentliche Grundlagen des Lebens wirklich ansehnlich gemacht zu haben - und bunt wie einen Regenbogen. Möglich machte dies die Entdeckung des fluoreszierenden Proteins GFP. Dessen eigentlicher Erfinder irrlichtert indes unbeeindruckt von menschlichen Ehrungen durch den Pazifik.
Der Weg zum Wissen nach dem Glauben führt beim Augentier Mensch häufig über das Sehen, und das gilt natürlich auch für Naturwissenschaftler. Schon die Erfindung des Mikroskops im 17. Jahrhundert hatte aus einst unsichtbaren Kleinigkeiten deutlich erkennbare Realität gemacht und so das Verständnis von lebender und toter Natur revolutioniert. Die heute als nobelpreiswürdig anerkannten Leistungen von Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien legten den Grundstein für eine vergleichbare Erkenntnisexplosion im 21. Jahrhundert – ihr Forscherdrang hat maßgeblich dazu beigetragen, mit dem grün fluoreszierenden Protein GFP eines der heute wichtigsten Werkzeuge der Biowissenschaften in Händen zu halten. Es ermöglicht Forschern im lebenden Gewebe dabei zuzusehen, welche Wege verschiedene Zellen eines Körpers einschlagen und wo und wann sich Proteine in ihnen bilden und interagieren.
Schimmer aus der Tiefe
Als die Erfolgsgeschichte des Fluoreszenzproteins Anfang der 1960er Jahre im Ozean begann, träumte noch niemand vom Glücksfall des leuchtenden Allzweckwerkzeugs – auch nicht Osamu Shimomura. Der Forscher, damals an der University of Princeton, hatte sich bereits einen bescheidenen Namen als Experte für bioluminiszierende Meeresorganismen gemacht. Nun wollte er herausfinden, warum die Schirmränder der nordpazifischen Qualle Aequorea victoriae so schön grün leuchten, sobald das Tier geärgert wird. Nach einigen Mühen entlockte er den ausgepressten Resten einiger Tiere schließlich ein paar Milligramm einer Substanz, die in Anwesenheit von Kalziumionen gelöst blau leuchtet: das Eiweiß Aequorin. Bald entdeckte der Japaner noch ein zweites, allerdings nur unter geeigneter Lichteinstrahlung fluoreszierendes Protein, eben GFP. Wieso die lebende Qualle mit diesen zwei sehr eigenen Leuchtmitteln im Ozean ausgerechnet grün blinken kann, blieb indes erst einmal rätselhaft.
Nach einem weiteren Jahrzehnt Forschungen hatte Shimomura dann schließlich viele Details über die Beleuchtungsinterna der Qualle teils richtig vermutet, teils experimentell bestätigt. So erkannte er etwa, dass das emittierte Blaulicht des ersten Leuchtproteins, Aequorin, das zweite Eiweiß GFP zum typischen grünen Leuchten anregt. Hinter der molekularen Grundlage der Fluoreszenz, dem Chromophor von GFP, vermutete Shimomura richtig ein Hydroxybenzylideneimidazolinon – eine komplizierte chemische Konstruktion mit Sauerstoffgruppen, konjugierten Doppelbindungen und Ringsystemen, in der die verschiedenen Bestandteile ständig miteinander um Elektronen kämpfen. Dieses Chromophor ist in eine Proteinkette gebettet. Nach UV-Bestrahlung strahlen aus dieser Mitte die durch UV-Licht auf ein höheres Energieniveau angehobenen Elektronen Energie als Photonen im grünen Wellenlängenbereich ab.
Grellgrüne Achtziger
Chalfie hatte das Glück, auf die Forschungsarbeit von Douglas Prasher zurückgreifen zu können, der mit neuen Methoden dort weitergearbeitet hatte, wo Shimomura am Ende seiner Laufbahn stehen blieb: der Erforschung von GFP. Prashers Team hatte analysiert, dass das Protein aus 238 Aminosäuren besteht, von denen drei – ein Serin, Tyrosin und Glycin an den Positionen 65 bis 67 der Peptidkette – mit ihren typischen chemischen Resten zum komplexen Chromophor fusionieren, nachdem das Protein in seine typische dosenförmige Form gefaltet wird.
Prasher und Co hatten geplant, ein kloniertes GFP-Gen in das Erbgut anderer Zellen einzuschleusen und dort exprimieren zu lassen. Sie hatten allerdings kaum damit gerechnet, dass so ein tatsächlich funktionsfähiges Fluoreszenzprotein entsteht – und vermuteten, dass zum korrekten Bau die Mithilfe bestimmter, bislang unidentifizierter Hilfsenzyme der Qualle unabdingbar ist. Im Labor von Chalfie waren deshalb alle sehr überrascht, nachdem sie die von Prasher identifizierte GFP-Sequenz probeweise in Bakterien eingebaut hatten, denn ganz ohne anderes Zutun begannen die veränderten Mikroben im UV-Licht GFP-grün zu leuchten. Offenbar bastelt sich die kleine, geklonte Protein-Dose also selbst in ihre funktionale Form und arbeitet dann ganz eigenständig auch in völlig fremder biochemischer Umgebung.
