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Grippeschutzimpfung: Grippevirusstamm durch Corona-Maßnahmen ausgerottet

Die Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie haben offenbar dazu geführt, eine Untergruppe der Grippeviren auszutilgen. Deshalb soll jetzt nicht mehr dagegen geimpft werden.
Grippeerreger
Influenzaviren (hier eine Illustration) unterteilen sich in verschiedene Untergruppen oder Subtypen. Diese wiederum können in mehreren Linien auftreten. Eine davon, die B/Yamagata-Linie, ist infolge der Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 wohl ausgerottet worden.

Für die Grippeschutzimpfung in der laufenden Saison empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), einen Dreifach- anstatt wie zuvor einen Vierfach-Impfstoff zu verwenden. Er bietet Schutz gegen nur drei statt vier Influenza-Virusstämmen, worüber sich manche gewundert haben mögen. Die Empfehlung geht auf einen Randeffekt der Corona-Maßnahmen zurück: »Wir haben einen Grippestamm komplett ausgerottet«, sagte Carsten Watzl von der TU Dortmund der Deutschen Presse-Agentur (dpa). »Das zeigt sehr eindrücklich, wie effektiv die Maßnahmen waren.«

Bis 2018 war in Deutschland ein Dreifach-Impfstoff üblich. Seit der Grippesaison 2018/19 hatte die Ständige Impfkommission (STIKO) ein Vierfach-Vakzin empfohlen. In der aktuellen Saison wird nun wieder zum Dreifach-Impfstoff als Standardschutz geraten – ohne Bestandteile der B/Yamagata-Viruslinie. Influenzaviren dieses Typs kursieren offenbar nicht mehr, wie Fachleute erstmals im Jahr 2020 beobachtet hatten. Auch in den Jahren danach sei B/Yamagata nicht mehr aufgetreten, erläutert Watzl. Mehrere Fachjournale haben das mutmaßliche Ende der Viruslinie gemeldet, darunter »The New England Journal of Medicine«, »Science«, »The Lancet« und »npj Vaccines«. Einem »Lancet«-Beitrag zufolge ist B/Yamagata das einzige unter den Atemwegserkrankungen verursachenden Viren, das im Zuge der Corona-Pandemie ausgerottet wurde. Wobei allerdings Vorsicht geboten sei: Nicht jeder Winkel der Welt werde gut überwacht, womöglich habe die Linie doch noch irgendwo überlebt.

Die WHO kam im September 2023 zu dem Schluss, die B/Yamagata-Komponente werde für den Impfschutz nicht mehr benötigt. Sie soll aus den Grippeimpfstoffen entfernt werden, um das theoretische Risiko zu minimieren, dass B/Yamagata-Viren sich durch Verwendung von abgeschwächten Lebendimpfstoffen erneut ausbreiten. Der aktuell empfohlene, so genannte trivalente Impfstoff soll nur noch Antigene eines Influenza-B-Stamms (B/Victoria) sowie zweier Influenza-A-Stämme enthalten. Von diesen Untertypen zirkulieren weltweit verschiedene Varianten – in jeder Grippesaison unterschiedlich stark.

Jedes Jahr im Februar überlegt die WHO, wie die Impfstoffe der kommenden Saison für einen bestmöglichen Schutz konzipiert sein sollten. Da es schwierig ist, die jeweils dominierenden Stämme vorherzusagen, hatten die Fachleute seit Jahren auf einen Vierfach-Impfschutz gegen zwei A- und zwei B-Stämme gesetzt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Impfstoff gegen die dann tatsächlich zirkulierenden Stämme gut wirkt.

Kein alltäglicher grippaler Infekt

Die Grippe oder Influenza ist eine hochansteckende Infektionskrankheit. Sie verläuft wesentlich schwerer als typische Erkältungskrankheiten, die von anderen Erregern verursacht und als »grippale Infekte« bezeichnet werden. Die (echte) Grippe äußert sich oft in plötzlich einsetzendem Fieber, rasch auftretender Abgeschlagenheit, Muskel- und Kopfschmerzen sowie trockenem Reizhusten, der zwei bis drei Wochen anhalten kann, mitunter auch deutlich länger. In Deutschland erkranken im Winterhalbjahr jeweils zigtausend Menschen daran. Eine Influenza ist ernst zu nehmen, da sie tödlich verlaufen kann. Influenzaviren mindern die Abwehrkräfte und machen den Körper für lebensgefährliche Komplikationen anfällig. Grippebedingte Sterbefälle gehen meist auf eine bakterielle Lungenentzündung zurück, nachdem die Influenzaviren die Lunge vorgeschädigt haben. Die Zahl der Todesopfer schwankt von Saison zu Saison stark, von mehreren Hundert bis über 25 000 wie in der Saison 2017/18.

Die STIKO empfiehlt älteren Menschen ab 60 und Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung – etwa infolge einer Grunderkrankung – eine jährliche Schutzimpfung im Herbst. Diese bietet zwar keinen 100-prozentigen Schutz vor der Erkrankung, sorgt aber für mildere Verläufe mit weniger ernsten Komplikationen. Antibiotika wirken gegen die Influenza nicht, genauso wenig wie gegen andere von Viren ausgelöste Erkrankungen. Sie werden aber verschrieben, wenn zusätzlich zur viralen Infektion noch bakteriell verursachte Komplikationen auftreten. (dpa/fs)

  • Quellen

npj Vaccines 10.1038/s41541–024–01010-y, 2024

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