Evolution: Städtische Tiere sind besonders anpassungsfähig

In Umgebungen, die von Menschen verändert wurden, sind Lebewesen vielen unterschiedlichen Stressfaktoren ausgesetzt – sie können sich jedoch auch besser an solche Schwierigkeiten anpassen. Dadurch könnten Tiere und Pflanzen aus stadtnahen Lebensräumen womöglich als »Rettungspopulationen« in Klimawandel und Biodiversitätskrise dienen. Zu diesem Schluss kommt eine Arbeitsgruppe um Elizabeta Briski vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung im Kiel anhand von Untersuchungen an Muscheln und Flohkrebsen aus der Ostsee. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Ecology Letters« berichtet, vertragen Tiere aus der von Menschen stark beeinflussten Kieler Förde Veränderungen in der Wasserqualität besser als ihre Artgenossen aus dem nahe gelegenen Naturschutzgebiet Schleimünde. Das legt nahe, dass sie sich bereits an die stärkere Belastung durch den Menschen angepasst haben.
Die Umwelt rund um dicht besiedelte Städte, in denen heute knapp 60 Prozent der Weltbevölkerung leben, unterscheidet sich stark von natürlichen Lebensräumen. Tiere sind dort anderen, neuen Belastungen ausgesetzt, an die sie sich anpassen müssen. So singen Stadtvögel lauter und in anderen Tonlagen als ländliche Artgenossen, um sich vom menschlichen Lärm abzuheben. Außerdem sind Städte Wärmeinseln, geben also einen Hinweis darauf, wie Tierarten mit höheren Temperaturen klarkommen. Anscheinend aber passen sich Lebewesen nicht nur an veränderte Bedingungen an, sondern auch daran, dass sich die Bedingungen stärker und häufiger verändern. Das legen die Versuche des Teams um Briski nahe.
Die Fachleute sammelten Exemplare der Miesmuschel Mytilus edulis sowie der Flohkrebse Gammarus locusta und Gammarus salinus aus der Kieler Förde und der Schleimündung. Anschließend hielten sie die Tiere in Becken und variierten Temperatur, Salzgehalt und Kohlendioxidkonzentration in Bereichen, die heute und in der Zukunft für die Ostsee realistisch sind. Das Team beobachtete die Tiere über einen Zeitraum von 30 Tagen. Dabei zeigten sich in fast allen Versuchen die Individuen aus dem Stadtgebiet weniger empfindlich gegenüber veränderten Umweltbedingungen. Diese Widerstandskraft könne Hinweise darauf geben, wie sich Lebewesen in der zukünftigen Evolution an die veränderten Gegebenheiten auf der Erde anpassen, schreibt das Team. Außerdem könnten solche Populationen Regionen wiederbevölkern, in denen die Art durch veränderte Umweltbedingungen ausgestorben ist. Allerdings berge die höhere Anpassungsfähigkeit dieser Tierarten auch das Risiko, dass sie als invasive Arten andere Lebensräume besiedeln, sagen die Fachleute laut einer Pressemitteilung von GEOMAR.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.