Gentechnik: Gen-Weizen büxt aus
Vor drei Monaten entdeckte ein Landwirt aus Oregon nicht genehmigten transgenen Weizen auf seinem Acker und löste damit einen vorübergehenden Einfuhrstopp für US-amerikanisches Getreide in Japan und Südkorea aus. Nun hat die neue Erntezeit begonnen, und da sich die Kontaminierung als isolierter Vorfall herausstellte, erlaubt Südkorea wieder Importe.
Doch während die Mähdrescherkolonnen wieder über die Weizenfelder im östlichen Oregon ziehen, ist das Thema für die Inspektoren des US Department of Agriculture (USDA) noch lange nicht erledigt: Derzeit versuchen sie, die Spur der transgenen Eindringlinge zu einem bestimmten Testfeld zurückzuverfolgen. Insider der Untersuchung gehen davon aus, dass die Identität der Sorte in wenigen Wochen enthüllt sein dürfte – das wäre der lange ersehnte Durchbruch in diesem Agrarkrimi. Die Inspektoren erhoffen sich endlich Hinweise auf die Ursache dieser Freisetzung, hinter der manche sogar einen Sabotageakt von Gentechnikgegnern vermuten. "Man findet vielleicht nie heraus, wer die Pflanzen tatsächlich freigesetzt hat", sagt James Moyer, Direktor des Agricultural Research Center an der Washington State University in Pullman. "Sobald sie aber den Genotyp dieser Pflanzen ermittelt haben, können sie den Kreis ein wenig einengen."
Innerhalb eines Monats nach der Entdeckung im Mai führten Wissenschaftler des USDA den Ursprung der Pflanzen auf eine Linie herbizidresistenten "Roundup-Ready"-Weizens namens MON71800 zurück, der vom Agrarunternehmen Monsanto in St. Louis entwickelt wurde. Monsanto hatte das Projekt 2005 beendet, weil Farmer sich sorgten, dass Kunden in Übersee keinen US-Weizen mehr kaufen würden, wenn dieser transgene Körner enthielte. Bislang erhielt kein gentechnisch veränderter Weizen (GM-Weizen) eine kommerzielle Zulassung in den Vereinigten Staaten. Die Firma behauptet, dass sie alle Samen von den Testflächen – 400 Hektar in 16 Bundesstaaten – eingesammelt und gesichert beziehungsweise zerstört hätte.
Monsanto hatte MON71800-Saatgut an Züchter im ganzen Land verschickt, damit diese den GM-Weizen mit kommerziellen Sorten kreuzen, die jeweils für das regionale Klima, Tageslänge und Krankheitsprofil optimiert sind. Jetzt durchsieben die USDA-Mitarbeiter hunderte Marker, um die genetische Signatur des kontaminierten Weizens aus Oregon mit einer der Varietäten der registrierten 256 Freilandtests abzugleichen. Ein Ursprung in der Nähe des Bundesstaats könnte auf eine unabsichtliche, zufällige Freisetzung hinweisen, Samen aus größerer Entfernung könnten dagegen bedeuten, dass jemand absichtlich Saatgut abgezweigt und freigesetzt hat.
Sabotage oder Versehen?
Die Variante aber dingfest zu machen, sei nicht einfach, meint Michael Firko, der Leiter der biotechnologischen Regulierungsabteilung am USDA Animal and Plant Health Inspection Service. Seine Wissenschaftler haben nur eine begrenzte Menge an Pflanzen-DNA zur Verfügung, mit der sie arbeiten können. Entsprechend vorsichtig fahren sie mit ihren Testreihen fort, mit denen sie nach Unterschieden einzelner Basen oder der Kopienzahl einer wiederholten Sequenz suchen, die einzigartig für die jeweilige Sorte ist. "Das braucht Zeit", sagt Firko, "aber wir machen gute Fortschritte."
Monsanto hat bereits deutlich gemacht, welche Erklärung die Firma bevorzugt: Sabotage. "Es gibt Menschen, die Biotechnologie verachten und die diese Gelegenheit nutzen würden, um Probleme zu verursachen", erzählte der technologische Hauptverantwortliche Robert Fraley letzten Monat Reportern. Gentechnikgegner machten bislang vor allem durch die Zerstörung der Pflanzen auf sich aufmerksam, nicht aber durch deren Aussaat. Doch Fraley argumentiert, dass diejenigen, die illegal und in zerstörerischer Absicht Testfelder aufsuchen, auch in gesicherte Freilandlabors einbrechen können, um dort Saatgut zu entwenden.
Diese Hypothese wird jedoch kaum von den Pflanzenwissenschaftlern unterstützt, die "Nature" kontaktierte. "Ich schätze, dass dies möglich wäre. Aber die Wahrscheinlichkeit ist gering", meint Norman Ellstrand von der University of California in Riverside. Für jeden Saboteur wäre es pures Glücksspiel gewesen, dass überhaupt jemand den GM-Weizen findet. In Oregon kam die Verunreinigung nur ans Licht, weil ein Farmer ein konventionelles Weizenfeld mit Glyphosat besprüht hatte, um den Acker für eine neue Feldfrucht vorzubereiten – GM-Weizen ist gegen dieses Pestizid resistent. Anschließend bemerkte der Bauer, dass einige Weizenpflanzen die Prozedur überstanden hatten, und informierte andere über diese Entdeckung.
Die Verteilung der fraglichen Pflanzen lege nahe, dass sie von Menschenhand ausgesät wurden, argumentiert dagegen Fraley. Man entdeckte sie als vereinzelte Flecken in nur einem von zwei Weizenfeldern, die mit identischem konventionellen Saatgut bearbeitet worden waren. Doch Robert Zemetra, Weizenspezialist der Oregon State University (OSU) in Corvallis, sagt, dass es auch andere Erklärungen für eine derartige Verteilung geben könnte. Sollte es sich beispielsweise um einen Frühlingsweizen in einem Winterweizenfeld gehandelt haben, so könnte Ersterer blühen und samen, bevor geerntet wird. Die Saaten fielen an Ort und Stelle zu Boden und ergäben eine Ansammlung herbizidresistenter Keimlinge.
Keine dieser Erklärungen befriedige völlig, gibt Rene van Acker von der University of Guelph in Ontario zu. Zusammen mit Zemetra führte er vor über zehn Jahren einige eigenständige Feldversuche mit dem Weizen durch, und beide bestätigen, dass Monsanto die Experimente streng überwachte. "Wir mussten praktisch jedes Saatkorn belegen, das wir ausgebracht oder geerntet hatten – bis auf das Gramm genau", erinnert sich van Acker. Weniger gern erinnert sich Zemetra an all die Stunden, die sie mit der Demontage von Erntemaschinen verbrachten, damit sie jedes Teil mit Luftdruck säubern konnten – falls nötig, entfernten sie Samen mit der Pinzette.
Carol Mallory-Smith von der OSU, die als Erste die Oregon-Weizenpflanzen vor drei Monaten getestet hat, wäre allerdings nicht überrascht, wenn einige Samen doch durchgerutscht wären. 2009 zum Beispiel entdeckte sie transgene Zuckerrübensamen in einem Sack Erde, der an Gärtner verkauft wurde. "An vielen Stellen im System können Fehler unterlaufen", sagt sie. "Wenn wir diese Gene ins Freiland entlassen, sollten wir davon ausgehen, dass sie in der Umwelt verbleiben."
Der Artikel erschien in Nature 499, S. 262-263, 2013 unter dem Titel "Hunt for mystery GM wheat hots up".
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