Ornithologie: Nickende Orientierungshilfe
Ein grandioses Naturschauspiel, diese herbstliche Sammlung von Kranichen auf den Feldern Rügens: Doch warum verrenken die Tiere so absonderlich ihre Köpfe bei der Futtersuche? Das komisch anmutende Wackeln hat einen durchaus wichtigen Hintergrund.
Ihre Wanderung durch Deutschland ist nun fast schon beendet: Nur noch vereinzelt ziehen einzelne Trupps in der typischen Keilform unter Ausstoßen charakteristischer, trompetender Rufe über das Land hinweg zu den Brutgebieten in Skandinavien, Russland, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg: Die europäischen Kraniche (Grus grus) sind wieder aus ihren Winterquartieren heimgekehrt.
Kraniche leben mit verschiedenen Arten auf fast allen Kontinenten, und vor allem in Ostasien erfahren sie eine Wertschätzung als Symbole für Glück, Freude und Frieden wie kaum eine andere Vogelart. Ihre hohe Stellung in den Kulturen Japans oder Chinas sowie ihre Beliebtheit bei Naturfreunden rührt dabei auch von dem gerühmten anmutigen Paarungs- und Balzverhalten mit seinen teils synchron ausgeführten Sprüngen, Flügelschlägen oder Kopfbewegungen her. Diese wettbewerblichen Ausdruckstänze sind aber noch lange nicht alles, was die großen Schreitvögel aus ihrem Bewegungsrepertoire abrufen können.
Wozu dient aber dieses absonderliche Bewegungsmuster der Vögel, das man von keinem anderen Wirbeltier kennt? Dieser Frage sind nun Thomas Cronin von der Universität von Maryland und seine Kollegen anhand von Verhaltensstudien nordamerikanischer Schreikraniche (Grus americana) – einer der zwei Arten des Kontinents – nachgegangen. Sie zählt zu den am stärksten bedrohten Spezies dieser Familie auf Erden, denn um 1941 lebten nur noch 15 oder 16 Exemplare des Kranichs in den Weiten des kanadischen Wood-Buffalo-Nationalparks, von wo sie alljährlich in den Süden Texas zum Überwintern flogen.
Erst ein konzertiertes Schutzprogramm rettete den mit 1,5 Metern am höchsten aufwachsenden Vogel Nordamerikas – unter anderem durch Nachzuchten in einem großen Freigehege, das nun auch die Forscher zum Erkenntnisgewinn nutzten. Die Wissenschaftler brachten dort eine Videokamera an und beobachteten das Zusammenspiel von Suchen, Finden und Fressen sowie der Kopf- und Körperbewegungen bei ihren Schützlingen.
Der Sinn des Ganzen: Mit den ruckartigen Kopfbewegungen und der anschließenden Fixierung stabilisieren Vögel ihr Gesichtsfeld, während sie unterwegs sind, und verhindern so eine Unschärfe ihrer räumlichen Wahrnehmung. Säugetiere – und damit auch der Mensch – konsolidieren dagegen ihren Sehbereich fließend durch zumeist reine Bewegungen der Augen.
Wie die Beobachtungen aber zeigen, funktioniert die Kopftechnik der gefiederten Welt nur bis zu bestimmten Fortbewegungsgeschwindigkeiten: Ist der Kranich sehr langsam unterwegs, verbessert dies seine visuelle Aufnahmefähigkeit, da er lange Stabilitätsphasen des Kopfes einlegen und damit die Position des potenziellen Opfers nachprüfen kann. Allerdings vermindern sich dadurch die Flächengrößen, die akkurat in Augenschein zu nehmen sind. Mit Beschleunigung des Suchtempos auf Höchstgeschwindigkeit lässt sich demgegenüber das potenziell lukrative Nahrungsquellgebiet stark vergrößern, jedoch reduziert sich die Beobachtungsschärfe, was ebenfalls den Jagderfolg schmälert.
Deshalb bevorzugten die untersuchten Kraniche bei der Suche nach beweglichen Objekten wie Fröschen und Insekten eine eher gemächliche Gangart, die es ihnen ermöglichte, ihren Kopf zumindest zu fünfzig Prozent der aufgebrachten Zeit still zu halten. Das Team um Cronin schließt daraus, dass Kraniche und viele andere Vogelarten bei der Entdeckung, Einordnung und exakten Lokalisierung einer potenziellen Beute stark auf die visuelle Festsetzung des Gesichtsfelds angewiesen sind. Nur so gewinnen sie anscheinend einen Überblick über die Position des Objekts der Begierde und können es dadurch räumlich einordnen und ansteuern. Spurten rentiert sich dagegen allenfalls bei Tierkadavern oder großen Pflanzensamen, die ihren Standort nicht verändern können.
Dieser leistungsfähige wie einzigartige Orientierungssinn begründet also vielleicht ebenfalls den erfolgreichen Fortbestand der Vögel über die Erdzeitalter hinweg. Und manchmal wünscht man sich jene stets nachprüfende Wahrnehmungsfähigkeit auch bei Jägern: Denn erst jüngst wieder holte ein amerikanischer Nimrod einen der nun wieder knapp 150 Schreikraniche gezielt vom Himmel – angeblich aus Versehen.
