Ornithologie: Gefiedertes Nachtfluggebot
Amsel, Drossel, Fink und Star: Jetzt sind alle Vögel wieder da. Was aber weist ihnen den Weg nach Afrika und zurück? Immer noch steckt diese Wanderung voller Geheimnisse, eines könnte jetzt gelüftet worden sein.
Der jährliche Auszug von Millionen von Grasmücken, Pirolen, Störchen, Milanen oder Seeschwalben von Europa gen Süden und retour gehört zu den größten Phänomenen der Natur und bildet in seinen vielfältigen Details auch nach Jahrhunderten der Beobachtung und Forschung eines der Mysterien der Vogelkunde. Weit ist die Wissenschaft bislang gekommen seit ihren Anfängen, als sogar noch Linné dachte, Schwalben würden im Herbst in Sümpfen versinken, um dann im Frühling wie Phönixe wieder aus dem Schlamm zu steigen.
Sichtflug bei Nacht benötigt allerdings Augen und Geisteskapazitäten, die auch schwaches Licht noch erkennen und verarbeiten können. Selbst der Magnetkompass der Tiere ist auf diese Fähigkeit angewiesen, denn er ist abhängig von den Wellenlängen des im Auge eintreffenden Umgebungslichts: Vögel, denen nur das rechte Auge verdeckt wurde, waren dann nicht mehr in der Lage, sich am Magnetfeld der Erde zu orientieren.
Was in den kleinen Vogelköpfen auf ihrer Reise jedoch im Detail vorgeht, stellte die Wissenschaft bislang noch immer vor größere Rätsel. Erst jüngst wurde etwa entdeckt, dass Vögel Informationen wie die Ausrichtung oder Stärke des Magnetfelds durch spezielle Moleküle – die in den durch Licht angeregten so genannten Magnetfeldrezeptoren im Auge entstehen – in visuelle Muster übersetzen und diese dann zur Richtungsentscheidung mitnutzen. Welcher Teil des Vogelgehirns ist aber für diese Navigation zuständig? Und ist allen Arten die Fähigkeit zum Nachtflug gegeben?
Diesen Fragen gingen nun Neurobiologen um Erich Jarvis von der Duke-Universität und Henrik Mouritsen von der Universität in Oldenburg nach, indem sie Verhalten wie Hirnaktivität zweier Arten von nachtwandernden Zugvögeln – der Gartengrasmücke (Sylvia borin) und dem Rotkehlchen (Erithacus rubecula) – mit jenen der nichtziehenden Zebrafinken (Taeniopygia guttata) und Kanarien (Serinus canaria) verglichen. Dazu setzten die Forscher einen Teil der Vögel in spezielle Käfige und gewöhnten sie dort an künstliches Mondlicht, während die Vergleichsgruppe normalem Zimmerlicht ausgesetzt war. Hielten die Individuen dann unter den jeweiligen Bedingungen eine geraume Zeit still und konnten die Wissenschaftler davon ausgehen, dass keine Hirnaktivität durch Bewegungen ausgelöst wurde, töteten die Beteiligten die Vögel und sezierten anschließend das Gehirn.
Im Denkapparat der Grasmücken und Rotkehlchen zeigte sich bei der Analyse eine bemerkenswert hohe – durch neuronale Aktivität ausgelöste – Bildungsrate von Proteinen durch Zenk und c-fos genannte Gene in einem Bereich des Hirns, der in großer räumlicher Nähe zu einem bereits bekannten Sehzentrum im so genannten Wulst liegt und den die Forscher nun als "Cluster N" bezeichnen. Vor allem die Ausführung der Zenk-Protein-Synthese konzentrierte sich bei den Zugvögeln auf diesen im rückseitigen Teil des Großhirns befindlichen Bereich, dessen insgesamt fünf Teilareale mitunter beträchtliche Größen erreichen: So nimmt Cluster N – das "N" steht für Nachtsicht – etwa vierzig Prozent des jeweils neu benannten Hyper- und hinteren Mesopalliums ein.
Die Bildung von Zenk kam dabei zwar nicht völlig zum Stillstand, sie war aber deutlich reduziert. Die vollständige nächtliche Aktivierung von Cluster N benötigt also zumindest eine gewisse schwache Lichtzufuhr, um den Vögeln den Weg zu weisen. Sie ist allerdings ganzjährig verfügbar, denn sie zeigt sich auch bei Grasmücken im Sommer, lange bevor sie auf Wanderschaft gehen.
Warum aber entwickelten nachts ziehende Vogelarten diese spezielle Sichtfähigkeit im Cluster N? Nun, die evolutionäre Ausbildung dieser neuronalen Einrichtung ermöglicht ihnen nicht nur eine bessere visuelle Wahrnehmung, sondern auch eine zielgerichtete Wanderung über große Distanzen bei scheinbar dunkler Nacht, was wegen der Kühle weniger Kräfte zehrend ist und wo weniger Feinde auf sie lauern. Nur eines bringt sie dabei aus dem Takt: Illuminierte Leucht- oder Fernsehtürme, Ölplattformen oder Flughafentower werden ihnen zum Verhängnis – angelockt vom hellen Schein irren sie dann ziellos umher und verenden mitunter tausendfach aus Erschöpfung oder durch Kollisionen.
Heute weiß man dagegen, was die Flucht nach Süden auslöst (etwa das schwindende Tageslicht oder abnehmendes Futterangebot), wohin es unsere Vögel exakt verschlägt (meist in die Savannen Afrikas) oder warum sie zum Brüten überhaupt wieder zurückkommen (um die längeren Tage und die damit verbundenen Insektenmassen relativ konkurrenzarm zu vertilgen). Auch was Segler, Kuckuck und Co den richtigen Weg einschlagen und in ihre Wintergefilde finden lässt, ist mittlerweile in gewissen Zügen aufgeklärt: Sie nutzen das Magnetfeld der Erde und, je nachdem ob sie Tages- oder Nachtzieher sind, den Stand der Sonne oder der Sterne als Kompass auf dem Trip in die Wärme.
