Ornithologie: Gar nicht müde
"Die weißen Tauben sind müde. Sie fliegen lange schon nicht mehr." So sang einst Hans Hartz, der den Falken folglich uneingeschränkte Hoheit über den Luftraum zusprach. Der Mann mit der Reibeisenstimme urteilte allerdings etwas voreilig - zumindest was die wilden Ahnen des Friedenssymbols anbelangte.
Wer Menschen in Rage bringen will, muss nur ein Wort auf der Monatsversammlung des Taubenzuchtvereins "Paloma 98" oder "Der Bote 1905 e.V." verlieren: "Falke." Allein die Nennung dieses satanischen Verses lässt Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen schnellen und Zornesadern schwellen. Wer dann von den speerartig durch den Saal geschleuderten Verbalinjurien noch nicht genug haben sollte, kann anschließend noch eine weitere Stufe der Eskalationsskala erklimmen und die Schönheit eines Wanderfalken bei der Jagd würdigen – bestenfalls die Lobpreisung eines eleganten Beutezugs auf Brieftauben.
Dazu muss man wissen, dass es in Deutschland ungefähr zehn Millionen Tauben gibt, aber nur etwa 2000 Wanderfalken (Falco peregrinus) – die begnadetsten Taubenjäger. Und auch wenn es sich dabei vielleicht nur um einige wenige schwarze Schafe handelt, so werden immer wieder vergiftete und geschossene Greifvögel gefunden, die fanatischen Züchtern als beliebtes Feindbild für ihre Verluste dienten und die es aus dem Luftweg zu räumen galt. Eine besonders perfide Methode ist hierfür, das Gefieder geschwächter oder verletzter Tauben – mithin leichte Beute – mit Gift zu präparieren, an dem dann die Greife beim Verzehr qualvoll verenden.
Dabei hätte die Natur eine durchaus geschickte Präventionsmethode im Fundus, mit deren Einsatz die Tauben eine gute Chance haben, ihrer Nemesis zu entgehen. Zumindest ist dies die Kernaussage einer Studie von Wissenschaftlern um Alberto Palleroni von der Harvard-Universität, die sich dem Jagderfolg von Wanderfalken auf Felsen- und verwilderte Haustauben (Columba livia) widmet.
Von den jugendlichen Falken wurden sie alle ihren Anteilen entsprechend bejagt: Je häufiger eine Farbvariante vorkam, desto öfter wurde sie Ziel einer Attacke – jedoch war nicht jeder ein Angriff ein Erfolg, denn nur einer von fünf Ausflügen endete mit Beute. Geschickter stellten sich die erwachsenen Abfangjäger an, deren größere Erfahrung doppelt so häufig zu einem Mahl führte. Auch ihre Taktik orientierte sich an der proportionalen Verteilung der Federkleidfärbung – mit einer Ausnahme: Wilde Farbschläge blieben überwiegend außen vor.
Warum aber missachten die ausgewachsenen Wanderfalken diese Form der Nahrungsquelle? Die Antwort liegt unter anderem in der Misserfolgsquote ihrer Jugend, die wiederum eng mit der Färbung der Tauben zusammenzuhängen scheint. Denn sowohl die jungen als auch die ausgewachsenen Jäger erbeuteten nur in seltenen Fällen Tauben mit natürlicher Färbung: Von diesen fanden sich jeweils nur zwei Prozent in der Opferrolle wieder. Und das, obwohl der Falkennachwuchs ihnen wesentlich häufiger nachstellte als ihre Elterngeneration.
Um diesen Zusammenhang zwischen Gefiederfarbe und Jagderfolg zu testen, fingen die Wissenschaftler anschließend knapp 760 Tauben ein und tönten sie um: Aus dem Farbschlag der natürlichen Variante wurden uni kolorierte Tiere, und blaugraue Vögel fanden sich mit weißem Rücken wieder. Das Ergebnis bestätigte die Ansichten der Forscher; plötzlich wurden die vormals verschonten Wildtauben zur Leibspeise der Falken, während die neu eingekleideten zumeist unbehelligt von dannen ziehen konnten.
Palleroni und seine Kollegen nehmen daher an, dass der weiße Rücken die Falken irritiert und ablenkt, wenn die Tauben auf der Flucht zu einer Art Ausweichrolle ansetzen, um ihrem Feind zu entgehen. Denn kurz vor dem Schlagen konzentrieren sich die Greife auf dieses offensichtliche Farbmerkmal ihrer Beute und bekommen somit das sich anbahnende Manöver der Flügel nicht mit, da diese außerhalb ihres unmittelbaren Gesichtsfeldes liegen. Die Falken lernen aus ihren jugendlichen Fehlschlägen und konzentrieren sich in späteren Jahren auf Tauben, denen diese Finte nicht zur Verfügung steht und die mithin leichter zu erlegen sind.
Wenn aber diese natürliche Farbwahl so vorteilhaft ist, warum findet sie sich dann nicht öfter in der Natur und den Taubenschlägen der Nation? Das Problem sind die Zuchtauswahl des Menschen und die Vorlieben der Tauben: Der Züchter schätzt unterschiedliche Gefiederkleider, die ihm unter Umständen viel Geld oder hohe Preise einbringen. Die Tauben selbst paaren sich zudem lieber mit den Paradiesvögeln unter ihresgleichen, die so gar nicht wie sie selbst aussehen. Damit besiegeln sie aber vielleicht bereits das Schicksal ihrer bunten Brut, und bestätigen die von Hans Hartz befürchtete Lufthoheit der Falken nachträglich doch noch ein wenig.
