Wahrnehmung: Himmelblau rechts
Beeinflusst die Sprache das Denken und die Wahrnehmung? Teils, teils, sagen Forscher: Die Macht des Wortes könnte an der linken Gehirnhemisphäre enden. Denn ob zwei Farben unterschiedlich heißen, interessiert die sprachlose andere Hälfte kaum.
Kinder verzieren ihr Selbstgemaltes ja gerne mal mit einem Regenbogen. Und eigentlich haben diese immer das gleiche Schema: Fünf bis sechs Farbstreifen stehen schwungvoll am Himmel, sorgsam einer neben dem anderen. Überraschend eigentlich, ist doch hinlänglich bekannt, dass der echte Regenbogen in der Natur keine Farbstreifen kennt – bestenfalls fließende Übergänge: das Spektrum des sichtbaren Lichts ist kontinuierlich.
Gut möglich, dass der junge Künstler gerade nur diese paar Buntstifte zur Hand hatte, doch es steckt mehr dahinter. Auch Erwachsene nehmen in einem Farbspektrum unweigerlich separate Bänder wahr, wo eigentlich gar keine sind. Malen sie deshalb ihren Regenbogen gleichfalls mit einzelnen Farbstreifen, bezeichnen Psychologen dies als "kategoriale Wahrnehmung".
Solche Kategorien eines kontinuierlichen Spektrums sind, wie Experimente gezeigt haben, für eine ganze Reihe von Effekten verantwortlich. Beispielsweise können Versuchspersonen verschiedene Blautöne weniger gut unterscheiden als Farbtöne, zwischen denen eine Kategoriengrenze verläuft (einen Blau- und einen Grünton) – auch dann, wenn die Farben auf perzeptuell orientierten Skalen gleichweit voneinander entfernt sind.
Dass sich solche Unterteilungen meist mit den grundlegenden Farbbezeichnungen einer Sprache decken, ist ebenso unstrittig wie altbekannt. Doch die darin verborgene Henne-und-Ei-Problematik bereitet den Forschern gehöriges Kopfzerbrechen: Orientieren sich die Farbnamen an angeborenen Kategorien der Wahrnehmung. Oder nehmen wir die Farben deshalb unterschiedlich wahr, weil sie verschiedene sprachliche Bezeichnungen haben?
Vergleichsweise unverhofft machten Forscher um Paul Kay von der Universität von Kalifornien in Berkeley nun eine Entdeckung, die den letztgenannten Standpunkt – die mittlerweile rund 70 Jahre alte so genannte "Sapir-Whorf-Hypothese" – zu unterstützen scheint.
Auch sie maßen die Reaktionszeit, in der Versuchspersonen kurz gezeigte Farbfelder auseinanderhalten konnten. Der Clou an der Studie: Den entscheidenden Reiz ließen sie immer nur von einer der Gehirnhälften verarbeiten. Welche der Hirnhemisphären am Zug war, kontrollierten die Wissenschaftler, indem sie den Probanden die Stimuli ausschließlich in einer Hälfte des Gesichtsfelds präsentierten. Jede dieser Hälften wird zu Beginn des Wahrnehmungsprozesses ausschließlich von der gegenüberliegenden Seite des Hirns verarbeitet.
Einen subtilen Kategorien-Effekt zeigten die Versuchspersonen vor allem dann, wenn sie Farbflecken mit ihrer linken Gehirnhälfte unterscheiden mussten. War die andere Hälfte gefordert, schwächte sich der Effekt deutlich ab oder verschwand ganz.
Wie war das zu erklären? Weil das Sprachzentrum der meisten Menschen auf der linken Seite liegt, so schließen die Forscher, beeinflussten die sprachlichen Farbkategorien vor allem diese Hälfte, selbst dann, wenn ein bewusstes Benennen wegen der schnellen Reaktion ausgeschlossen war. Auf der rechten Seite hingegen gab es tatsächlich so etwas wie ein kontinuierliches Spektrum – ob der Reiz "blau" oder "grün" war, spielte keine Rolle.
Die Sapir-Whorf-Hypothese könnte also tatsächlich zutreffen, wenn auch nur für eine Gehirnhälfte – ein vergleichsweise neuer Aspekt in der alten Auseinandersetzung. Allerdings räumen auch die Wissenschaftler ein, dass ihre Schlussfolgerungen zum jetzigen Zeitpunkt noch eher spekulativen Charakter haben. Zwar lasse sich zeigen, dass eine parallel auszuführende sprachbezogene Aufgabe den Kategorien-Effekt stört, während eine raumbezogene keinen Einfluss hat. Einen wirklichen Einfluss der Sprache würden aber erst Tests an Menschen unterschiedlicher Muttersprache offenbaren können.
Denn andere Sprachen ziehen andere Grenzen im Farbraum. Wo es etwa bei Deutschen einen Kategorien-Effekt geben dürfte, müsste er bei den Himba in Namibia, die nicht "blau" von "grün" trennen, ausbleiben. Solche Effekte sind in der Tat für den Bereich bewusster Benennungen bekannt, aber reichen sie auch – wie bei Kay – tatsächlich in den Bereich der spontanen Wahrnehmung hinein?
