Käse-Physik: Warum Mozzarella schmilzt und Feta nicht
Von der Pizza bis zur Quesadilla – geschmolzener Käse spielt die Hauptrolle in unzähligen kulinarischen Klassikern. Aber warum schmelzen manche Käsesorten zu einer cremigen Masse und andere nicht? Schwarze Löcher oder der Ursprung des Lebens sind ja schön und gut – aber solche sind die wahren großen Fragen der Wissenschaft.
»Das Schmelzen von Käse ist ein sehr komplexes Phänomen«, sagt Prateek Sharma, ein Lebensmittelwissenschaftler an der Utah State University. »Wer Käse isst, sollte sich auch gelegentlich Gedanken machen, was im Inneren des Käses auf molekularer Ebene vor sich geht.«
Im Zentrum des Geschehens steht ein Protein namens Kasein. In der Milch liefert Kasein dem Kalb, Lamm oder Baby die lebenswichtigen Nährstoffe Kalzium und Phosphat. Bei der Käseherstellung verwandelt sich das Kasein jedoch in ein Netzwerk, das durch schwache Bindungen zusammengehalten wird und mit Wasser- und Fettmolekülen gespickt ist.
Das Schmelzen des Käses, gleichbedeutend mit der Auflösung dieses Netzwerks durch Hitze, erfolgt in der Regel in mehreren Schritten, sagt Sharma. Schon bei Zimmertemperatur beginnen die verschiedenen Fette des Käses zu schmelzen und aus dem Netzwerk auszutreten – je wärmer, desto mehr. Sie wandern an die Oberfläche – deshalb wird der Käse schweißig. Wenn der Käse die Temperatur von heißem Leitungswasser erreicht, verlieren seine Proteine gebundenes Wasser und schrumpfen. Das Netzwerk wird dadurch weicher. Bei etwa 70 Grad Celsius, etwa der Temperatur von durchgegartem Fleisch, ist der Schmelzprozess abgeschlossen, sagt Sharma.
Geschmolzener Käse wird keine Flüssigkeit
Allerdings verhält sich geschmolzener Käse anders als typische geschmolzene Substanzen. Wenn Eis, Butter und Schokolade schmelzen, werden sie flüssig: Sie fließen und tropfen. Mozzarella hingegen kriecht und dehnt sich, was ihn zum besten Käse für gutes Schmelzen macht.
Die Magie verdankt er dem Kasein – genauer gesagt, den losen Wechselwirkungen zwischen den Kaseinmolekülen. Das Kaseinnetzwerk muss flexibel genug sein, um sich zu bewegen, aber auch steif genug, damit der Käse zusammenhält. Mehr Wasser oder Fett wiederum, die im Kaseinnetzwerk eingeschlossen sind, kann das Schmelzen fördern, aber auch das Kasein selbst verändern.
Für ein zufrieden stellendes Schmelzen braucht Käse die perfekte Menge an Bindungen zwischen den in das Kasein eingebetteten Kalziumphosphatmolekülen, die das Proteinnetzwerk zusammenhalten. »Wenn der Kalziumgehalt zu hoch ist, schmilzt der Käse nicht«, sagt Sharma. »Wenn der Kalziumgehalt zu niedrig ist, schmilzt er sehr schnell, so dass er flüssig wird.«
Bei der Käseherstellung ist der Säuregehalt das wichtigste Instrument, die Zahl dieser Bindungen zu steuern, sagt John Lucey, Lebensmittelforscher an der University of Wisconsin-Madison und Direktor des Wisconsin Center for Dairy Research. In Käse, der bei einem relativ neutralen pH-Wert hergestellt wird, gibt es genügend Kalziumverbindungen, so dass die Kaseinmoleküle fest miteinander verbunden sind.
