Direkt zum Inhalt

Taxonomie: Familiengeschichte

Sie sind groß wie eine Katze, gleiten wie Fledertiere von Baum zu Baum - und leben ansonsten doch eher wie Affen: Die Riesengleiter oder Colugos gelten als ungewöhnliche Tiere, deren Zuordnung in die Systematik der Arten lange unklar blieb. Ein Gentest ergab nun: Die Tiere stehen uns ziemlich nahe.
Malaien-Colugo mit Baby
Die Riesengleiter der südostasiatischen Wälder boten lange Stoff für Rätselraten. Erste Zeichnungen zeigten sie als katzenartige Wesen, die weite Flughäute zwischen ihren Gliedmaßen, dem Hals und ihrem Schwanz hatten. Die nachtaktiven Baumbewohner kommen nur selten auf den Boden, meist nutzen sie ihre Häute zu weiten Gleitflügen von Baum zu Baum. Sie vereinen die Fähigkeiten unterschiedlichster Arten in sich, und entsprechend schwer taten sich die Taxonomen mit einer Einordnung der Spezies.

Colugo im Gleitflug | Colugos betreten nur selten den Boden. Ihre Gleitflüge tragen sie zielsicher von Baum zu Baum. Hier ist auch ihre Nahrung zu finden: Blätter, Blüten und andere Pflanzenteile.
Brehms Tierleben von 1883 schildert diese Unsicherheit treffend: "Linné stellt sie zu den Halbaffen, Cuvier zu den Fledermäusen, Geoffroy zu den Raubthieren, Oken zu den Beutelthieren und Peters endlich, wohl mit Recht, zu den Kerbthierfressern, deren Reihe sie eröffnen. Entsprechend der Unsicherheit der Forscher heißt die bekannteste Art unter anderen noch geflügelter Affe, Flattermaki, fliegende Katze, wundersame Fledermaus ..."

Inzwischen ist die systematische Stellung im Reich der Tiere schon etwas weiter aufgeklärt: Die beiden heute noch existierenden Colugo-Arten bilden die Ordnung der Dermoptera, wie die Riesengleiter auch genannt werden. Zusammen mit den Ordnungen der Scandentia – wozu nur die Spitzhörnchen zählen – und der Primaten – wo auch der Mensch eingruppiert wird – werden sie zu den Euarchonta gestellt.

Malaien-Colugo mit Baby | In Gefangenschaft sterben die Riesengleiter meist nach wenigen Tagen. Man vermutet, dass sie das Futter nicht vertragen.
Wie sieht ist es jedoch innerhalb dieser Gruppe aus? Sind Schimpansen, Gorillas und Menschen eher mit den katzenartigen Riesengleitern verwandt, oder stehen sie den kleinen Spitzhörnchen nahe?

Eine breit gefächerte Genuntersuchung des Biologen Jan Janecka von der Texas A&M University und seiner Kollegen der Universitäten Bayreuth und Frankfurt sollte hier Gewissheit bringen. Die Wissenschaftler suchten innerhalb der Gruppe der Euarchonta nach genetischen Veränderungen, um damit einen Stammbaum für eine Vielzahl von Vertretern der drei Säugetierordnungen aufzustellen.

Colugo mit Baby im Gleitflug | Colugos sind die nächsten Verwandten der Primaten.
Dabei zeigte sich, dass die Euarchonta in der Kreidezeit vor vermutlich 87,9 Millionen Jahren als eigenständige Gruppe entstanden sind. Nur kurz danach, vor 86,2 Millionen Jahren, trennten sich die Spitzhörnchen ab und ließen Primaten und Riesengleiter als Untergruppe der Primatomorpha zurück. Seit 79,6 Millionen Jahren gehen nun auch die pelzigen Flatterer eigene Wege. Demnach sind sie und nicht – wie bislang vermutet – die Spitzhörnchen unsere nächsten Verwandten.

Die Zukunft dieser Verwandten erscheint eher düster. Die beiden Spezies, der Philippinen-Colugo und der Malaien-Colugo, konnten als allzu anspruchsvolle Pflanzenfresser bislang nicht in Gefangenschaft gehalten werden; viele ihrer Lebensgewohnheiten sind noch weit gehend unerforscht. Gleichzeitig werden die Tiere intensiv bejagt: Den Einheimischen gilt ihr Fleisch als Delikatesse, und die Vorliebe der Colugos für Kokospflanzen macht sie auch bei Plantagenbesitzern alles andere als beliebt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.