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Dunkle Materie: Origami und Metamaterialien helfen bei der Suche nach Axionen

Manchmal braucht es ungewöhnliche Konzepte in der Forschung, um zum Ziel zu kommen. Ein auf besondere Weise dehnbares Material macht einen Axion-Detektor empfindlicher, um auch schwere Teilchen nachzuweisen.
Abstrakte Partikellandschaft auf dunklem Hintergrund
Bislang konnte noch kein Axion aufgespürt werden. Doch die Suche danach läuft auf Hochtouren.

Das Axion gilt als Favorit bei der Suche nach den Teilchen, aus denen Dunkle Materie bestehen könnte. Es handelt sich um ein hypothetisches Elementarteilchen, das wie die Trägerteilchen der Grundkräfte und das Higgs zu den Bosonen gehört. Doch bislang konnte kein Axion aufgespürt werden. Südkoreanische Physiker haben nun einen existierenden Detektor auf ungewöhnliche Art verbessert: Sie nutzen dazu ein Metamaterial und die Kunst des Kirigami, eine Form des Origami, bei der Papier sowohl geschnitten als auch gefaltet werden kann. Sie berichten davon im Fachmagazin »Physical Review Letters«.

Axionen sind eine mögliche Antwort auf die Frage, woraus jener unsichtbare Stoff besteht, der anscheinend für den Großteil der Schwerkraft im Universum verantwortlich ist. Die Existenz dieser so genannten Dunklen Materie wird im Standardmodell der Kosmologie, dem Lambda-CDM-Modell, postuliert, um die Bewegung der sichtbaren Materie zu erklären, insbesondere die Geschwindigkeit, mit der Sterne das Zentrum ihrer Galaxie umkreisen. Seit Jahrzehnten suchen Physikerinnen und Physiker vergeblich nach den Hauptverdächtigen, den WIMPs (kurz für weakly interacting massive particles). Einige fahnden in dem Zusammenhang auch nach dem Axion, einem nahezu masselosen Teilchen, das ursprünglich vorgeschlagen wurde, um ein anderes Problem innerhalb der Theorie der starken Kernkraft zu lösen.

Axionen könnten schwerer sein als gedacht

Wenn sie existieren, sollten Axionen mit einem Magnetfeld wechselwirken und sich in nachweisbare Photonen mit einer Frequenz verwandeln, die proportional zur Masse des Axions ist und irgendwo im Radiobereich liegt. Das Axion Dark Matter Experiment (ADMX) an der University of Washington beispielsweise besteht aus einem 30 Zentimeter breiten und ein Meter langen Metallzylinder, der auf nahezu den absoluten Nullpunkt gekühlt und in ein starkes Magnetfeld eingebettet ist. Der Zylinder dient als Antenne zum Auffangen des Radiowellensignals. Abhängig von seinen Abmessungen sendet er Wellen unterschiedlicher Frequenz aus, so wie die Größe und Form einer Flasche über die entstehende Tonhöhe bestimmt, wenn man über ihre Öffnung bläst. Fachleute können die Resonanzfrequenz des Zylinders anpassen, um das Radiosignal der vermuteten Axionen zu verstärken. ADMX hat Frequenzen von 0,6 bis 1,1 Gigahertz abgetastet und nichts gefunden. Somit lassen sich Axionen mit Massen von 2,7 bis 4,3 Mikroelektronvolt als Quelle der Dunklen Materie ausschließen.

Jüngere theoretische Arbeiten deuten jedoch darauf hin, dass das Axion schwerer sein könnte. Um mit dem Detektor höhere Frequenzen zu erreichen, müssten die Physiker die Kammer verkleinern. Damit geht jedoch die Empfindlichkeit des Geräts verloren. Anstatt es zu kleiner zu machen, beschloss die Gruppe um Sung Woo Youn, Physiker am südkoreanischen Institute for Basic Science, eine höhere Frequenzmode desselben Hohlraums zu verwenden. Allerdings gibt es einen Haken. In der niedrigsten Mode eines Hohlraums schwingt das elektrische Feld der Radiowellen gleichmäßig auf und ab entlang der Hohlraumachse. In der nächsthöheren Frequenzmode zeigen die elektrischen Felder im Zentrum und im äußeren Bereich des Hohlraums jedoch in entgegengesetzte Richtungen und schwingen nicht mehr synchron. Das würde die Umwandlung der Axionen in Photonen drastisch einschränken.

»Was die Gruppe aus Südkorea da gemacht hat, ist eine sehr clevere Idee, und es sieht so aus, als hätten sie sie gut umgesetzt«Aaron Chou, Quantenphysiker

Um dieses Problem zu lösen, platzierten Youn und seine Kollegen Stäbe aus einem isolierenden Material in die Mitte des Hohlraums. Die Stäbe absorbierten den größten Teil des elektrischen Feldes, während das Feld jenseits der Stäbe in voller Stärke schwingen konnte, was die Umwandlungsrate wiederherstellte. Da sich das in der Realität als schwierig herausstellte, griffen die Forscher auf eine Idee aus dem Bereich der Metamaterialien zurück. Dabei handelt es sich um künstlich hergestellte Strukturen, die sich wie gewöhnliche Materialien verhalten, aber neuartige Eigenschaften besitzen. So zieht sich ein gewöhnliches Material in der Breite zusammen, wenn es in der Länge gedehnt wird. Ein Metamaterial kann hingegen so gestaltet werden, dass es sich unter Zugspannung in alle Richtungen ausbreitet. Um das umzusetzen, ließen sich die Forscher von der japanischen Kirigami-Kunst inspirieren.

Sie ordneten ihre sieben isolierenden Stäbe in einer speziellen sechseckigen Form an, die sich ausdehnen kann und so die Frequenzmode verändert. Entscheidend ist, dass sich die Anordnung symmetrisch ausdehnt, um eine starke Resonanz zu gewährleisten. In einem ersten Test suchten die Physiker damit nach Axionen zwischen 21,38 und 21,79 Mikroelektronvolt und erreichten in diesem Bereich über zwei Wochen und bei einer relativ hohen Temperatur eine rekordverdächtige Empfindlichkeit.

»Was die Gruppe aus Südkorea da gemacht hat, ist eine sehr clevere Idee, und es sieht so aus, als hätten sie sie gut umgesetzt«, sagte Aaron Chou, ein Quantenphysiker am Fermi National Accelerator Laboratory, gegenüber dem Nachrichtenportal »Science«. Und Gray Rybka, Astroteilchenphysiker von der University of Washington, ergänzte: »Es gibt viele Arbeiten von Leuten, die sagen, dass man so etwas bauen könnte. Die Südkoreaner haben es gebaut.« Nun muss der optimierte Detektor die Axionen bloß noch aufspüren.

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  • Quellen
Phys. Rev. Lett. 10.1103/PhysRevLett.133.211803, 2024

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