Chalfie erkannte, welche Möglichkeiten die Entdeckung barg. Schon bald war er damit erfolgreich, die GFP-Sequenz gezielt in jene Gene seines Fadenwurm-Versuchstiers einzubauen, die typisch für sechs Druckrezeptoren sind. An dem veränderten Wurm konnte er dann unter UV-Beleuchtung anhand der grünen Leuchtspuren zusehen, wie, wann und wo genau diese Rezeptoren sich zusammenbauten. Die wissenschaftliche Rakete war endgültig gezündet: Schnell war in Laboren weltweit der Fluoreszenzmarker aus anderen Modellorganismen von Taufliege bis Maus nicht mehr wegzudenken.
Mehr Licht!
GFP funktionierte Anfang der 1990er also gut und autark in allerlei Lebewesen, in die es eingeschleust worden war – warum eigentlich, konnte allerdings keiner wirklich beantworten. Roger Tsien von der University of California in San Francisco widmete sich zunächst dieser Frage und erkannte schließlich, dass GFP sich zwar selbstständig in seine Dosenform faltet, aber Sauerstoff für die Fluoreszenzfunktion des Chromophors nötig ist. Wahrscheinlich, so spekulierte er auf dem später als richtig erkannten Weg, oxidiert Sauerstoff an einer entscheidenden Stelle des Chromophors eine einfache zu einer Doppelbindung.
Nebenbei fand sein Team auch heraus, dass subtile Veränderungen der Peptidkette von GFP spannende Effekte auf die Wellenlängen des absorbierten sowie des emittierten Lichts haben können. In rascher Folge stellten die Forscher um Tsien Varianten von GFP vor, die durch andersfarbiges Licht angeregt werden oder heller und andersfarbig leuchten. Bald war nur noch eine hartnäckige Nuss zu knacken: ein rot anregbares und dann in tieferem Rot leuchtendes Fluoreszenzmarker-Protein. Gerade auf so eine Variante warteten viele Forscher, die in dickeren, lebenden Gewebeschichten Marker sehen wollten. Diese werden von rotem Licht leichter durchdrungen.
Diese Palette wird heute auch weidlich genutzt: Bunte Frucht der nobelpreisgewürdigten Vorarbeiten von Shimomura, Chalfie und Tsien ist etwa der vor einem Jahr vorgestellte "brainbow", ein Regenbogen aus Farben, den unterschiedlich markierte Neurone im Gehirn von Mäusen bilden. Um nur eine der vielen ganz unterschiedlichen Anwendungen außerhalb der klassischen Zellbiologie aufzuzählen: Varianten der GFP-Technik ermöglichen es Umwelttechnikern, die Belastung von giftverseuchten Böden schnell zu analysieren – durch einen raschen UV-Blick auf markierte, nur in arsen- oder kadmiumhaltigem Untergrund lebensfähige Bakterien.
All das – nicht aber wohl das GFB-lackierte, gruselig-geisterhaft schimmernde Modellbausatzleuchtschiff der Spielwarenindustrie – würde der Welt heute fehlen, wenn einst Shimomura sich nicht in leuchtenden Quallen verguckt, Chalfie nicht die Eigenständigkeit des GFP erkannt und Tsiens biologische Spürnase nicht viele Farben daraus hervorgekitzelt hätte. Wahrscheinlich würde das wichtigste Werkzeug der Biowissenschaftler dann noch immer größtenteils unbeachtet irgendwo im Nordpazifik herumtreiben. Auch dort unten sorgt es allerdings, zugegeben, für einen festlichen Auftritt.
In diesem das Leben ausmachenden Durcheinander zehntausender einzelner Eiweiße in den Billionen Körperzellen mancher Organismen war lange kein echter Durchblick möglich gewesen. Mit GFP wurde das ziemlich schlagartig anders: Seit sich der Nutzen des zur Markierung anderer Proteine eingesetzten Moleküls ab etwa 1992 herumgesprochen hatte, erschienen mehr als 20 000 Publikationen, in denen der Fluoreszenzmarker eine Rolle spielt.
