Alternative Energien: Ein Käfig voller Wasserstoff
Wahrscheinlich können sich noch alle an die Experimente mit dem Knallgas im Physik- oder Chemieunterricht erinnern. Seither träumen viele von der Wasserstofftechnologie als unerschöpflicher und sauberer Energiequelle. Ein koreanisch-kanadisches Forscherteam ist diesem Traum ein Stückchen näher gekommen.
Ich durfte es gleich zweimal an einem Tag erleben. In der Chemiestunde setzte die übervorsichtige Lehrerin zunächst ihre Schutzbrille auf, die ihr halbes Gesicht verdeckte, und verlangte höchste Aufmerksamkeit, als sie das Reagenzgläschen, in dem sich durch einen elektrochemischen Vorgang ein Gas gebildet hatte, vorsichtig einem Bunsenbrenner näherte: "Puff!", hat es gemacht. Kaum wahrnehmbar. Danach stand Physik auf dem Stundenplan – und der Versuchsaufbau kam uns irgendwie bekannt vor. Ohne Schutzkleidung jedoch begann der Pauker seinen Unterricht. Beinahe im Vorübergehen, so ganz nebenbei, nahm er eines der Reagenzgläschen und hielt es in eine Flamme. "Wummm!!", tat es, und er hatte alle Aufmerksamkeit.
So oder so ähnlich mag es in vielen Schulen geschehen sein. Was hängen blieb, war: Der bei der Elektrolyse von Wasser entstehende Wasserstoff enthält gewaltige Energie und ist hochexplosiv. Das beflügelt Phantasien: Wenn sich aus bloßem Wasser eine derart gewaltige Kraft zaubern ließe, so wären doch alle Energieprobleme schlagartig gelöst. Schließlich gibt es doch Wasser – salziges zumindest – im Überfluss.
Zugleich würde dies die Unabhängigkeit von den fossilen Brennstoffen und deren Lieferanten bedeuten. Und wir könnten unser Gewissen beruhigen, weil wir die Atmosphäre dann nicht mehr mit dem bei der Verbrennung von Erdöl oder Erdgas entstehenden Kohlendioxid belasteten. Führen Autos beispielsweise alle mit Brennstoffzellen, die Wasserstoff tanken, entstände als Abfallprodukt ausschließlich pures Wasser: Abgase, die man trinken kann – fast wie im Schlaraffenland.
Doch so einfach ist das alles nicht. Um das hochexplosive Gas zu gewinnen, muss es zunächst erzeugt werden. Und die Elektrolyse – die Aufspaltung von Wasser mit Hilfe von Elektrizität in seine beiden Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff – benötigt erst einmal Energie. Im Idealfall ergibt sich ein Nullsummenspiel: Die Energie, die zur Erzeugung des Brennstoffs aufzubringen ist, entsteht bei der späteren Verbrennung wieder.
Da es Ideale aber nur im Märchen gibt – bei realen Prozessen stellen sich immer Verluste ein –, muss man sich nach Quellen umschauen, die ihren Wasserstoff einfacher abgeben.
Bei Methan und anderen Kohlenwasserstoffen ist das der Fall – aber nur, weil die Natur vor ein paar Millionen Jahren die Arbeit der Erzeugung für uns übernommen hat. Die Krux ist zudem: Die ergiebigsten Quellen an Kohlenwasserstoffen sind die Erdgas- und Erdölvorkommen. Es bliebe also bei der weltweiten Abhängigkeit von wenigen Produzenten.
Es kommt noch schlimmer: Hat man den Wasserstoff erst einmal gewonnen, stellt sich die Frage, wie er gelagert und verteilt wird. Da sich dieses zweiatomige Gas erst bei sehr tiefen Temperaturen und hohen Drücken verflüssigt, wird es ihn wohl auch in absehbarer Zeit kaum einfach so an der Tankstelle geben, zumal die Verflüssigung vorab Strom frisst. Und mit einer Gasflasche kommt ein Fahrzeug auch nicht weit.
Daher sind Tausende von Forschern auf der ganzen Welt intensiv auf der Suche nach geeigneten Speichern für das äußerst flüchtige Gas. So auch ein koreanisch-kanadisches Team um Huen Lee vom Korea Advanced Institute of Science and Technology in Daejeon und John Ripmeester vom Steacie Institute for Molecular Sciences.
