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News: Kopf an Kopf

Es muss nicht immer der Größte, Lauteste, Bunteste sein, der im Konkurrenzkampf der Partnerwahl das Rennen macht. Seepferdchen beispielsweise bevorzugen eine ähnliche Zentimeterzahl, auch wenn sie selbst klein sind. Damit unterstützen sie womöglich, dass sich neue Arten bilden.
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Eines kann man einem Seepferdchen-Männchen mit Sicherheit nicht vorwerfen: dass es ein schlechter Vater sei. Denn bei diesen Fischen haben die Männchen die Sorge für den Nachwuchs übernommen. Die Weibchen legen ihre Eizellen in eine Bruttasche des Männchens, das sie befruchtet und bis zum Schlüpfen der Jungen dort mit sich trägt. Der werdende Vater kann sich so seiner Vaterschaft vollkommen sicher sein – ein seltenes Privileg im Tierreich.

Der Fortpflanzungserfolg ist bei Seepferdchen allerdings eng an die Körpergröße gekoppelt. Insofern macht es Sinn, dass sich zwei etwa gleich große Partner zusammenfinden – denn eine Kombination von groß und klein würde entweder Eizellen oder Brutraum verschwenden. Diese Größenvorliebe wurde im Freiland auch durchaus beobachtet. Aber könnte diese Selektion des Partners nach Größe sogar so weit führen, dass dadurch eigenständige Arten entstehen?

Es sieht ganz danach aus. Mithilfe genetischer Analysen überprüften Adam Jones vom Georgia Institute of Technology in Atlanta und seine Kollegen zunächst die Elternschaftsverhältnisse von Angehörigen der Seepferdchenart Hippocampus subelongatus in den flachen Gewässern südlich der australischen Küste bei Perth. Als sie die entsprechenden Tiere dann zusätzlich vermaßen, konnten sie die Größenvorliebe bei der Partnerwahl eindeutig bestätigen.

Anschließend entwickelten die Forscher ein Computermodell, dessen Seepferdchen-Akteure dieselbe Größenverteilung aufwiesen wie die natürliche Population. Generation für Generation durften sich hunderte digitale Fische zufällig verpaaren, bis sie nach 5000 Durchläufen die bekannte Größenvorliebe zeigen sollten.

Je nach vorgegebenem Einfluss war schon nach wenigen zig bis einigen hundert Generationen eine deutliche Aufspaltung in getrennte Genpools zu beobachten – die unterschiedlich großen Seepferdchen pflanzten sich also nicht mehr miteinander fort. Der erste wichtige Schritt zur Entstehung zweier neuer Arten war getan.

Und vielleicht ist das auch in der freien Natur so abgelaufen. Denn als die Wissenschaftler sich den Stammbaum der Seepferdchen noch einmal gründlich vornahmen, stellten sie fest, dass die kleinsten Seepferdchenarten nicht auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen, ihre Wurzeln also offensichtlich mit einem größeren Vertreter teilen. Außerdem konnten Jones und seine Kollegen mindestens einen Fall aufspüren, in dem eine extrem kleine Art – Hippocampus breviceps – und eine große Art – Hippocampus abdominalis – Schwestertaxa sind, also die nächsten Verwandten, die aus der Aufspaltung einer Ursprungsart stammen. Bei H. zosterae (klein) und H. erectus (groß) könnte die Geschichte ähnlich verlaufen sein, doch ist hier die Einordnung im Stammbaum noch nicht ganz geklärt.

Die fürsorgliche Vaterschaft der Seepferdchen hat also nicht nur das verbreitete Rollenverständnis im Tierreich gesprengt, sondern auch grundlegende evolutionsbiologische Folgen gehabt: Womöglich führt sie zur Entstehung neuer Arten, und das in einem durchaus rasanten Tempo. Doch die Autoren warnen selbst, dass es diese Vermutung erst durch weitere Analysen zu bestätigen gilt.

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