Laubbläser und Co: Gärten des Grauens
»Gärten werden nicht geschaffen, indem man einfach im Schatten sitzt und singt: Oh, wie schön!«, hat schon der britische Schriftsteller und »Dschungelbuch«-Verfasser Rudyard Kipling gemahnt. Diese Devise haben sich Generationen von Hobbygärtnern zu Herzen genommen und Stunde um Stunde Arbeit in ihr grünes Paradies gesteckt. Im Herbst ist es das fallende Laub, das keine Langeweile aufkommen lässt, im Frühjahr und Sommer sind es sprießendes Gras und Unkraut, Blattläuse und Schnecken. Da kann es einem schon mal zu viel werden mit der Gartenpflege.
Warum sich die Arbeit also nicht mit ein paar elektrischen oder chemischen Helfern leichter machen? Roboter fürs Rasenmähen und andere motorisierte Gartengeräte werden immer beliebter. Und auch Schneckenkorn und weitere Pestizide kommen in Privatgärten nach wie vor zum Einsatz. Das alles aber kann unerwünschte Folgen für die Artenvielfalt haben, warnen Ökologen und Naturschützer. Sie sehen die Gefahr, dass die Gärten dadurch ihre Funktion als Refugien für Tiere und Pflanzen verlieren könnten.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hat zum Beispiel eigens eine Kampagne ins Leben gerufen, um auf den ökologischen Wert naturnaher Privatgrundstücke hinzuweisen. »Gärten sind wichtige Rückzugsorte für viele Arten, die immer weniger Unterschlupf und Überwinterungsmöglichkeiten in unserer Kulturlandschaft finden«, erklärt NABU-Gartenexpertin Marja Rottleb. Vor allem als Nahrungsquellen sind vielfältige und umweltfreundlich bewirtschaftete Gärten bei vielen Tieren beliebt.
Nicht wenige Vogelarten nutzen das Angebot an Samen, Beeren und Insekten, das ihnen dort zur Verfügung steht. Vor allem einheimische Pflanzenarten punkten dabei als beliebte Restaurants. So ziehen die leuchtend roten Früchte der Vogelbeere Sorbus aucuparia mehr als 60 verschiedene Arten von gefiederten Besuchern an. Für Amseln, Rotkehlchen und Meisen sind naturnahe Gärten nach Einschätzung des NABU sogar attraktiver als die freie Landschaft.
Summende Vielfalt
Ähnliches scheint auch für manche Insekten zu gelten. So bescheinigen zahlreiche Studien solchen Lebensräumen einen erstaunlichen Reichtum an Wildbienen. Vor allem Hummeln, aber auch viele andere dieser wichtigen Bestäuber bilden dort große und artenreiche Bestände. Das gilt für Gärten in Deutschland und Großbritannien ebenso wie für ihre Pendants in Australien, Nord- und Südamerika. Profitieren können dabei sowohl einzeln lebende als auch soziale Bienenarten – vor allem solche, die in Hohlräumen nisten und bei der Nahrungssuche die Pollen vieler verschiedener Pflanzenarten nutzen können.
»Jedes Jahr sterben in Deutschland Hunderte von Igeln an Verletzungen durch motorisierte Gartenwerkzeuge«Martina Gehret
Diese Gartenfans treten in Städten mitunter häufiger auf als im angrenzenden Umland. Das liegt daran, dass gute natürliche Insektenlebensräume auf dem Land oft einer intensiv genutzten Agrarlandschaft weichen mussten. Auf diesen Landwirtschaftsflächen stehen den summenden Besuchern heute nicht nur weniger Blüten zur Verfügung als früher, oft beschränkt sich dieses Angebot auch noch auf einen eng begrenzten Zeitraum im Jahr. Dazu kommt dann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, denen zahlreiche Insekten zum Opfer fallen.