Schlussendlich könnten Befunde dieser Art dazu beitragen, den Streit um die Sapir-Whorf-Hypothese ein für allemal beizulegen – wenn nicht mit einem Sieg, dann mit einem guten Kompromiss: Die Befürworter bekämen die linke Hemisphäre, die Gegner die rechte.
Gut möglich, dass der junge Künstler gerade nur diese paar Buntstifte zur Hand hatte, doch es steckt mehr dahinter. Auch Erwachsene nehmen in einem Farbspektrum unweigerlich separate Bänder wahr, wo eigentlich gar keine sind. Malen sie deshalb ihren Regenbogen gleichfalls mit einzelnen Farbstreifen, bezeichnen Psychologen dies als "kategoriale Wahrnehmung".
Solche Kategorien eines kontinuierlichen Spektrums sind, wie Experimente gezeigt haben, für eine ganze Reihe von Effekten verantwortlich. Beispielsweise können Versuchspersonen verschiedene Blautöne weniger gut unterscheiden als Farbtöne, zwischen denen eine Kategoriengrenze verläuft (einen Blau- und einen Grünton) – auch dann, wenn die Farben auf perzeptuell orientierten Skalen gleichweit voneinander entfernt sind.
Dass sich solche Unterteilungen meist mit den grundlegenden Farbbezeichnungen einer Sprache decken, ist ebenso unstrittig wie altbekannt. Doch die darin verborgene Henne-und-Ei-Problematik bereitet den Forschern gehöriges Kopfzerbrechen: Orientieren sich die Farbnamen an angeborenen Kategorien der Wahrnehmung. Oder nehmen wir die Farben deshalb unterschiedlich wahr, weil sie verschiedene sprachliche Bezeichnungen haben?
Vergleichsweise unverhofft machten Forscher um Paul Kay von der Universität von Kalifornien in Berkeley nun eine Entdeckung, die den letztgenannten Standpunkt – die mittlerweile rund 70 Jahre alte so genannte "Sapir-Whorf-Hypothese" – zu unterstützen scheint.
Auch sie maßen die Reaktionszeit, in der Versuchspersonen kurz gezeigte Farbfelder auseinanderhalten konnten. Der Clou an der Studie: Den entscheidenden Reiz ließen sie immer nur von einer der Gehirnhälften verarbeiten. Welche der Hirnhemisphären am Zug war, kontrollierten die Wissenschaftler, indem sie den Probanden die Stimuli ausschließlich in einer Hälfte des Gesichtsfelds präsentierten. Jede dieser Hälften wird zu Beginn des Wahrnehmungsprozesses ausschließlich von der gegenüberliegenden Seite des Hirns verarbeitet.
Einen subtilen Kategorien-Effekt zeigten die Versuchspersonen vor allem dann, wenn sie Farbflecken mit ihrer linken Gehirnhälfte unterscheiden mussten. War die andere Hälfte gefordert, schwächte sich der Effekt deutlich ab oder verschwand ganz.
Wie war das zu erklären? Weil das Sprachzentrum der meisten Menschen auf der linken Seite liegt, so schließen die Forscher, beeinflussten die sprachlichen Farbkategorien vor allem diese Hälfte, selbst dann, wenn ein bewusstes Benennen wegen der schnellen Reaktion ausgeschlossen war. Auf der rechten Seite hingegen gab es tatsächlich so etwas wie ein kontinuierliches Spektrum – ob der Reiz "blau" oder "grün" war, spielte keine Rolle.
Die Sapir-Whorf-Hypothese könnte also tatsächlich zutreffen, wenn auch nur für eine Gehirnhälfte – ein vergleichsweise neuer Aspekt in der alten Auseinandersetzung. Allerdings räumen auch die Wissenschaftler ein, dass ihre Schlussfolgerungen zum jetzigen Zeitpunkt noch eher spekulativen Charakter haben. Zwar lasse sich zeigen, dass eine parallel auszuführende sprachbezogene Aufgabe den Kategorien-Effekt stört, während eine raumbezogene keinen Einfluss hat. Einen wirklichen Einfluss der Sprache würden aber erst Tests an Menschen unterschiedlicher Muttersprache offenbaren können.
Denn andere Sprachen ziehen andere Grenzen im Farbraum. Wo es etwa bei Deutschen einen Kategorien-Effekt geben dürfte, müsste er bei den Himba in Namibia, die nicht "blau" von "grün" trennen, ausbleiben. Solche Effekte sind in der Tat für den Bereich bewusster Benennungen bekannt, aber reichen sie auch – wie bei Kay – tatsächlich in den Bereich der spontanen Wahrnehmung hinein?
Schlussendlich könnten Befunde dieser Art dazu beitragen, den Streit um die Sapir-Whorf-Hypothese ein für allemal beizulegen – wenn nicht mit einem Sieg, dann mit einem guten Kompromiss: Die Befürworter bekämen die linke Hemisphäre, die Gegner die rechte.
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