Sie nahmen sich ein natürliches Gebilde als Vorbild: die so genannten Klathrate vom Grund der Meere – poröse, zerbrechliche Substanzen, die ausschließlich unter hohem Druck Bestand haben und Gase oder andere chemische Verbindungen in mikroskopisch kleinen Hohlräumen gefangen halten.
Bekanntester Vertreter ist das Methanhydrat: Seltsame Klumpen, die aussehen wie schmutziges Eis, das jedoch lichterloh brennt. Das Material hat sich auf dem Meeresgrund gebildet und sich wie ein Schwamm mit Methan vollgesogen. An Luft entweicht das Gas und lässt sich abfackeln.
Geologen vermuten riesige Mengen davon in den Ozeanen, aber auch in den Permafrostböden Sibiriens oder Kanadas. Doch sind diese Schätze nicht leicht zu bergen.
In solch einem Klathrat ließe sich statt Methan aber ebenso Wasserstoff speichern, das als Sprit für Fahrzeuge dienen könnte. Das Problem ist nur: Das Material bildet sich ausschließlich unter hohem Druck. Während sich das weniger ergiebige Methanhydrat bereits bei einer Wassertiefe von gut 500 Metern bildet, benötigt die von den Wissenschaftlern untersuchte Einschlussverbindung von Wasser und purem Wasserstoff mindestens 2000 bar. Das entspricht dem 2000fachen des Luftdrucks oder den Druckverhältnissen in einer Wassertiefe von 20 000 Metern.
Damit Tanks oder andere Gefäße derartig hohe Belastungen standhalten, müssten sie sehr massiv sein. Das ist aber nichts für die Automobilindustrie, die durch Gewichtseinsparung ihre Fahrzeuge – mit Ausnahme der so genannten Fun-Vehikel – ja immer effizienter und Sprit sparender machen will.
Das koreanische Forscherteam hat nun herausgefunden, dass sich der für die Stabilität der untersuchten Einschlussverbindung notwendige Druck auf gut 120 bar reduzieren lässt, wenn die nach Aceton riechende Flüssigkeit Tetrahydrofuran (THF; C4H8O) ins Spiel kommt. Zwar verdrängt THF einen Teil des Wasserstoffs aus dem Klathrat, doch ist dieses noch immer in der Lage, bis zu vier Prozent seines Eigengewichts an Wasserstoff zu speichern.
Das ist durchaus vergleichbar mit anderen Systemen, die derzeit als Speicher getestet werden, aber der Autoindustrie noch nicht genug. Zudem muss dieser labile Feststofftank noch immer auf Temperaturen um den Gefrierpunkt gekühlt werden.
Dafür hat der Speicher von Lee und Ripmeester einige andere Vorzüge zu bieten: Die Ausgangsmaterialien – Wasser und Tetrahydrofuran – sind billig und weit gehend ungefährlich. Und vielleicht lässt sich noch mehr Gas speichern, wenn statt dem Tetrahydrofuran ein anderer Stabilisator verwendet wird. Das aber muss erst die weitere Forschung zeigen.
So oder so ähnlich mag es in vielen Schulen geschehen sein. Was hängen blieb, war: Der bei der Elektrolyse von Wasser entstehende Wasserstoff enthält gewaltige Energie und ist hochexplosiv. Das beflügelt Phantasien: Wenn sich aus bloßem Wasser eine derart gewaltige Kraft zaubern ließe, so wären doch alle Energieprobleme schlagartig gelöst. Schließlich gibt es doch Wasser – salziges zumindest – im Überfluss.
Zugleich würde dies die Unabhängigkeit von den fossilen Brennstoffen und deren Lieferanten bedeuten. Und wir könnten unser Gewissen beruhigen, weil wir die Atmosphäre dann nicht mehr mit dem bei der Verbrennung von Erdöl oder Erdgas entstehenden Kohlendioxid belasteten. Führen Autos beispielsweise alle mit Brennstoffzellen, die Wasserstoff tanken, entstände als Abfallprodukt ausschließlich pures Wasser: Abgase, die man trinken kann – fast wie im Schlaraffenland.
Doch so einfach ist das alles nicht. Um das hochexplosive Gas zu gewinnen, muss es zunächst erzeugt werden. Und die Elektrolyse – die Aufspaltung von Wasser mit Hilfe von Elektrizität in seine beiden Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff – benötigt erst einmal Energie. Im Idealfall ergibt sich ein Nullsummenspiel: Die Energie, die zur Erzeugung des Brennstoffs aufzubringen ist, entsteht bei der späteren Verbrennung wieder.