Spätestens jetzt droht aber der Exorzismus durch die anwesenden Züchter, und der geneigte Provokateur möge sich besser zurückziehen. Das alles erscheint übertrieben? Nun, vielleicht ist diese Szene etwas überspitzt dargestellt, aber immer noch gilt nicht wenigen Taubenzüchtern bis hinein in die Verbandsspitze das "Raubzeugs" als größter Feind der eigenen Vögel. Und in Liebhaber-Postillen wie "Die Brieftaube" finden sich des Öfteren unverhohlene Aufrufe zur Jagd auf Greife unter dem Motto "Hilf Dir selbst, dann wird Dir geholfen".
Dazu muss man wissen, dass es in Deutschland ungefähr zehn Millionen Tauben gibt, aber nur etwa 2000 Wanderfalken (Falco peregrinus) – die begnadetsten Taubenjäger. Und auch wenn es sich dabei vielleicht nur um einige wenige schwarze Schafe handelt, so werden immer wieder vergiftete und geschossene Greifvögel gefunden, die fanatischen Züchtern als beliebtes Feindbild für ihre Verluste dienten und die es aus dem Luftweg zu räumen galt. Eine besonders perfide Methode ist hierfür, das Gefieder geschwächter oder verletzter Tauben – mithin leichte Beute – mit Gift zu präparieren, an dem dann die Greife beim Verzehr qualvoll verenden.
Dabei hätte die Natur eine durchaus geschickte Präventionsmethode im Fundus, mit deren Einsatz die Tauben eine gute Chance haben, ihrer Nemesis zu entgehen. Zumindest ist dies die Kernaussage einer Studie von Wissenschaftlern um Alberto Palleroni von der Harvard-Universität, die sich dem Jagderfolg von Wanderfalken auf Felsen- und verwilderte Haustauben (Columba livia) widmet.
Für ihre Untersuchung markierten und beobachteten die Forscher mehr als 5200 Tauben sowie deren Überlebensrate während knapp 1800 Attacken durch insgesamt fünf Wanderfalken im kalifornischen Landkreis Davis. Die vorhandenen Sendboten des Friedens und der Post durchstreiften die Region in verschiedensten Schattierungen wie den natürlichen Farben der Wildform mit weißem Rücken, in rötlichen Tönen, in reinem Weiß oder in Graublau ohne weiße Federn.
Von den jugendlichen Falken wurden sie alle ihren Anteilen entsprechend bejagt: Je häufiger eine Farbvariante vorkam, desto öfter wurde sie Ziel einer Attacke – jedoch war nicht jeder ein Angriff ein Erfolg, denn nur einer von fünf Ausflügen endete mit Beute. Geschickter stellten sich die erwachsenen Abfangjäger an, deren größere Erfahrung doppelt so häufig zu einem Mahl führte. Auch ihre Taktik orientierte sich an der proportionalen Verteilung der Federkleidfärbung – mit einer Ausnahme: Wilde Farbschläge blieben überwiegend außen vor.
Warum aber missachten die ausgewachsenen Wanderfalken diese Form der Nahrungsquelle? Die Antwort liegt unter anderem in der Misserfolgsquote ihrer Jugend, die wiederum eng mit der Färbung der Tauben zusammenzuhängen scheint. Denn sowohl die jungen als auch die ausgewachsenen Jäger erbeuteten nur in seltenen Fällen Tauben mit natürlicher Färbung: Von diesen fanden sich jeweils nur zwei Prozent in der Opferrolle wieder. Und das, obwohl der Falkennachwuchs ihnen wesentlich häufiger nachstellte als ihre Elterngeneration.
Um diesen Zusammenhang zwischen Gefiederfarbe und Jagderfolg zu testen, fingen die Wissenschaftler anschließend knapp 760 Tauben ein und tönten sie um: Aus dem Farbschlag der natürlichen Variante wurden uni kolorierte Tiere, und blaugraue Vögel fanden sich mit weißem Rücken wieder. Das Ergebnis bestätigte die Ansichten der Forscher; plötzlich wurden die vormals verschonten Wildtauben zur Leibspeise der Falken, während die neu eingekleideten zumeist unbehelligt von dannen ziehen konnten.
Palleroni und seine Kollegen nehmen daher an, dass der weiße Rücken die Falken irritiert und ablenkt, wenn die Tauben auf der Flucht zu einer Art Ausweichrolle ansetzen, um ihrem Feind zu entgehen. Denn kurz vor dem Schlagen konzentrieren sich die Greife auf dieses offensichtliche Farbmerkmal ihrer Beute und bekommen somit das sich anbahnende Manöver der Flügel nicht mit, da diese außerhalb ihres unmittelbaren Gesichtsfeldes liegen. Die Falken lernen aus ihren jugendlichen Fehlschlägen und konzentrieren sich in späteren Jahren auf Tauben, denen diese Finte nicht zur Verfügung steht und die mithin leichter zu erlegen sind.
Wenn aber diese natürliche Farbwahl so vorteilhaft ist, warum findet sie sich dann nicht öfter in der Natur und den Taubenschlägen der Nation? Das Problem sind die Zuchtauswahl des Menschen und die Vorlieben der Tauben: Der Züchter schätzt unterschiedliche Gefiederkleider, die ihm unter Umständen viel Geld oder hohe Preise einbringen. Die Tauben selbst paaren sich zudem lieber mit den Paradiesvögeln unter ihresgleichen, die so gar nicht wie sie selbst aussehen. Damit besiegeln sie aber vielleicht bereits das Schicksal ihrer bunten Brut, und bestätigen die von Hans Hartz befürchtete Lufthoheit der Falken nachträglich doch noch ein wenig.
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