Im Vergleich dazu bieten viele Gärten für Wildbienen einen deutlich günstigeren Lebensraum mit mehr Nahrung und Nistplätzen. Bei insektenfreundlicher und pestizidfreier Bewirtschaftung solcher Grundstücke könne man in Städten daher durchaus einiges für den Schutz der Bestäuber tun, betont ein internationales Forscherteam um Damon Hall von der Saint Louis University in den USA.
Das bestätigen etliche Studien, die Robert Paxton von der Universität Halle-Wittenberg und seine Kollegen vom UFZ sowie weitere anderen Institutionen im Raum Halle durchgeführt haben. So fanden die Forscher in der Stadt nicht nur einen größeren Blütenreichtum, sondern auch mehr Bienen als in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten der gleichen Region. Die Stadtbienen waren dabei eher Generalisten, die eine größere Zahl von Pflanzenarten ansteuerten. Zudem besuchten sie die Versuchspflanzen auch häufiger als ihre Artgenossinnen auf dem Land und boten damit einen besseren Bestäubungsservice.
In einer weiteren Studie haben die Forscher zudem untersucht, was genau zu dieser besseren Bestäubungsleistung führt. Die häufigsten Besucher an den Testpflanzen der Forscher waren demnach die Hummeln. Diese litten zwar in der Stadt häufiger unter Parasitenbefall als auf dem Land. Doch die größere Zahl dieser Bestäuber in den Gärten machte diesen Nachteil wieder wett.
Deutlich wurde in der Studie auch, wie Gartenbesitzer die Bestäuber vor ihrer Haustür fördern können. Neben dem Blütenreichtum des Grundstücks ist dabei vor allem ein gutes Angebot an potenziellen Nistplätzen entscheidend. »Viele Bienen legen ihre Eier in Mauerritzen oder offene Bodenstellen«, erklärt Josef Settele vom UFZ. »Auch Insektenhotels nehmen sie oft gerne an.« Eine günstige Kombination aus reichlich Futter und Kinderstuben finden die Tiere in Gärten heutzutage leichter als auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Schmetterlingsgärten
»Bei Schmetterlingen ist die Lage dagegen etwas anders«, sagt der UFZ-Forscher. Das hängt damit zusammen, dass diese Insekten weniger komplexe Ansprüche haben als Bienen. Spezielle Strukturen, in denen sie ihre Eier ablegen können, brauchen sie zum Beispiel nicht. Worauf sie Wert legen, sind vor allem genügend Nahrungspflanzen für die Raupen und Blüten für die erwachsenen Tiere. Viele Arten sind dabei eng an bestimmte Pflanzenarten gebunden, die in Gärten kaum vorkommen. »Anders als bei Bienen ist ihre Artenvielfalt deshalb in der Stadt geringer als auf dem Land«, resümiert Josef Settele.
Das heißt allerdings nicht, dass Gärten für Schmetterlinge generell keine wichtigen Habitate wären. Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Arten, die dort bestens zurechtkommen und vom Blütenreichtum profitieren. Das zeigt zum Beispiel eine Untersuchung, bei der Benoît Fontaine vom Naturkundemuseum in Paris und seine Kollegen die Lage von Faltern in französischen Gärten unter die Lupe genommen haben. Dazu haben sie Daten des langjährigen Bürgerforschungsprojekts Observatoire des Papillons des Jardins ausgewertet. Dessen Teilnehmer beobachten und zählen in ihrem Garten 28 Arten oder Artengruppen. Auf der Liste dieser Kandidaten stehen etliche Generalisten, die durch die verschiedensten Lebensräume flattern. Es sind aber auch Spezialisten dabei, die auf bestimmte Pflanzenarten angewiesen sind. Die Raupen der bekannten Tagpfauenaugen, Admirale und Kleinen Füchse ernähren sich zum Beispiel fast ausschließlich von Brennnesseln, der Nachwuchs des Kaisermantels hat eine Vorliebe für Veilchen. Um die Vorkommen der Falter richtig interpretieren zu können, müssen die Bürgerforscher daher auch ein paar Fragen über ihren Garten und seinen Pflanzenbestand sowie über die Landschaft ringsum beantworten.