Sichtflug bei Nacht benötigt allerdings Augen und Geisteskapazitäten, die auch schwaches Licht noch erkennen und verarbeiten können. Selbst der Magnetkompass der Tiere ist auf diese Fähigkeit angewiesen, denn er ist abhängig von den Wellenlängen des im Auge eintreffenden Umgebungslichts: Vögel, denen nur das rechte Auge verdeckt wurde, waren dann nicht mehr in der Lage, sich am Magnetfeld der Erde zu orientieren.
Was in den kleinen Vogelköpfen auf ihrer Reise jedoch im Detail vorgeht, stellte die Wissenschaft bislang noch immer vor größere Rätsel. Erst jüngst wurde etwa entdeckt, dass Vögel Informationen wie die Ausrichtung oder Stärke des Magnetfelds durch spezielle Moleküle – die in den durch Licht angeregten so genannten Magnetfeldrezeptoren im Auge entstehen – in visuelle Muster übersetzen und diese dann zur Richtungsentscheidung mitnutzen. Welcher Teil des Vogelgehirns ist aber für diese Navigation zuständig? Und ist allen Arten die Fähigkeit zum Nachtflug gegeben?
Diesen Fragen gingen nun Neurobiologen um Erich Jarvis von der Duke-Universität und Henrik Mouritsen von der Universität in Oldenburg nach, indem sie Verhalten wie Hirnaktivität zweier Arten von nachtwandernden Zugvögeln – der Gartengrasmücke (Sylvia borin) und dem Rotkehlchen (Erithacus rubecula) – mit jenen der nichtziehenden Zebrafinken (Taeniopygia guttata) und Kanarien (Serinus canaria) verglichen. Dazu setzten die Forscher einen Teil der Vögel in spezielle Käfige und gewöhnten sie dort an künstliches Mondlicht, während die Vergleichsgruppe normalem Zimmerlicht ausgesetzt war. Hielten die Individuen dann unter den jeweiligen Bedingungen eine geraume Zeit still und konnten die Wissenschaftler davon ausgehen, dass keine Hirnaktivität durch Bewegungen ausgelöst wurde, töteten die Beteiligten die Vögel und sezierten anschließend das Gehirn.
Im Denkapparat der Grasmücken und Rotkehlchen zeigte sich bei der Analyse eine bemerkenswert hohe – durch neuronale Aktivität ausgelöste – Bildungsrate von Proteinen durch Zenk und c-fos genannte Gene in einem Bereich des Hirns, der in großer räumlicher Nähe zu einem bereits bekannten Sehzentrum im so genannten Wulst liegt und den die Forscher nun als "Cluster N" bezeichnen. Vor allem die Ausführung der Zenk-Protein-Synthese konzentrierte sich bei den Zugvögeln auf diesen im rückseitigen Teil des Großhirns befindlichen Bereich, dessen insgesamt fünf Teilareale mitunter beträchtliche Größen erreichen: So nimmt Cluster N – das "N" steht für Nachtsicht – etwa vierzig Prozent des jeweils neu benannten Hyper- und hinteren Mesopalliums ein.
Tagsüber blieb es in diesem Hirnareal dagegen ruhig: Es fand keine erhöhte Expression von Zenk und c-fos statt. Und auch bei den Kanarien und den Zebrafinken – mithin Standvögel – kam es selbst im hellen Mondenschein nicht zu einer derartigen Aktivierung, die Nervenbahnen des Sehapparats dienten fast vollständig dem Tagesgeschäft. Beide Erkenntnisse sind folglich bereits deutliche Indizien für die Wichtigkeit von Cluster N für die Nachtsichtigkeit von bestimmten Zugvögeln. Um letztlich aber noch auszuschließen, dass diese nächtliche Aktivitätszunahme in Cluster N nicht von der inneren Uhr der Wanderer ausgelöst wird, sondern speziell ihrer Orientierung dient, führten Jarvis und seine Kollegen noch ein weiteres Experiment aus. Sie bedeckten die Augen einiger gefiederter Probanden mit einer lichtundurchlässigen Kappe und untersuchten anschließend ebenfalls deren Genexpression im Cluster N.
Die Bildung von Zenk kam dabei zwar nicht völlig zum Stillstand, sie war aber deutlich reduziert. Die vollständige nächtliche Aktivierung von Cluster N benötigt also zumindest eine gewisse schwache Lichtzufuhr, um den Vögeln den Weg zu weisen. Sie ist allerdings ganzjährig verfügbar, denn sie zeigt sich auch bei Grasmücken im Sommer, lange bevor sie auf Wanderschaft gehen.
Warum aber entwickelten nachts ziehende Vogelarten diese spezielle Sichtfähigkeit im Cluster N? Nun, die evolutionäre Ausbildung dieser neuronalen Einrichtung ermöglicht ihnen nicht nur eine bessere visuelle Wahrnehmung, sondern auch eine zielgerichtete Wanderung über große Distanzen bei scheinbar dunkler Nacht, was wegen der Kühle weniger Kräfte zehrend ist und wo weniger Feinde auf sie lauern. Nur eines bringt sie dabei aus dem Takt: Illuminierte Leucht- oder Fernsehtürme, Ölplattformen oder Flughafentower werden ihnen zum Verhängnis – angelockt vom hellen Schein irren sie dann ziellos umher und verenden mitunter tausendfach aus Erschöpfung oder durch Kollisionen.
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