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Raumfahrt: Keine Zukunft im All?

Dauerhaften menschlichen Siedlungen jenseits der Erde stehen nicht nur technologische Herausforderungen entgegen. Auch wegen medizinischer, finanzieller und ethischer Probleme wird der alte Sciencefiction-Traum womöglich nie Wirklichkeit.
Ein Mensch steht auf der Plattform einer futuristischen Raumstation und blickt auf die Erde
Ungewisse Aussichten: Ob Menschen jenseits unseres Planeten eine zweite Heimat finden und irgendwann als Fremde auf die Erde blicken werden, steht in den Sternen.

Demnächst könnten wieder Menschen auf dem Mond stehen. Zumindest, wenn es nach der US-Raumfahrtbehörde NASA geht, die zu diesem Zweck stark in ihr Artemis genanntes Programm investiert. Es ist Teil einer ehrgeizigen und riskanten Strategie, die erste dauerhafte menschliche Präsenz auf einem anderen Himmelskörper zu schaffen. Zudem entwickeln Unternehmen wie United Launch Alliance und Lockheed Martin technische Mittel für die Besiedlung des Mondes. Elon Musk strebt mit seiner Firma SpaceX sogar eine Eroberung unseres Nachbarplaneten Mars an. Aber sind solche Pläne überhaupt realistisch angesichts der Tatsache, dass der Weltraum geradezu darauf ausgelegt zu sein scheint, uns zu töten?

Der Mensch hat sich auf der Erdoberfläche entwickelt und an sie angepasst. Je weiter wir uns von ihr entfernen, desto schneller versagt unser Körper – physisch wie psychisch. Bereits das von der kosmischen Strahlung ausgehende Krebsrisiko und die körperlichen Veränderungen in der Schwerelosigkeit lassen sich kaum mit einem längeren Aufenthalt im All vereinbaren. Außerdem gibt es möglicherweise keine tragfähigen wirtschaftlichen Argumente und zu wenig öffentliche Unterstützung dafür, uns auf einer anderen Welt niederzulassen. Eine solche Kolonisierung wirft zudem heikle ethische Fragen auf.

Auf der Analog Astronaut Conference im Mai 2023 schien keines dieser Probleme unlösbar zu sein. Dazu hatten sich Fachleute und Raumfahrtbegeisterte in der Nähe von Tucson in Arizona getroffen, in der Biosphäre 2, einem abgeschlossenen Miniatur-Ökosystem, das heute von der University of Arizona genutzt wird. Unter den Versammelten schien ein klarer Konsens zu herrschen: Das Leben im Weltraum ist das unumstößliche Schicksal unserer Spezies, und wir alle sollten gemeinsam auf dieses Ziel hinarbeiten. Den Anwesenden war bewusst, dass das noch ein großer Traum ist.

Im September 1991 betraten acht Menschen die Biosphäre 2 und lebten dort zwei Jahre lang. Bei der Einrichtung handelt es sich um einen Komplex aus Glaskuppeln, in dem auf einer Fläche von 1,6 Hektar verschiedene, voneinander getrennte Ökosysteme wie etwa ein Ozean, Mangroven, ein tropischer Regenwald und eine Savanne unseren Planeten – die Biosphäre 1 – nachbilden sollen. Ein Ziel war es, etwas über die Dynamik in den Biotopen auf der Erde zu erfahren. Ein weiteres lautete, herauszufinden, wie sich der Mensch ein von der Außenwelt unabhängiges, lebenserhaltendes System schaffen könnte, auch jenseits unseres Heimatplaneten. In der Praxis hat Biosphäre 2 nicht funktioniert wie gehofft. Die isolierte Umgebung produzierte weder genügend Sauerstoff noch Wasser oder Nahrung für die dort Einquartierten. Noch dazu wurden die erste Mission und eine zweite einige Jahre später durch zwischenmenschliche Konflikte und psychologische Probleme der Bewohner torpediert.

Außenansicht der Biosphäre 2 | Zwischen September 1991 und September 1993 lebten acht Menschen in diesem isolierten Gewächshauskomplex in der Wüste von Arizona. Das sollte Erkenntnisse auch zu der Frage bringen, wie sich Menschen im Weltraum selbst versorgen können.