Die Analyse dieser Daten zeigt, dass Schmetterlinge ein großes Problem mit der Urbanisierung haben: Ein hoher Anteil von Gebäuden und Infrastruktur in einer Landschaft verringert die Artenzahl und Häufigkeit der Falter massiv. Zumindest auf lokaler Ebene kann dieser Effekt aber durch Gärten mit einem guten Nektarangebot gemildert werden. Gerade die Arten, die am meisten unter der Urbanisierung leiden, reagieren der Studie zufolge am sensibelsten auf die Art der Gartenbewirtschaftung.
Positiv wirken sich dabei die Größe des Gartens, sein Nektarangebot und das Vorhandensein bestimmter Pflanzen aus. So flatterten die Vertreter von 16 Arten oder Artengruppen besonders häufig über Grundstücke, auf denen es Brennnesseln gab. Negative Folgen für die Häufigkeit und den Artenreichtum der Falter hatte dagegen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Tipps für einen artenreichen Garten
PflanzenNaturschützer empfehlen, sich bei der Auswahl vor allem auf einheimische Arten zu konzentrieren. Denn an diese hat sich die hiesige Tierwelt im Lauf der Evolution angepasst. Ihre Blüten bieten Pollen und Nektar für Insekten, ihre Früchte Futter für Vögel. Oft sind sie auch widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse und Krankheiten.
Für ein reiches Insektenleben ist es wichtig, eine möglichst große Vielfalt an unterschiedlichen Blüten anzubieten, die vom Frühjahr bis zum Herbst durchgehend Nektar und Pollen liefern. Nach Ansicht des NABU spricht nichts dagegen, dieses Angebot auch durch nichteinheimische Arten wie früh blühende Winterlinge und Krokusse oder spät blühende Astern zu ergänzen. Unbedingt verzichten sollte man allerdings auf invasive Pflanzenarten, die sich unkontrolliert ausbreiten können.
SchmetterlingeWer viele Schmetterlinge in seinen Garten locken will, braucht die richtigen Nahrungspflanzen für die Raupen und gute Nektarlieferanten für die adulten Tiere. Brennnesseln zum Beispiel ernähren die Raupen von rund drei Dutzend Falterarten. Von »wilden Ecken«, in denen solche bei Gärtnern eher unbeliebten Pflanzen wachsen dürfen, kann die Faltervielfalt daher sehr profitieren.
Wie ein attraktiver Schmetterlingsgarten aussehen kann, beschreibt die Gesellschaft für Schmetterlingsschutz auf einer Website. Dort gibt es Tipps für die Anlage von falterfreundlichen Hecken und Wildwiesen sowie Anleitungen für das Anlocken bestimmter Arten. Der dekorative Schwalbenschwanz zum Beispiel bevorzugt violette Blüten wie Rotklee, Flockenblumen und Sommerflieder. Seine Eier legt er gern an Doldengewächse wie Wilde Möhre, Fenchel oder Dill, die möglichst über Rohboden oder Gestein stehen und so ein trocken warmes Mikroklima bieten sollten.
VögelFür gefiederte Besucher sollte ein Garten zum einen reichlich Nahrung in Form von Insekten, Samen und Wildfrüchten bieten. Beeren tragende Gehölze wie Vogelbeere, Wildrose und Berberitze sind als Futterlieferanten ebenso beliebt wie die Samenstände von Gräsern und Stauden wie Wilder Karde, Hornklee oder Mädesüß. Dornige Sträucher wie Schlehe und Weißdorn oder Kletterpflanzen bieten vielen Vögeln geschützte Brutplätze. Darüber hinaus kann man auch künstliche Nisthilfen anbieten.
Auf Pestizide sollte man komplett verzichten. Denn diese wirken sich nicht nur verheerend auf die Insektenvielfalt aus, sondern reichern sich auch im Körper von Vögeln an, die sich von diesen Tieren ernähren. Das kann zu Krankheiten oder sogar zum Tod führen.