GFP ist ein relativ kleines Protein, welches überraschend intensives grünes Licht zurückwirft, sobald es mit UV-Licht bestrahlt wird. Seine DNA-Bauanleitung kann mit gentechnischen Verfahren an die Gene anderer Proteine angehängt werden – wodurch bei ihrem Bau dann hintendran ein fluoreszierendes GFP-Anhängsel entsteht, das den Aufenthaltsort des so markierten Proteins unter UV-Bestrahlung preisgibt. Der kompakte Marker stört dabei die natürlichen Vorgänge kaum, ist nicht toxisch, braucht keinerlei zellexterne Enzyme oder Hilfsmittel außer Sauerstoff, um automatisch zu leuchten, und ist somit in allen Lebewesen gleichermaßen simpel einsetzbar. Eben das geschieht heute – weltweit und tagtäglich.
Schimmer aus der Tiefe
Als die Erfolgsgeschichte des Fluoreszenzproteins Anfang der 1960er Jahre im Ozean begann, träumte noch niemand vom Glücksfall des leuchtenden Allzweckwerkzeugs – auch nicht Osamu Shimomura. Der Forscher, damals an der University of Princeton, hatte sich bereits einen bescheidenen Namen als Experte für bioluminiszierende Meeresorganismen gemacht. Nun wollte er herausfinden, warum die Schirmränder der nordpazifischen Qualle Aequorea victoriae so schön grün leuchten, sobald das Tier geärgert wird. Nach einigen Mühen entlockte er den ausgepressten Resten einiger Tiere schließlich ein paar Milligramm einer Substanz, die in Anwesenheit von Kalziumionen gelöst blau leuchtet: das Eiweiß Aequorin. Bald entdeckte der Japaner noch ein zweites, allerdings nur unter geeigneter Lichteinstrahlung fluoreszierendes Protein, eben GFP. Wieso die lebende Qualle mit diesen zwei sehr eigenen Leuchtmitteln im Ozean ausgerechnet grün blinken kann, blieb indes erst einmal rätselhaft.
Nach einem weiteren Jahrzehnt Forschungen hatte Shimomura dann schließlich viele Details über die Beleuchtungsinterna der Qualle teils richtig vermutet, teils experimentell bestätigt. So erkannte er etwa, dass das emittierte Blaulicht des ersten Leuchtproteins, Aequorin, das zweite Eiweiß GFP zum typischen grünen Leuchten anregt. Hinter der molekularen Grundlage der Fluoreszenz, dem Chromophor von GFP, vermutete Shimomura richtig ein Hydroxybenzylideneimidazolinon – eine komplizierte chemische Konstruktion mit Sauerstoffgruppen, konjugierten Doppelbindungen und Ringsystemen, in der die verschiedenen Bestandteile ständig miteinander um Elektronen kämpfen. Dieses Chromophor ist in eine Proteinkette gebettet. Nach UV-Bestrahlung strahlen aus dieser Mitte die durch UV-Licht auf ein höheres Energieniveau angehobenen Elektronen Energie als Photonen im grünen Wellenlängenbereich ab.
Grellgrüne Achtziger
Das ozeanische Leuchtkunstwerk hätte nun gut als hübsche Kuriosität in Vergessenheit geraten können – wenn nicht im richtigen Augenblick der zweite Laureat, Martin Chalfie, 1988 über den eigenen genetikzentrierten Tellerrand geschaut hätte. Im Alltagsleben beschäftigte er sich mit einem der schon damals angesagtesten Organismen der Gentechniker, dem unscheinbaren Allerweltsfadenwurm Caenorhabditis elegans. Er suchte nach Wegen, ausgesuchte Exemplare der stets 959 Zellen des durchsichtigen Wurms irgendwie bei ihrer Entstehung zu markieren, um dann ihren Wanderungen im Laufe der Entwicklung zuschauen zu können.
Chalfie hatte das Glück, auf die Forschungsarbeit von Douglas Prasher zurückgreifen zu können, der mit neuen Methoden dort weitergearbeitet hatte, wo Shimomura am Ende seiner Laufbahn stehen blieb: der Erforschung von GFP. Prashers Team hatte analysiert, dass das Protein aus 238 Aminosäuren besteht, von denen drei – ein Serin, Tyrosin und Glycin an den Positionen 65 bis 67 der Peptidkette – mit ihren typischen chemischen Resten zum komplexen Chromophor fusionieren, nachdem das Protein in seine typische dosenförmige Form gefaltet wird.