Heute werden Menschen, die an Projekten wie Biosphäre 2 teilnehmen – die also während einer Mission auf der Erde gewisse Aspekte langfristiger Aufenthalte im All simulieren –, als Analog-Astronauten bezeichnet. Diese ungewöhnliche Tätigkeit ist erstaunlich beliebt: Es gibt entsprechende Einrichtungen unter anderem in Utah, auf Hawaii, in Texas und der Antarktis. In Oman, Kenia und Israel werden sie gebaut oder geplant. Das gemeinsame Ziel ist es, etwas darüber in Erfahrung zu bringen, wie man jenseits der Erde leben kann, ohne unseren Planeten zu verlassen.

Während die in der Wüste untergehende Sonne die Glasfassade der Biosphäre 2 in zartes Rosa tauchte, trafen sich hier auf der Terrasse Leute, die sich solchen ungewöhnlichen Welten zugehörig fühlen. Einige von ihnen haben an Simulationsprojekten teilgenommen oder eigene Gebäudekomplexe für Analog-Astronauten errichtet. Andere waren einfach nur neugierig. Hier tummelten sich Astronomen, Geologen, ehemalige Militärangehörige, Postboten, Mediziner, Künstler und Anwälte. In dieser Nacht trugen viele von ihnen Star-Wars-Kostüme und beobachteten den aufgehenden Mond, auf dem sie gerne Siedlungen sehen würden.

Im Gewächshaus | In verschiedenen Abschnitten der Biosphäre 2 wachsen Pflanzen aus unterschiedlichen Klimazonen unter Glas.

Die lebensfeindlichste Umgebung

Der menschliche Körper verträgt den Weltraum alles andere als gut. Aufenthalte dort schädigen die DNA und erhöhen das Krebsrisiko, verändern das Mikrobiom, stören den Tag-Nacht-Rhythmus, beeinträchtigen die Sehkraft, verursachen Muskel- und Knochenschwund, hemmen das Immunsystem, schwächen das Herz und verlagern Flüssigkeiten in Richtung Kopf. Und das ist nicht alles.

An der University of California in San Francisco hat die Medizinerin Sonja Schrepfer zwei der typischen Krankheiten untersucht, die Säugetiere im Weltraum heimsuchen. Konkret ging es um Mäuse, die sich an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) aufgehalten hatten. Das erste Ergebnis: Die zum Gehirn führenden Blutgefäße versteifen sich in der Mikrogravitation. Schrepfer und ihr Team identifizierten einen Weg, auf dem sich diese kardiovaskulären Veränderungen auf molekularer Ebene verhindern lassen könnten. »Aber die Frage, die ich jetzt zu beantworten versuche, ist: Wollen wir das überhaupt?« Vielleicht ist die Verfestigung der Gefäßwände ein Schutzmechanismus, spekuliert die Medizinerin, und sie flexibler zu machen, könnte wiederum andere Probleme verursachen.

Zweitens möchte sie herausfinden, wie sich das Immunsystem der Astronauten unterstützen lässt. Infolge eines Aufenthalts im Weltraum arbeitet es träger als normalerweise, etwa bei der Reparatur von Gewebeschäden. »Das Immunsystem altert in der Mikrogravitation ziemlich schnell«, erklärt Schrepfer. Sie schickt biologische Proben von jungen, gesunden Menschen auf speziellen Gewebechips auf die ISS und lässt dort die Abbauprozesse nachstellen.

Zu den bedenklichen Nebenwirkungen gehören außerdem Sehprobleme: Wenn Astronauten einen Monat oder länger im Weltraum verbringen, flachen ihre Augäpfel ab. Das ist ein Aspekt des so genannten raumfahrtassoziierten neurookulären Syndroms und kann das Sehvermögen langfristig schädigen.

Künstliche Gravitation | Schon seit einem Jahrhundert gibt es Konzepte für Raumstationen, bei denen reifenförmige Abschnitte rotieren und mittels Zentrifugalkraft eine Beschleunigung erzeugen. Das würde negative Auswirkungen der Schwerelosigkeit bei langen Aufenthalten im Weltraum vermeiden. Die Idee hat längst Eingang in die Sciencefiction gefunden, aber praktische Umsetzungen wie in dieser Illustration stehen noch aus.