IgelDamit die Stachelträger überhaupt in den Garten hineinkommen, brauchen sie einen geeigneten Zugang. Zaunlücken sollten dazu mindestens zehn Zentimeter breit und hoch sein.
Totholz und heimische Pflanzen sichern den Tieren Spinnen und Insekten als Nahrung, Buschwerk, Reisig und Laubhaufen dienen ihnen als Unterschlupf für den Tag und Schlafplatz für den Winter.
Der Garten sollte zudem frei von Giften sein, Lichtschächte und Gruben sollte man abdecken, damit Igel nicht hineinfallen und verhungern. Zum Trinken sollte man den Tieren Wasser anbieten, keine Milch.
EidechsenDie flinken Reptilien nutzen Reisighaufen, Steinhaufen und unverfugte Trockenmauern zum Sonnenbaden und als Unterschlupf. Dort finden sie nicht nur Schutz vor Katzen, sondern auch ein reichhaltiges Menü aus Spinnen und Insekten. Ein Sandbeet an einer sonnigen Stelle nutzen die Tiere gern als Eiablageplatz.
Wer seinen Garten schmetterlingsfreundlich anlege und pflege, viele Blüten anbiete und auf Pestizide verzichte, könne durchaus einen guten Beitrag zum Schmetterlingsschutz leisten, betonen die französischen Forscher. Gerade wenn die Landschaft ringsum wenig attraktiv für die Tiere sei, könnten selbst kleine Grundstücke dadurch zu wertvollen Refugien für Schmetterlinge werden.
»Manchmal siedeln sich dort sogar neue Arten an, die in Deutschland bisher gar nicht vorkamen«, berichtet Josef Settele. Jüngstes Beispiel ist der Karstweißling Pieris mannii, der früher vor allem in Südeuropa, aber auch in der Schweiz vorkam. 2008 wurde der helle Falter mit den dunklen Flecken auf den Flügeln zum ersten Mal in Deutschland nahe der Schweizer Grenze nachgewiesen. Seither hat er sich fast über das gesamte Land ausgebreitet. »Dieser Erfolg hängt damit zusammen, dass die Raupen gerne an Schleifenblumen fressen«, erklärt Josef Settele. »Und das sind in Deutschland sehr beliebte Gartenpflanzen.«
Grüne Oasen
Doch nicht nur die Blumenbeete, sondern auch die Grünflächen auf einem Grundstück können zu Falterrefugien werden. Der Hauhechel-Bläuling Polyommatus icarus zum Beispiel ist ein typischer Grünlandbewohner, der gern über blütenreiche, nicht überdüngte Wiesen flattert. In intensiv genutzten Agrarlandschaften, in denen die Wiesen bis zu sechsmal im Jahr gemäht werden, sind solche Lebensräume rar geworden. Doch in Gärten kann der Falter Ersatz finden. Dort ist er mittlerweile häufiger als auf dem Land. Vor allem, wenn die Besitzer ihm statt kurzgeschorenem englischem Rasen eine Blumenwiese anbieten. »Das sind zwar meist nur relativ kleine Refugien«, sagt Josef Settele. »Aber die Menge macht’s.« Für ihn ist das ein gutes Beispiel dafür, dass man gegen das viel beklagte Insektensterben auch vor der eigenen Haustür etwas tun kann.
Wer sich nicht dazu entschließen will, seinen Rasen in eine Blumenwiese zu verwandeln, muss allerdings trotzdem nicht in einer ökologischen Wüste leben. Bei einer Untersuchung von 52 Rasenflächen in Sheffield sind britische Wissenschaftler immerhin auf 159 Arten von Gefäßpflanzen gestoßen. Allerdings versuchen viele Gartenbesitzer, Klee, Löwenzahn und andere Wildpflanzen durch häufiges Mähen aus dem grünen Teppich zurückzudrängen. Dabei könnten die Insekten auch von diesen Blüten durchaus profitieren, zeigt eine Studie aus den USA.