Da es Ideale aber nur im Märchen gibt – bei realen Prozessen stellen sich immer Verluste ein –, muss man sich nach Quellen umschauen, die ihren Wasserstoff einfacher abgeben.
Bei Methan und anderen Kohlenwasserstoffen ist das der Fall – aber nur, weil die Natur vor ein paar Millionen Jahren die Arbeit der Erzeugung für uns übernommen hat. Die Krux ist zudem: Die ergiebigsten Quellen an Kohlenwasserstoffen sind die Erdgas- und Erdölvorkommen. Es bliebe also bei der weltweiten Abhängigkeit von wenigen Produzenten.
Es kommt noch schlimmer: Hat man den Wasserstoff erst einmal gewonnen, stellt sich die Frage, wie er gelagert und verteilt wird. Da sich dieses zweiatomige Gas erst bei sehr tiefen Temperaturen und hohen Drücken verflüssigt, wird es ihn wohl auch in absehbarer Zeit kaum einfach so an der Tankstelle geben, zumal die Verflüssigung vorab Strom frisst. Und mit einer Gasflasche kommt ein Fahrzeug auch nicht weit.
Daher sind Tausende von Forschern auf der ganzen Welt intensiv auf der Suche nach geeigneten Speichern für das äußerst flüchtige Gas. So auch ein koreanisch-kanadisches Team um Huen Lee vom Korea Advanced Institute of Science and Technology in Daejeon und John Ripmeester vom Steacie Institute for Molecular Sciences.
Sie nahmen sich ein natürliches Gebilde als Vorbild: die so genannten Klathrate vom Grund der Meere – poröse, zerbrechliche Substanzen, die ausschließlich unter hohem Druck Bestand haben und Gase oder andere chemische Verbindungen in mikroskopisch kleinen Hohlräumen gefangen halten.
Bekanntester Vertreter ist das Methanhydrat: Seltsame Klumpen, die aussehen wie schmutziges Eis, das jedoch lichterloh brennt. Das Material hat sich auf dem Meeresgrund gebildet und sich wie ein Schwamm mit Methan vollgesogen. An Luft entweicht das Gas und lässt sich abfackeln.
Geologen vermuten riesige Mengen davon in den Ozeanen, aber auch in den Permafrostböden Sibiriens oder Kanadas. Doch sind diese Schätze nicht leicht zu bergen.
In solch einem Klathrat ließe sich statt Methan aber ebenso Wasserstoff speichern, das als Sprit für Fahrzeuge dienen könnte. Das Problem ist nur: Das Material bildet sich ausschließlich unter hohem Druck. Während sich das weniger ergiebige Methanhydrat bereits bei einer Wassertiefe von gut 500 Metern bildet, benötigt die von den Wissenschaftlern untersuchte Einschlussverbindung von Wasser und purem Wasserstoff mindestens 2000 bar. Das entspricht dem 2000fachen des Luftdrucks oder den Druckverhältnissen in einer Wassertiefe von 20 000 Metern.
Damit Tanks oder andere Gefäße derartig hohe Belastungen standhalten, müssten sie sehr massiv sein. Das ist aber nichts für die Automobilindustrie, die durch Gewichtseinsparung ihre Fahrzeuge – mit Ausnahme der so genannten Fun-Vehikel – ja immer effizienter und Sprit sparender machen will.
Das koreanische Forscherteam hat nun herausgefunden, dass sich der für die Stabilität der untersuchten Einschlussverbindung notwendige Druck auf gut 120 bar reduzieren lässt, wenn die nach Aceton riechende Flüssigkeit Tetrahydrofuran (THF; C4H8O) ins Spiel kommt. Zwar verdrängt THF einen Teil des Wasserstoffs aus dem Klathrat, doch ist dieses noch immer in der Lage, bis zu vier Prozent seines Eigengewichts an Wasserstoff zu speichern.
Das ist durchaus vergleichbar mit anderen Systemen, die derzeit als Speicher getestet werden, aber der Autoindustrie noch nicht genug. Zudem muss dieser labile Feststofftank noch immer auf Temperaturen um den Gefrierpunkt gekühlt werden.
Dafür hat der Speicher von Lee und Ripmeester einige andere Vorzüge zu bieten: Die Ausgangsmaterialien – Wasser und Tetrahydrofuran – sind billig und weit gehend ungefährlich. Und vielleicht lässt sich noch mehr Gas speichern, wenn statt dem Tetrahydrofuran ein anderer Stabilisator verwendet wird. Das aber muss erst die weitere Forschung zeigen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.