Ökologie: Bizarre Pflanze ist zwingend auf seltene Kaninchen angewiesen
Amami-Kaninchen der japanischen Ryukyu-Inseln gelten als lebende Fossilien, ihre nächsten Verwandten sind wohl schon vor langer Zeit auf dem ostasiatischen Festland ausgestorben. Und auch von den Amami-Kaninchen (Pentalagus furnessi) existieren nur noch wenige tausend Tiere auf den beiden kleinen Inseln Oshima und Tokunoshima, wo sie durch das Unterholz der subtropischen Wälder streifen und eine wichtige Rolle für die nicht minder erstaunliche Pflanzenart Balanophora yuwanensis spielen. Das berichten Kenji Suetsugu und Hiromu Hashiwaki von der Universität Kobe in »Ecology«.
Diese parasitär lebende Pflanze betreibt keine Fotosynthese, sondern zapft das Wurzelsystem anderer Gewächse an. Um sich zu vermehren, schiebt sie knallrote Fruchtstände an die Oberfläche, welche die dunklen Kaninchen entgegen den Erwartungen sehr gerne verzehren. Bislang war man davon ausgegangen, dass die Tiere lieber Gräser, Kräuter und Blätter fressen, während sich die Samen der Pflanze durch den Wind verbreiten sollten. Denn während viele Früchte tragende Pflanzen eher saftige Fruchtkörper ausbilden, sind die von Balanophora yuwanensis dicht gepackt und trocken.
Dennoch deuteten Fraßspuren darauf hin, dass hier Tiere am Werk sein könnten. Suetsugu und Hashiwaki platzierten daher Kamerafallen in der Nähe frischer Fruchtstände. Tagsüber lichteten sie zwar ebenso einzelne Vögel ab, die an den roten Fruchtkörpern pickten, doch erst nachts wurden die Früchte ausgiebig aufgenommen: durch Amami-Kaninchen, die beim Fressen ertappt wurden. Sie vertilgten bisweilen einen kompletten, golfballgroßen Fruchtstand. Die Untersuchung von Kotproben bestätigte schließlich, dass die Kaninchen viele Samen wieder voll lebensfähig ausschieden.
Aus der Häufigkeit der Besuche und der Menge der gefressenen Früchte schlossen die Wissenschaftler, dass die Kaninchen hauptsächlich am Verzehr der parasitären Pflanzen beteiligt waren und auf diese Weise der wichtigste Verbreiter ihrer Samen sind. Dafür spricht auch der große Anteil keimungsfähiger Samen, der die Darmpassage übersteht. Bei europäischen Kaninchen überdauern dagegen nur etwa fünf Prozent aller aufgenommen Samen verschiedener Pflanzen den Weg durch den Verdauungstrakt.
Ein weiterer Vorteil für die parasitäre Pflanze ist wohl zudem, dass die Kaninchen gerne Bauten am Stammfuß großer Bäume bauen und dort dann ihren Kot hinterlassen. Die Samen können dann nahe der wichtigen Wurzeln keimen. Leider sind die Kaninchen durch eingeschleppte Katzen und Hunde sowie Abholzung bedroht und damit ebenso diese ökologische Beziehung.
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