In 16 Vorstadtgärten im Bundesstaat Massachusetts haben Susannah Lerman von der University of Massachusetts und ihre Kollegen untersucht, wie sich der Mährhythmus auf die Häufigkeit und Vielfalt von Bienen auswirkt. Warfen die Besitzer ihren Rasenmäher nur alle zwei Wochen an, fanden sich auf ihren Grünflächen zweieinhalbmal mehr Blüten als bei wöchentlicher Mahd. Und das schlug sich auch in deutlich höheren Bienenzahlen nieder. Wer beim Rasenmähen faul sei, könne also mit geringem Aufwand zusätzliche Bienenlebensräume schaffen, folgern die Forscher im Fachjournal »Biological Conservation«.
Gefahren beim Mähen
Die Sache mit dem geringen Aufwand dürfte in den Ohren vieler Gartenbesitzer schon einmal gut klingen. Allerdings bekommt man so keinen ordentlichen, sattgrünen Rasenteppich hin. Und obwohl der ökologisch gesehen wenig zu bieten hat, haben ihn viele Menschen immer noch als Ideal vor Augen. Da sich aber auch viele Anhänger dieses »englischen Rasens« nicht unnötig viel Arbeit machen wollen, werden Mähroboter immer beliebter. Das sei der mühelose Weg zum perfekten Rasen, verspricht die Werbung von Herstellern und Baumärkten: Der Gartenbesitzer liegt entspannt auf der Terrasse oder spielt mit den Kindern, während der Roboter selbstständig das Gras in Form bringt.
Die Botschaft trifft auf offene Ohren. So hat das Marktforschungsinstitut GfK in Nürnberg bei Gartenbesitzern in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich und Belgien ein wachsendes Interesse an neuen, Arbeit sparenden Technologien festgestellt. Gerade Mähroboter liegen dabei offenbar voll im Trend: Allein zwischen Anfang 2015 und Anfang 2016 haben Verbraucher in den fünf Ländern 127 Millionen Euro für solche Geräte ausgegeben. Im ersten Halbjahr 2016 lag der Absatz um gut 37 Prozent höher als noch ein Jahr zuvor. Dabei verzeichnete Deutschland das zweitstärkste Umsatzplus mit einer Steigerung um 41,5 Prozent.
Viele Naturschützer beobachten diese Entwicklung mit Sorge. »Mähroboter sind das Symbol für die Naturzerstörung in deutschen Gärten«, findet Norbert Schäffer, der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) im bayerischen Hilpoltstein. Zu denken gibt ihm und seinen Kollegen hier das Unfallrisiko für Gartentiere.
Sie verweisen dabei unter anderem auf eine Untersuchung, bei der die Stiftung Warentest im Frühjahr 2018 acht Rasenroboter unter die Lupe genommen hat. Sechs davon erfüllten zwar ihre Hauptaufgabe und mähten gut. Doch wegen Sicherheitsbedenken kam keines der Modelle über die Note befriedigend hinaus, zwei wurden sogar als mangelhaft eingestuft. In den Tests erkannten zwar alle Mäher ein vor dem Gerät stehendes Kind, bei einem krabbelnden Kind hielten immerhin sechs Roboter rechtzeitig an. Auf die Attrappe eines Kinderfußes aber fuhren die zwei am stärksten kritisierten Modelle auf und hinterließen deutliche Schnitte daran. Solche Unfälle mit Kleinkindern oder Hunden habe es auch in der Realität schon gegeben, betont die Stiftung Warentest.
Viele Naturschützer gehen davon aus, dass es etlichen Gartentieren nicht besser ergeht. »Ebenso wie der Mähroboter keine Prüfkörperteile erkennt, die unter den Geräterand passen, werden auch keine kleinen Igel, Kröten, Eidechsen oder Insekten als Hindernis erfasst«, sagt Martina Gehret, Igelexpertin beim LBV. Ihre Organisation befürchtet daher, dass kleine Säugetiere, Blütenpflanzen, Insekten, Amphibien und Spinnentiere in von Robotern bearbeiteten Gärten wenig Überlebenschancen haben.
