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Vogelgrippe: Wie H5N1 Säugetiere ansteckt

Das in US-amerikanischen Kuhherden grassierende H5N1-Virus überträgt sich auch unter anderen Säugetieren, darunter Mäusen und Frettchen. Ein Ansteckungsweg steht dabei besonders im Visier der Fachwelt.
Eine Herde von braun-weiß-gefleckten Kühen steht in einer Reihe an einem langen Futtertrog.
Seit März 2024 breitet sich in den USA ein neues Vogelgrippevirus unter Milchkühen aus.

Nach wie vor ist rätselhaft, wie sich das Vogelgrippevirus H5N1 so schnell so weit unter Milchkühen in den USA verbreiten konnte. Nachdem im Frühjahr 2024 bekannt wurde, dass sich Mäuse über den Verzehr von Rohmilch anstecken können, haben Fachleute die Übertragungswege der unter Kühen zirkulierenden Variante nun genauer untersucht. Demnach befallen die Viren nicht nur bei Rindern die Brustdrüsen, sondern auch bei anderen Säugetieren. Und von dort können sie auf den Nachwuchs – und über Melkanlagen womöglich auf andere Tiere und Menschen – überspringen. Auch eine Infektion über Aerosole aus den Atemwegen sei möglich, allerdings deutlich ineffizienter, wie das Team um den Virologen Yoshihiro Kawaoka von der University of Wisconsin im Fachmagazin »Nature« berichtet.

Um den in Rindern auftretenden Virusstamm genauer zu charakterisieren, steckten Kawaoka und seine Kollegen Mäuse und Frettchen mit H5N1 aus Kuhmilch an. Die beiden Spezies nutzt man als Modellorganismen, um Influenza bei Säugetieren zu untersuchen. Die Tiere erhielten die kontaminierte Milch entweder zum Trinken oder man träufelte sie ihnen in die Nase. In den folgenden Tagen breiteten sich die Viren im gesamten Körper aus, darunter in den Atmungsorganen, im Muskelgewebe, im Gehirn und teils in den Augen. Vor allem bei den Mäusen waren auch die Milchdrüsen infiziert, und säugende Weibchen gaben den Infekt über die Milch an ihre Nachkommen weiter.

Anschließend versuchte das Team, Frettchen über kleine Tröpfchen in der Luft zu infizieren. Zwar fanden sich in keinem der vier Tiere, die den Aerosolen ausgesetzt waren, H5N1-Viren, aber bei einem von ihnen hatte eine schwache Antikörperreaktion auf den Erreger stattgefunden – ein Hinweis darauf, dass der Erreger aus den Tröpfchen Schleimhautzellen des Tieres befallen hatte und so eine Immunreaktion auslöste. »Die Daten aus dem Frettchenmodell, dem Goldstandard für die Untersuchung der aerosolischen Übertragung von Grippeviren, deuten zwar auf eine sehr ineffiziente Übertragung hin, zeigen aber, dass dieser Infektionsweg prinzipiell möglich ist«, beurteilt der Virologe Stephan Ludwig von der Universität Münster das Ergebnis gegenüber dem Science Media Center.

Farmarbeiter infiziert

In einem weiteren Experiment stellten die Fachleute fest, dass sich das aus Kuhmilch isolierte Virus an zwei unterschiedliche Rezeptoren binden kann: sowohl an Sialinsäurerezeptoren, die bei Vögeln vorkommen, als auch an solche, die in den oberen Atemwegen von Menschen zu finden sind. Diese doppelte Bindungsspezifität wurde den Autorinnen und Autoren zufolge bei älteren zirkulierenden H5N1-Viren nicht gefunden.

Laut der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC sind aktuell 139 Rinderherden in zwölf US-Bundesstaaten von Vogelgrippe betroffen. Am 3. Juli 2024 ist der vierte Fall eines infizierten Farmarbeiters bekannt gegeben worden. Die Person soll über Augensymptome geklagt, sich aber nach Behandlung mit dem Grippemedikament Oseltamivir wieder erholt haben. Weltweit befürchten Expertinnen und Experten, dass der enge Kontakt der Bauern mit erkrankten Kühen den Viren die Chance gibt, sich an den menschlichen Organismus anzupassen.

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  • Quellen
Pathogenicity and transmissibility of bovine H5N1 influenza virus. Nature 10.1038/s41586–024–07766–6, 2024

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