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Geoengineering: EU-Forscher warnen vor Eingriff in Strahlungshaushalt der Erde

Sonnenstrahlung mit technischen Mitteln ins Weltall reflektieren – das könnte den Klimawandel lindern. Doch es wäre riskant. Ein Beratungsgremium der EU fordert nun globale Regeln für das so genannte Solar Radiation Management.
Eine Frau hält einen runden Spiegel in den Händen, um das einfallende Sonnenlicht zu reflektieren
Um die Erde abzukühlen, könnte man die einfallenden Sonnenstrahlen doch einfach ins All zurückreflektieren, oder?

Der Gedanke hinter Geoengineering ist einfach: Um die Erderwärmung zu bremsen, reicht es nicht mehr aus, nur die Kohlendioxidemissionen zu reduzieren. Stattdessen müssen wir aktiv ins Klimasystem eingreifen, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Die Wissenschaft lieferte in der Vergangenheit bereits vielfältige Vorschläge für Geoengineering. So gibt es zahlreiche Ideen, wie man Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen könnte. Ein anderes Maßnahmenbündel zielt darauf ab, den Planeten zu kühlen, indem das Sonnenlicht direkt oder indirekt zurück in den Weltraum reflektiert wird. Solche absichtlichen Eingriffe in den Strahlungshaushalt der Erde werden auch als Solar Radiation Management, kurz SRM, bezeichnet. Dazu gehört es etwa, Aerosole in die Stratosphäre einzubringen, Wolken aufzuhellen oder auszudünnen oder auch riesige Spiegel im All zu installieren. Doch selbst wenn der Grundgedanke einfach klingt – die Umsetzung ist es nicht.

In einem für die EU-Kommission angefertigten Bericht warnt nun eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor den ökologischen, sozialen und geopolitischen Risiken von SRM. Die Technologien bekämpften allenfalls die Symptome des Klimawandels statt der Ursachen, schreiben die Fachleute. Die Erwärmung könnten sie nicht aufhalten, sondern nur vorübergehend und lokal verringern. Die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre würden unterdessen weiter zunehmen und die Ozeane weiter versauern. Das Beratungsgremium, dem sowohl Natur- als auch Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler angehören, appelliert an die Politik, wirksame CO2-Reduktionsmaßnahmen zu ergreifen, statt die Klimakrise zu verschleiern.

Da mit SRM die Sonneneinstrahlung verändert wird, wirken die Maßnahmen stets nur auf der Seite der Erde, auf der gerade Tag ist. Im Gegensatz dazu verteilen sich die Treibhausgase jedoch zu jeder Tageszeit über den gesamten Planeten und hindern so allerorten die Wärmestrahlung, ins Weltall zu gelangen. SRM hätte demnach immer nur einen begrenzten Wirkungsraum. Diese einseitige Manipulation des Strahlungshaushalts der Erde könnte, so lautet eine der Befürchtungen des Gremiums, einen starken Einfluss auf die globalen Niederschlagsmuster haben und damit auch auf die Ernährungssicherheit und die Trinkwasserversorgung. Zudem würde der Kühlungseffekt auf Grund des komplexen Klimasystems nicht gleichmäßig eintreten: Eine Region würde sich weiter erwärmen, während es woanders zu einer übermäßigen Kühlung käme. Ökosysteme könnten sich dadurch unwiderruflich verändern, zudem könnten geopolitische Spannungen und Verteilungskriege entstehen. Auch die Energieausbeute aus der Fotovoltaik würde möglicherweise beeinträchtigt.

Die Wissenschaftler fordern die Politik auf, sicherzustellen, dass die Technologien verantwortungsbewusst und ethisch vertretbar erforscht werden. Das solle mit international bindenden Vorschriften geregelt und überwacht werden. Abschließend schlägt die Gruppe vor, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Risiken und Chancen von SRM regelmäßig alle fünf bis zehn Jahre neu zu überprüfen und zu bewerten.

  • Quellen
Group of Chief Scientific Advisors: Solar radiation modification, Dezember 2024

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