Marine Zoologie: Knochfresserwurm ätzt sich in Walkadaver
Die Weibchen des vor knapp einem Jahrzehnt entdeckten bizarren Meereswurm Osedax haben weder Augen noch Beine, Mund oder Magen und laben sich an den Knochen von auf den Meeresgrund gesunkenen Walkadavern. Dazu schieben sie zunächst wurzelförmige Ausläufer in die Knochen, die dann Lipide und Kollagenproteine absorbieren: Die Nährstoffe werden schließlich von symbiontischen Oceanospirillales-Bakterien weiter verstoffwechselt, bevor sie vom Wurm verdaut werden können. Unklar war bisher aber, wie genau die Wurmwurzeln mit ihren Symbionten in die knöcherne Leibspeise hineinwachsen. Offenbar bahnen leistungsstarke Säurepumpen den Weg, meinen nun Forscher der University of California in San Diego.
Diese Vermutung liegt jedenfalls nahe, nachdem das Wissenschaftlerteam um Greg Rouse in den äußeren Zellen der auf den Kadavern aufsitzenden Osedaxhinterteile große Mengen säureproduzierender Enzyme und hochaktive Protonenenpumpen gefunden hat. Eine große Menge an Carboanhydrasen in den Zellen – die dort Kohlendioxid und Wasser zu Kohlensäure umsetzen – mitsamt vieler Protonenpumpen in der äußeren Wurzelmembran senken offenbar den pH-Wert, was schließlich die Knochenoberfläche angreift, postulieren die Forscher. Ganz ähnlich funktioniert auch der geregelte biologische Abbau von Knochen im Körper der Wirbeltiere, wo spezialisierte Osteoklastenzellen ebenfalls mit Säure arbeiten.
Viele Meeresorganismen sind in der Lage, die Kalziumkarbonatstruktur des Knochens mit Hilfe von Säuren anzugreifen, um an die energetisch lohnenden Inhaltstoffe des Knochens heranzukommen; zudem nutzen Schnecken, Schwämme oder Vielborster auch noch mechanische Reibevorrichtungen, Borsten oder Bohrer. Der am Meeresboden lebende Osedax scheint sich dagegen ausschließlich mit seinen Säurepumpen und seiner Symbiontenaustattung Nahrung zu verschaffen.
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