Die Säure entscheidet
Wenn man etwas Säure hinzufügt, wird der Käse lockerer. »Das löst einige der Kalzium- und Phosphatbindungen auf – gerade so viel, dass das System flüssiger wird«, sagt Lucey. Fügt man jedoch zu viel Säure hinzu, lösen sich so viele Kalziumbindungen, dass geladene Bereiche auf den Kaseinmolekülen direkt aneinanderbinden können und dauerhaft so eng wechselwirken, dass sie eine Dehnung des fertigen Käses verhindern. Für einen guten Schmelzvorgang ist genau die richtige Menge an Säure erforderlich.
»Käse auf pflanzlicher Basis beginnt als kalter Wackelpudding und wird dann zu heißem Wackelpudding«Neil Cunningham, Center for Industrial Rheology
Auch der Alterungsprozess beeinflusst die Art und Weise, wie ein Käse schmilzt. Während der Reifung des Käses können Enzyme und Mikroorganismen im Inneren des Käses die Kaseinmoleküle selbst zerschneiden. Je mehr Kasein zerschnitten ist, desto leichter schmilzt der Käse, ist aber weniger dehnbar und wird leichter subschig.
Die Bedeutung des Kaseins beim Schmelzen von Käse erklärt auch, warum veganer Käse – ganz ohne Kasein – selbst gekühlt relativ weich und beim Erhitzen oft geradezu unappetitlich ist. »Käse auf pflanzlicher Basis beginnt als kalter Wackelpudding und wird dann zu heißem Wackelpudding«, sagt Neil Cunningham, ein Materialwissenschaftler am Center for Industrial Rheology in England, der diese Käsesorten mit denen aus Milchprodukten verglichen hat.
Gute Schmelzer, schlechte Schmelzer
Ricotta ist ein weiterer schlechter Schmelzer, auch wenn er nicht vegan ist. Das liegt daran, dass er aus Molke hergestellt wird, einer Flüssigkeit, die bei der Käseherstellung übrig bleibt. Dieses Ausgangsmaterial bedeutet, dass Ricotta ein wenig Kasein enthält, aber größtenteils aus Molkeproteinen besteht, die eine ganz andere Art von Struktur aufbauen. Dieses Netzwerk ist besonders durch permanente Bindungen zwischen schwefelhaltigen Molekülteilen gekennzeichnet, sagt Sharma. Durch diese dauerhaften Bindungen ist es viel schwieriger, Ricotta wirklich zu schmelzen; er wird lediglich weicher.
Wenn jedoch Kasein das Protein im Käse dominiert, erklären die Einflüsse von Säure und Alterung auf die Struktur des Netzwerks die unterschiedlichen Schmelzeigenschaften der verschiedenen Käsesorten. Im Vergleich zu Mozzarella, sagt Lucey, sei »etwas wie Feta viel spröder, kreidiger und bröckeliger«. Das liege an dem hohen Säuregehalt. Am anderen Ende des Spektrums schmilzt Queso Panela nicht, weil er nicht genug Säure enthält. »Er wird einfach zu fest zusammengehalten, er ist nicht flüssig«, sagt Lucey. Ein Blauschimmelkäse kann anfangs recht sauer und schwer zu schmelzen sein, aber mit zunehmendem Alter und Mikroben, die die Säuren abbauen, wird er weniger sauer. »Irgendwann kann man vielleicht Teile davon zu einer flüssigen Fraktion schmelzen.« Ein sehr geringer Feuchtigkeitsgehalt wiederum macht Parmesan schwer zu schmelzen.
Für Lucey ist dies das Wunder der Käseherstellung: Die meisten Sorten bestehen aus der gleichen Milch, die auf leicht unterschiedliche Weise behandelt wird – alles auf der Grundlage jahrhundertelanger Experimente. »Das ist der Grund, warum es Hunderte von verschiedenen Käsesorten gibt«, sagt er. »Es gibt einem die künstlerische Freiheit, alles zu verändern, was man möchte, und zu sehen, wie es sich entwickelt.«
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.