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Verhaltensbiologie: Nachtschwärmer

Wenn es dunkel wird, werden sie erst so richtig munter: Nachtaktive Bienen verlegen ihre Nahrungssuche auf die Zeiten der Dämmerung. Aber sehen sie die Welt um sich herum dann nicht ziemlich schwarz?
Kopf einer Biene
Studien, die sich mit dem Orientierungsverhalten von Honigbienen beschäftigen, gibt es zuhauf. Sogar eine Art Kilometerzähler wollen Forscher bei den pelzigen Hautflüglern entdeckt haben, mit dem sie die genaue Entfernung zu einem Futterplatz messen, um diese anschließend ihren Stockgenossen mitzuteilen. Was Bienenarten angeht, die erst nachts auf Nahrungsstreifflug gehen, drängt sich jedoch noch immer eine eher grundlegende Frage auf: Wie finden sie eigentlich ihr Nest?

Megalopta genalis | Die tropischen, nachtaktiven Bienen der Art Megalopta genalis nutzen trotz der Dunkelheit Landschaftsmerkmale zur Orientierung.
Fernab von jeder künstlichen Lichtquelle, im Regenwald von Barro Colorado in Panama, stellten Wissenschaftler um Eric Warrant von der Universität von Lund sieben Bienennester in einer Reihe auf, um deren Bewohnern – nachtaktive Bienen der Art Megalopta genalis – fünfzehn Tage lang mit einer Infrarotkamera nachzustellen und ihr Verhalten genau zu protokollieren: Wann verlassen die Insekten den Stock, wann kehren sie zurück, und wie verhalten sie sich dabei?

Im Schutzmantel der Dämmerung begaben sich die Tiere zweimal täglich auf Nahrungssuche: einmal bis zu einer Stunde vor Sonnenaufgang und einmal zwischen 15 und 20 Minuten nach Sonnenuntergang. Während die meisten etwa eine viertel bis eine halbe Stunde vor Tagesbeginn aufbrachen, gab es auch extreme Frühaufsteher. Sie machten sich bereits auf den Weg, wenn das Lichtniveau im Wald zehn- bis zwanzigmal unter dem einer mondlosen Nacht lag. Die Forscher konnten die Bienen nur mit speziellen Sehhilfen erkennen – ein Grund sich zu fragen, ob visuelle Reize für diese Insekten überhaupt eine Rolle spielen.

Anscheinend ja: Auf Videoaufnahmen zeigte Megalopta ähnlich ausgiebige Orientierungstänze, wie sie von tagaktiven Bienen bekannt sind. Individuen, die das Nest verließen, drehten sich zum Eingang um und bewegten sich anschließend in immer weiteren Bögen davon weg, während sie sich charakteristische Landschaftsmerkmale in der Umgebung genau einprägten. Um sicher zu gehen, dass es sich dabei tatsächlich um Orientierungstänze handelte, versuchten die Wissenschaftler die Tiere in zwei Experimenten zu verwirren.

Sie stellten fünf Nester in einer Reihe auf, von denen nur das mittlere bewohnt war und warteten, bis die Bienen auf Nahrungssuche gingen. In Abwesenheit der Tiere vertauschten sie die Nester. Als die Insekten nach 26 Minuten zurückkehrten, flogen sie zielstrebig dorthin, wo sie, geleitet durch die gemerkten Orientierungshilfen, den heimatlichen Bienenstock vermuteten – und landeten tatsächlich auf dem falschen Zuhause. In einem zweiten Versuch brachten die Forscher einen hellen Karton ins Spiel. Die Bienen hatten sich diese neue Information beim Verlassen des Stocks offenbar eingeprägt: Als sie wiederkamen, steuerten sie auf das Nest zu, an dem der Karton lehnte – nicht ahnend, dass die Forscher diesen mittlerweile woanders platziert hatten.

Optische und physiologische Messungen am Bienenauge sollten schließlich aufdecken, was dabei im Inneren der Insekten vorging. Anpassungen an das nächtliche Sehen waren deutlich erkennbar: Verglichen mit anderen Bienen hat Megalopta genalis ausgesprochen große Augen. Die Spitzen ihrer Lichtsinneszellen, auf der durch die Corona fokussierte Lichtstrahlen gebündelt werden, ist etwa sechzehnmal so groß wie bei der Honigbiene (Apis mellifera). Die Photorezeptoren setzten Lichtreize etwa zweimal langsamer in elektrische Impulse um als die der Honigbiene – ein weiteres Indiz für ein hervorragendes nächtliches Sehvermögen.

Aber reichen diese Eigenschaften aus, um bei derart spärlichen Lichtverhältnissen eine Navigation zu ermöglichen? Um diese Frage zu klären, verarbeiteten die Wissenschaftler die bisher gewonnenen Daten in einer mathematische Formel: Wie viele Photonen kann ein Photorezeptor absorbieren, bevor er den Lichtreiz in einen elektrischen Impuls umwandelt?

Tatsächlich erwiesen sich die Augen von Megalopta - etwa 28-mal lichtempfindlicher als die der Honigbiene – als wahre Nachtsichtgeräte. Um jedoch die Kontraste in der Umgebung des Nestes wahrnehmen zu können, müssten die Rezeptoren noch sehr viel leistungsfähiger sein.

Nur mit der Physiologie der Augen scheint die nächtliche Navigation dieser Tiere also nicht erklärbar. Die Forscher vermuten deshalb eine räumliche und zeitliche Summierung der Lichtreize im Sehapparat der Tiere, welche ihnen den Regenwald in einem deutlich helleren Licht präsentieren würde. Einen Nachteil gäbe es aber doch: Dieses Bild wäre auch deutlich "langsamer". Und daher gefährlich: Bis die Photorezeptoren den Eindruck eines vorbeihuschenden Fressfeindes in die elektrische Sprache des Gehirns übersetzt haben, könnte es durchaus schon zu spät sein.

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