Kraniche leben mit verschiedenen Arten auf fast allen Kontinenten, und vor allem in Ostasien erfahren sie eine Wertschätzung als Symbole für Glück, Freude und Frieden wie kaum eine andere Vogelart. Ihre hohe Stellung in den Kulturen Japans oder Chinas sowie ihre Beliebtheit bei Naturfreunden rührt dabei auch von dem gerühmten anmutigen Paarungs- und Balzverhalten mit seinen teils synchron ausgeführten Sprüngen, Flügelschlägen oder Kopfbewegungen her. Diese wettbewerblichen Ausdruckstänze sind aber noch lange nicht alles, was die großen Schreitvögel aus ihrem Bewegungsrepertoire abrufen können.
Denn wie viele andere Vogelarten zeigen sie ruckartige Kopfstöße, wenn sie während der Nahrungssuche und -aufnahme vorwärts stolzieren. Ähnlich den Hühnern, die auf dem Misthaufen nach Verwertbarem scharren, oder Großstadttauben auf ihrer Jagd nach den Brosamen von mitleidigen Passanten, neigen Kraniche dazu, nach jedem Schritt während der Beutejagd kurz innezuhalten und den Kopf mal nach links, mal nach rechts geneigt, mal mit Blick nach unten oder aber auch nach oben für gewisse Zeiträume zu fixieren.
Wozu dient aber dieses absonderliche Bewegungsmuster der Vögel, das man von keinem anderen Wirbeltier kennt? Dieser Frage sind nun Thomas Cronin von der Universität von Maryland und seine Kollegen anhand von Verhaltensstudien nordamerikanischer Schreikraniche (Grus americana) – einer der zwei Arten des Kontinents – nachgegangen. Sie zählt zu den am stärksten bedrohten Spezies dieser Familie auf Erden, denn um 1941 lebten nur noch 15 oder 16 Exemplare des Kranichs in den Weiten des kanadischen Wood-Buffalo-Nationalparks, von wo sie alljährlich in den Süden Texas zum Überwintern flogen.
Erst ein konzertiertes Schutzprogramm rettete den mit 1,5 Metern am höchsten aufwachsenden Vogel Nordamerikas – unter anderem durch Nachzuchten in einem großen Freigehege, das nun auch die Forscher zum Erkenntnisgewinn nutzten. Die Wissenschaftler brachten dort eine Videokamera an und beobachteten das Zusammenspiel von Suchen, Finden und Fressen sowie der Kopf- und Körperbewegungen bei ihren Schützlingen.
Waren die Tier gemächlich unterwegs – etwa bei unspezifischem Ausschau halten nach etwas Nahrhaftem –, so wurde jeder einzelne Schritt von einer relativ lang andauernden Fixierung des Kopfes in jeweils unterschiedlichen Positionen begleitet. Je schneller aber die Schreikraniche zu einem angebotenen, unbeweglichen Stück Futter rannten, desto kürzer wurden die Fixierungsphasen und desto häufiger "ruckte" der Kopf in verschiedene Richtung. Beschleunigten die Vögel auf Werte jenseits von 1,5 Metern pro Sekunde, so konnten den Kopf überhaupt nicht in einer stabilen Position halten: Er pendelte scheinbar ziellos hin und her.
Der Sinn des Ganzen: Mit den ruckartigen Kopfbewegungen und der anschließenden Fixierung stabilisieren Vögel ihr Gesichtsfeld, während sie unterwegs sind, und verhindern so eine Unschärfe ihrer räumlichen Wahrnehmung. Säugetiere – und damit auch der Mensch – konsolidieren dagegen ihren Sehbereich fließend durch zumeist reine Bewegungen der Augen.
Wie die Beobachtungen aber zeigen, funktioniert die Kopftechnik der gefiederten Welt nur bis zu bestimmten Fortbewegungsgeschwindigkeiten: Ist der Kranich sehr langsam unterwegs, verbessert dies seine visuelle Aufnahmefähigkeit, da er lange Stabilitätsphasen des Kopfes einlegen und damit die Position des potenziellen Opfers nachprüfen kann. Allerdings vermindern sich dadurch die Flächengrößen, die akkurat in Augenschein zu nehmen sind. Mit Beschleunigung des Suchtempos auf Höchstgeschwindigkeit lässt sich demgegenüber das potenziell lukrative Nahrungsquellgebiet stark vergrößern, jedoch reduziert sich die Beobachtungsschärfe, was ebenfalls den Jagderfolg schmälert.
Deshalb bevorzugten die untersuchten Kraniche bei der Suche nach beweglichen Objekten wie Fröschen und Insekten eine eher gemächliche Gangart, die es ihnen ermöglichte, ihren Kopf zumindest zu fünfzig Prozent der aufgebrachten Zeit still zu halten. Das Team um Cronin schließt daraus, dass Kraniche und viele andere Vogelarten bei der Entdeckung, Einordnung und exakten Lokalisierung einer potenziellen Beute stark auf die visuelle Festsetzung des Gesichtsfelds angewiesen sind. Nur so gewinnen sie anscheinend einen Überblick über die Position des Objekts der Begierde und können es dadurch räumlich einordnen und ansteuern. Spurten rentiert sich dagegen allenfalls bei Tierkadavern oder großen Pflanzensamen, die ihren Standort nicht verändern können.
Dieser leistungsfähige wie einzigartige Orientierungssinn begründet also vielleicht ebenfalls den erfolgreichen Fortbestand der Vögel über die Erdzeitalter hinweg. Und manchmal wünscht man sich jene stets nachprüfende Wahrnehmungsfähigkeit auch bei Jägern: Denn erst jüngst wieder holte ein amerikanischer Nimrod einen der nun wieder knapp 150 Schreikraniche gezielt vom Himmel – angeblich aus Versehen.
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