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Europäischer Genpool: Koexistenz und Vermischung im Nachsteinzeit-Europa

Die neolithische Umwälzung brachte neben Kulturtechniken auch frisches Erbgut aus dem Nahen Osten nach Europa. Noch lange danach mischte sich aber überall Wildbeuterblut in den Genpool.
DNA-Entnahme aus Schädel

Es dauerte lange Zeit, um herauszufinden, wie sich Europas Genpool seit der vor schätzungsweise 12 000 Jahren aus dem Nahen Osten einsickernden "neolithischen Umwälzung" verändert hat – allmählich gewinnt die Wissenschaft aber doch ein eindeutigeres Bild. Dabei hilft heute vor allem technischer Fortschritt, der den Genarchäologen einen nicht zurückextrapolierten, sondern ganz direkten Einblick in das Erbgut längst verstorbener Bevölkerungsschichten erlaubt. So hat das Team um David Reich von der Harvard Medical School nun die alten Gene von gleich 180 Menschen analysieren können, die zwischen 6000 und 2200 vor der Zeitenwende auf dem Gebiet des heutigen Ungarn, Spanien und Deutschland lebten. Am Ende bestätigt der Vergleich ihrer DNA mit modernem Erbgut erneut eine schon lange formulierte und naheliegende Hypothese: Europas Genpool entstand durch fröhliche Vermischung von Migranten mit Einheimischen und sorgte für einen recht bunten Flickenteppich. Allerdings: Subtile lokale Besonderheiten als Erbe der Steinzeit sind bei genauem Hinsehen durchaus noch zu erkennen.

Skelett aus der frühen Jungsteinzeit | Forschern gelingt es mittlerweile sogar, das Erbgut von lange Verstorbenen gründlich zu analysieren. In jüngste Studien gingen auch die Genvarianten dieses Menschen ein, der in der frühen Jungsteinzeit auf dem Gebiet des heutigen Ungarn lebte.

Über eine Spanne von drei Jahrtausenden, so die Auswertung der Gendaten, mischten sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten und an verschiedenen Orten aus dem Südosten vordringende einwandernde Menschen – die neue landwirtschaftliche Technologie im Gepäck – mit Einheimischen. Der Genfluss veränderte sich dabei regional uneinheitlich: Überall, wo die anatolischen Farmer einwanderten, mischten sie sich mit den einheimischen Wildbeutern, die Europa seit der mittleren Steinzeit besiedelten. Im Prinzip hatten Genforscher dieses Ergebnis längst erwartet – die Theorie einer "demischen Diffusion", nach der bei der neolithischen Umwälzung vom Wildbeutertum zur Landwirtschaft die alten Jäger und Sammler nur die Kulturtechniken (nicht aber das Erbgut) von den Einwanderern übernahmen, gilt als überholt.

Das Mosaik ist allerdings kleinteilig: Man findet beispielsweise archäologische Hinweise darauf, dass Wildbeuter und Farmer in der Übergangszeit auch lange räumlich nahe, aber unabhängig voneinander koexistiert haben. Zudem war unklar, ob es eine einheitliche Welle mit sich überall ähnelnden Mustern gab oder ob sich deutliche regionale Unterschiede abzeichneten. Tatsächlich zeigt sich nun ein überraschend einheitliches Bild. Ob an der Donau vor rund acht Jahrtausenden oder später in West- und Zentraleuropa: Zwar beginnt mit der Jungsteinzeit ein unverkennbarer Zustrom der Farmer-Gene aus dem Nahen Osten, stets aber mischte sich vor Ort auch das Erbgut der Alteingesessenen zu einem regional identifizierbaren Mix. Sicher falsch bleibt damit auch die alte Gegenthese zur überholten Hypothese der "demischen Diffusion", nach der die technologisch überlegenen Neuankömmlinge überall, wo sie ankamen, die Bevölkerung einfach vollständig ersetzt haben.

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