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Artensterben: Jagdstopp rettet Turteltauben

Die Zahl der Turteltauben in Europa geht seit Jahren Besorgnis erregend stark zurück. Eine Jagdpause, die drei EU-Länder verhängten, zeigt nun innerhalb kürzester Zeit Erfolg. Das könnte auch für andere Arten Signalwirkung haben.
Eine Turteltaube (Streptopelia turtur) sitzt auf einem Ast
In nur zwei Brutperioden ohne Bejagung stieg die Zahl der Turteltauben in Westeuropa um 25 Prozent an.

Ihr zärtlicher Umgang miteinander ist sprichwörtlich, und Shakespeare verewigte sie gleich mehrfach in Gedichten und Theaterstücken als Sinnbild der romantischen Liebe: die Turteltaube (Streptopelia turtur). Ihr wahres Leben ist jedoch alles andere als eine Endlos-Romanze. Überall in Europa sind die Vögel bedroht, aus immer mehr Landschaften verschwinden die gefiederten Liebespärchen.

Wie viele andere ackerbewohnende Arten leiden sie unter der intensiven Landwirtschaft, dem damit einhergehenden Insektenmangel und der Zerstörung ihrer Lebensräume entlang von Hecken und kleinen Wäldchen. Vor allem aber werden die Tauben alljährlich millionenfach geschossen und verzehrt. Allein in den zehn EU-Ländern, in denen sie gejagt werden dürfen, sterben pro Jahr mehr als 1,5 Millionen Turteltauben im Feuer der Schrotflinten. Eine von der EU-Kommission eingesetzte Wissenschaftlerkommission kam vor drei Jahren zu dem Ergebnis, dass das Ausmaß der legalen Jagd auf Turteltauben ein »nachhaltiges Maß« überschreite.

Um zu verhindern, dass die Population vollends zusammenbricht und die Art in Europa möglicherweise sogar ausstirbt, erließen die Regierungen Frankreichs, Spaniens und Portugals daraufhin vorübergehende Jagdverbote. Diese Notbremse hat jetzt überraschend schnell Erfolg gezeigt, wie eine Analyse belegt. Demnach stoppte die Maßnahme den steilen Abwärtstrend in Westeuropa schon innerhalb der ersten beiden Jahre mit Jagdruhe. In nur zwei Brutperioden ohne Bejagung stieg die Zahl der Turteltauben bereits wieder auf 400 000 Brutpaare im Jahr 2023 an. Das entspricht einem Plus von 25 Prozent und damit einem Niveau, das zuletzt vor 15 Jahren erreicht worden war.

Verzicht auf die Jagd ist entscheidend

Dass das Jagdverbot für diesen spektakulären Erfolg des Artenschutzes verantwortlich ist und nicht etwa günstigere klimatische Bedingungen, steht für die Autoren der Analyse fest. Sie verweisen darauf, dass widrige Wetterbedingungen in vielen Regionen den Bruterfolg in den beiden betrachteten Jahren sogar geschmälert haben. Vor allem aber zeige ein Vergleich mit der Situation der weiter östlich brütenden Turteltauben-Population, wie entscheidend der Verzicht auf die Jagd für das Überleben der Art sei. Vögel aus dem östlichen Populationsgebiet – zu dem auch Teile Deutschlands gehören – ziehen nicht auf der Westroute über Frankreich und Spanien nach Afrika, sondern über das zentrale oder das östliche Mittelmeer, wo sie in Italien, Malta, Zypern oder dem Libanon massenhaft von Jägern verfolgt werden. Während die Zahl der westlichen Turteltauben innerhalb von zwei Jahren um 25 Prozent zunahm, ging die Zahl ihrer östlich lebenden Artgenossen ohne Jagdschutz weiter drastisch zurück. »Es hat sich gezeigt, dass sich die Turteltauben-Population fast sofort erholen kann«, bilanzieren die Forscher. Dies belege, dass selbst ein vorübergehender Schutz den Tieren die nötige Zeit verschaffen könne, bis längerfristige Maßnahmen wirken, beispielsweise eine Renaturierung der Agrarlandschaft.

»Mit diesen Ergebnissen gibt es keine Ausrede mehr, weiterhin Kiebitze und Feldlerchen in der EU legal zu jagen«Axel Hirschfeld, Mitglied im Bonner Komitee gegen den Vogelmord

Traditionell führt man die durch menschliche Eingriffe verschlechterten und geschädigten Ökosysteme und Lebensräume als bedeutendste Ursache für den Rückgang vieler Vogelarten auf – nicht selten auch, um Konflikten mit der in einigen Ländern sehr starken Jagdlobby aus dem Weg zu gehen. »Der durchschlagende Erfolg des Jagdstopps bei der Turteltaube in so kurzer Zeit zeigt aber, dass die Jagd eine ebenso große Bedrohung vieler Vogelarten ist«, sagt Axel Hirschfeld. Der Biologe ist Mitglied im Bonner Komitee gegen den Vogelmord und analysiert seit vielen Jahren die Jagdstatistiken der EU-Länder. Er hofft, dass das Beispiel der Turteltaube Schule macht und ein Jagdstopp auch beim Schutz anderer Arten in Betracht gezogen wird. »Mit diesen Ergebnissen gibt es keine Ausrede mehr, weiterhin Kiebitze und Feldlerchen in der EU legal zu jagen«, sagt er.

Denn die Turteltaube ist nicht die einzige Vogelart, für die innerhalb der Europäischen Union auf der einen Seite viel Geld ausgegeben wird, um sie mit Artenschutzmaßnahmen vor dem Aussterben zu bewahren, während sie gleichzeitig massenhaft legal getötet wird. So werden vor allem in Frankreich jedes Jahr während der Vogelzugzeit fast zwei Millionen Feldlerchen geschossen, obwohl die Art beispielsweise in Deutschland in der Roten Liste als gefährdet eingestuft ist. Auch mehr als 100 000 Kiebitze, hier zu Lande sogar als stark gefährdet gelistet, fallen EU-weit jedes Jahr der legalen Jagd zum Opfer.

Ob demnächst neben der Turteltaube auch weitere bedrohte Vogelarten Schutz vor legaler Jagd erhalten, ist offen. Die EU-Kommission prüft dies seit Längerem, bislang ohne Ergebnis. Für die Turteltaube immerhin könnte es weiter bergauf gehen. Beflügelt durch den raschen Erfolg des temporären Schutzes haben die Regierungen Frankreichs, Spaniens und Portugals vor Kurzem angekündigt, die Jagdpause auch während des herbstlichen Vogelzugs in diesem Jahr zu verlängern.

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