Prasher und Co hatten geplant, ein kloniertes GFP-Gen in das Erbgut anderer Zellen einzuschleusen und dort exprimieren zu lassen. Sie hatten allerdings kaum damit gerechnet, dass so ein tatsächlich funktionsfähiges Fluoreszenzprotein entsteht – und vermuteten, dass zum korrekten Bau die Mithilfe bestimmter, bislang unidentifizierter Hilfsenzyme der Qualle unabdingbar ist. Im Labor von Chalfie waren deshalb alle sehr überrascht, nachdem sie die von Prasher identifizierte GFP-Sequenz probeweise in Bakterien eingebaut hatten, denn ganz ohne anderes Zutun begannen die veränderten Mikroben im UV-Licht GFP-grün zu leuchten. Offenbar bastelt sich die kleine, geklonte Protein-Dose also selbst in ihre funktionale Form und arbeitet dann ganz eigenständig auch in völlig fremder biochemischer Umgebung.
Chalfie erkannte, welche Möglichkeiten die Entdeckung barg. Schon bald war er damit erfolgreich, die GFP-Sequenz gezielt in jene Gene seines Fadenwurm-Versuchstiers einzubauen, die typisch für sechs Druckrezeptoren sind. An dem veränderten Wurm konnte er dann unter UV-Beleuchtung anhand der grünen Leuchtspuren zusehen, wie, wann und wo genau diese Rezeptoren sich zusammenbauten. Die wissenschaftliche Rakete war endgültig gezündet: Schnell war in Laboren weltweit der Fluoreszenzmarker aus anderen Modellorganismen von Taufliege bis Maus nicht mehr wegzudenken.
Mehr Licht!
GFP funktionierte Anfang der 1990er also gut und autark in allerlei Lebewesen, in die es eingeschleust worden war – warum eigentlich, konnte allerdings keiner wirklich beantworten. Roger Tsien von der University of California in San Francisco widmete sich zunächst dieser Frage und erkannte schließlich, dass GFP sich zwar selbstständig in seine Dosenform faltet, aber Sauerstoff für die Fluoreszenzfunktion des Chromophors nötig ist. Wahrscheinlich, so spekulierte er auf dem später als richtig erkannten Weg, oxidiert Sauerstoff an einer entscheidenden Stelle des Chromophors eine einfache zu einer Doppelbindung.
Nebenbei fand sein Team auch heraus, dass subtile Veränderungen der Peptidkette von GFP spannende Effekte auf die Wellenlängen des absorbierten sowie des emittierten Lichts haben können. In rascher Folge stellten die Forscher um Tsien Varianten von GFP vor, die durch andersfarbiges Licht angeregt werden oder heller und andersfarbig leuchten. Bald war nur noch eine hartnäckige Nuss zu knacken: ein rot anregbares und dann in tieferem Rot leuchtendes Fluoreszenzmarker-Protein. Gerade auf so eine Variante warteten viele Forscher, die in dickeren, lebenden Gewebeschichten Marker sehen wollten. Diese werden von rotem Licht leichter durchdrungen.
Auch hier konnte nach einiger Zeit endlich Tsien weiterhelfen: Sein Team hatte mit einigem Aufwand ein aus Korallen isoliertes, leider aber im Urzustand ungemütlich großes und komplex zusammengesetztes, rot fluoreszierendes Protein so zielgerichtet manipuliert, dass es als Markerprotein in Zellen dienen konnte. Ein knappes halbes Jahrhundert nachdem Shimomura seine ersten blau schimmernden Quallenextrakte gepresst hat, steht Biologen weltweit ein Kaleidoskop von Fluoreszenzmarkern in allen Farben des Regenbogens zur Verfügung.
Diese Palette wird heute auch weidlich genutzt: Bunte Frucht der nobelpreisgewürdigten Vorarbeiten von Shimomura, Chalfie und Tsien ist etwa der vor einem Jahr vorgestellte "brainbow", ein Regenbogen aus Farben, den unterschiedlich markierte Neurone im Gehirn von Mäusen bilden. Um nur eine der vielen ganz unterschiedlichen Anwendungen außerhalb der klassischen Zellbiologie aufzuzählen: Varianten der GFP-Technik ermöglichen es Umwelttechnikern, die Belastung von giftverseuchten Böden schnell zu analysieren – durch einen raschen UV-Blick auf markierte, nur in arsen- oder kadmiumhaltigem Untergrund lebensfähige Bakterien.
All das – nicht aber wohl das GFB-lackierte, gruselig-geisterhaft schimmernde Modellbausatzleuchtschiff der Spielwarenindustrie – würde der Welt heute fehlen, wenn einst Shimomura sich nicht in leuchtenden Quallen verguckt, Chalfie nicht die Eigenständigkeit des GFP erkannt und Tsiens biologische Spürnase nicht viele Farben daraus hervorgekitzelt hätte. Wahrscheinlich würde das wichtigste Werkzeug der Biowissenschaftler dann noch immer größtenteils unbeachtet irgendwo im Nordpazifik herumtreiben. Auch dort unten sorgt es allerdings, zugegeben, für einen festlichen Auftritt.
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