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Humanevolution: Hirnwachstum bei Homo sapiens weniger fehlerhaft als bei Neandertalern

Die Gehirne moderner Menschen und Neandertaler waren ungefähr gleich groß, doch ihre Entwicklung lief unterschiedlich schnell ab. Mit Folgen für die Fehleranfälligkeit.
Neandertaler-Nachbildung im Museum Mettmann
Kam es bei der Zellteilung im Gehirn der Neandertaler häufiger zu Fehlern als bei anatomisch modernen Menschen? Das Bild zeigt die Rekonstruktion eines Neandertalers im Neanderthal Museum in Mettmann.

Neandertaler und Homo sapiens haben mehr gemeinsam, als sie unterscheidet. So lautet zunehmend das Fazit vieler Paläoanthropologen. Doch Forschende kommen auch entscheidenden Unterschieden auf die Spur. So fand ein Team um Felipe Mora-Bermúdez vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden sowie dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig heraus, dass die Teilung von Stammzellen im Gehirn bei den beiden Menschenformen unterschiedlich schnell vor sich ging. Bei Homo sapiens verlief der Prozess zirka 50 Prozent langsamer als bei seinen Vettern. In der Folge hätten sich bei Homo sapiens während der Zellteilung weniger Fehler eingeschlichen, schreibt die Arbeitsgruppe im Fachblatt »Science Advances«.

In der Evolution des modernen Menschen haben sich anders als bei den Neandertalern etwa 100 Aminosäuren verändert. Wie sich diese Mutationen der Proteinbausteine auswirkten, haben Mora-Bermúdez und seine Kollegen anhand dreier Proteine untersucht, die bei der Stammzellteilung im Gehirn, genauer im Neokortex, die Anordnung der Chromosomen steuern. Der Neokortex spielte in der menschlichen Evolution eine bedeutende Rolle: Dieser Teil des Gehirns vergrößerte sich deutlich, was half, verbesserte kognitive Fähigkeiten auszubilden wie das Sprechen.

Für ihre Studie produzierten die Forschenden nun Mausmodelle mit den Aminosäuren des anatomisch modernen Menschen. Da unveränderte Mäuse im Fall dieser Aminosäuren den Neandertaler ähneln würden, nutzten die Wissenschaftler diese als Kontrollgruppe. Anschließend verglichen sie das Hirnwachstum bei den Mäuseembryonen in beiden Gruppen. »Wir fanden heraus, dass drei Aminosäureveränderungen des modernen Menschen in zwei dieser drei Proteine, nämlich in KIF18a und KNL1, eine längere Metaphase verursachen, eine Phase, in der die Chromosomen für die Zellteilung vorbereitet werden«, sagt Mora-Bermúdez laut einer Pressemitteilung. »Dies führt zu weniger Fehlern bei der Verteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen der neuralen Stammzellen, genau wie beim modernen Menschen.«

Um eine Gegenprobe vorzunehmen, züchteten die Forschenden zudem im Labor Minigehirne und statteten sie mit den Aminosäuren der Neandertaler aus. Mit Hilfe von Organoiden hatten sie bereits die Zellteilung im Neokortex von Menschen, Schimpansen und Orang-Utans untersucht. Beim Wachstum der Minigehirne beobachteten sie dann, dass die Metaphase in den Neandertaler- und Primatengehirnen schneller vonstattenging – und sich mehr Fehler bei der Verteilung und der Zahl der Chromosomen ereigneten. Daraus folgern die Forschenden, dass die Gehirnfunktion der Neandertaler stärker von Chromosomenfehlern beeinflusst war als die von Homo sapiens. Solche Fehler können Erkrankungen verursachen, etwa Trisomien oder Krebs.

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