Zwar weisen die Bedienungsanleitungen der Hersteller darauf hin, dass man die elektronischen Helfer am besten tagsüber und nicht ohne Aufsicht arbeiten lassen sollte. Doch längst nicht jeder Gartenbesitzer hält sich daran. Und wenn die Geräte nachts oder in der Dämmerung aktiv sind, wird es vor allem für Igel gefährlich. So bekommen die Experten vom LBV immer wieder Fotos zugeschickt, die ernsthafte Verletzungen dokumentieren. Manche Igel werden offenbar regelrecht skalpiert, kleinere Exemplare auch ganz überfahren und zerhäckselt. Wie häufig das vorkommt, kann bisher niemand sagen. »Da die meisten angemähten Tiere einfach entsorgt werden, gehen wir von einer hohen Dunkelziffer an Fällen aus«, betont Martina Gehret.
Für noch gefährlicher als die Roboter halten sie und ihre Kollegen allerdings die so genannten Fadenmäher oder Freischneider, mit denen Gartenbesitzer das Grün unter Hecken kürzen können. Diese Geräte überraschten und töteten viele Igel im Schlaf, warnen die Naturschützer. »Jedes Jahr sterben in Deutschland Hunderte von Igeln an Verletzungen durch motorisierte Gartenwerkzeuge«, sagt Martina Gehret. Wer unbedingt mähen wolle, solle die Flächen deshalb vorher nach schlafenden Tieren absuchen.
Dabei sind die Mähgeräte nicht die einzigen elektrischen Helfer, die Gartentiere in Bedrängnis bringen können. So warnt das Umweltbundesamt vor dem Einsatz von Laubsaugern. Solche Geräte könnten nicht nur zwischen 90 und 120 Dezibel laut werden und damit in der Liga von Kettensägen und Presslufthämmern spielen. Vor allem Geräte mit Häckselfunktion seien zudem eine tödliche Gefahr für Insekten, Frösche, Spinnen oder Regenwürmer.
»Tatsächlich ist das eine sehr effektive Methode, um eine Fläche komplett von Insekten zu befreien«, bestätigt Josef Settele vom UFZ. So ist es kein Zufall, dass Ökologen bei einigen Bestandsaufnahmen der Insektenwelt auf ganz ähnliche Sauger setzen. Damit gelingt es ihnen, sämtliche Krabbeltiere einzufangen, die auf einer Probefläche unterwegs sind. Allerdings beschränken sich die Forscher dabei auf kleine Stichproben und saugen keine ganzen Grundstücke leer. Zur Gartenpflege hält der Forscher den Einsatz solcher Geräte nicht für sinnvoll.
Überhaupt plädieren viele Naturschützer und Ökologen für mehr Laisser-faire im Garten – gerade im Herbst. Abgeblühte Stauden, Sonnenblumen und andere Samen tragende Pflanzen solle man bis zum Frühjahr stehen lassen, weil sie Nahrung für Vögel bieten und Wildbienen in den Stängeln überwintern. Fallobst solle man als Futterspende liegen, Beeren und andere Wildfrüchte hängen lassen. Laub- und Reisighaufen könnten zudem gute Überwinterungsplätze für Gartentiere bieten. »Weniger aufräumen hilft Igeln, Siebenschläfern, Fledermäusen und Insekten, gut über den Winter zu kommen«, sagt Marja Rottleb vom NABU. Zudem habe man so viel weniger Arbeit. »Wer naturnah gärtnert und diese ›Abfälle‹ im Garten lässt, kann sich im Herbst entspannt mit einer Tasse Tee zurücklehnen und die Früchte seines Gartens genießen«, wirbt die Naturschützerin. »Dschungelbuch«-Autor Rudyard Kipling mag davon wenig gehalten haben. Doch für die Artenvielfalt ist »einfach im Schatten sitzen« manchmal die bessere Option.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.