Knochen und Muskeln verändern sich ebenfalls. Sie sind auf ein Leben auf der Erde unter ständiger Belastung ausgelegt. Die Arbeit, die der Körper unentwegt beim Halten und Bewegen gegen die Schwerkraft leistet, verhindert, dass Muskeln verkümmern, und regt das Knochenwachstum an. Im Weltraum überwiegt ohne diese permanente Zugkraft schnell der Abbau – die Muskeln schrumpfen. Deshalb müssen Astronauten jeden Tag stundenlang trainieren und dabei spezielle Geräte benutzen, die einige der Wirkungen simulieren, die sonst der Erdboden übernehmen würde. Doch auch das verhindert nicht alle Verluste.

Ständiges Bombardement aus dem All

Die wohl größte medizinische Sorge bereitet allerdings die kosmische Strahlung. Sie ist für heutige Astronauten in einer niedrigen Erdumlaufbahn überschaubar. Bei weiteren und längeren Reisen aber wäre das Problem dramatischer. Ein Teil der Strahlung kommt von der Sonne, die ständig massenhaft Kerne von Wasserstoffatomen ausspuckt, vor allem bei Sonnenstürmen. Diese Protonen können die DNA schädigen. »Dabei kann man eine akute Strahlenerkrankung davontragen«, sagt Dorit Donoviel, Professorin für Raumfahrtmedizin am Baylor College of Medicine in Houston.

Künftige Astronauten könnten sich vor der Protonenstrahlung beispielsweise mit Wasser abschirmen, das in die Wände eines Schutzraums gepumpt wird. Doch Sonneneruptionen mit besonders starker Belastung kommen mitunter sehr plötzlich. »Wenn sich etwa bei einem Mondspaziergang ein solarer Teilchenauswurf ereignet, gibt es bis zum Eintreffen der Strahlung eine Vorwarnzeit von maximal 30 Minuten«, führt Donoviel aus. Das bedeutet, dass bessere Methoden zur Erkennung und Vorhersage solcher Ereignisse nötig sind und Astronauten immer in der Nähe von Rückzugsorten bleiben müssen.

Falls man nicht rechtzeitig in Sicherheit käme, träte zuerst Übelkeit ein. »Man würde sich in den Raumanzug erbrechen«, schildert Donoviel, »was rasch lebensbedrohlich werden kann.« Leicht würden die Lebenserhaltungssysteme beeinträchtigt oder die Atemwege verstopfen. Wegen zerstörter weißer und roter Blutkörperchen wäre das Gewebe Infektionen und Sauerstoffmangel ausgesetzt. Man wird müde, blutarm, stirbt möglicherweise. Nichts, was sich Kinder vorstellen, die später einmal Astronautin oder Astronaut werden wollen.

Wenn man sich jahrelang in einem Raumschiff oder auf der Oberfläche eines Planeten aufhält, erhöht sich das Krebsrisiko bedrohlich

Es existiert noch eine andere Form von Bombardement: die galaktische kosmische Strahlung, die selbst von viel Wasser nicht abgehalten wird. Diese Variante herumflitzender Partikel besteht aus sich schnell bewegenden Elementen, vor allem aus Wasserstoff, aber auch allen anderen üblichen Atomen des Periodensystems. Sie werden bei gewaltigen Himmelsereignissen wie Supernovae freigesetzt und bringen viel mehr Energie mit sich als ein einfaches Proton von der Sonne. »Wir können Astronauten nicht vollständig davor schützen«, sagt Donoviel. Und eine unvollständige Abschirmung verschlimmert das Problem sogar noch. Die Strahlen lösen beim Durchgang durch eine Barriere regelrechte Schauer weiterer Teilchen aus.

Die Dosis, die man von der galaktischen kosmischen Strahlung auf dem Weg zum Mars abbekäme, ist zu jedem Zeitpunkt zwar gering. Doch wenn man sich jahrelang in einem Raumschiff oder auf der Oberfläche eines Planeten aufhält, erhöht sich das Krebsrisiko bedrohlich.

Da eine Abschirmung der Astronauten nicht realistisch ist, erforscht Donoviels Institut, wie der Körper Strahlungsschäden besser reparieren kann, und entwickelt unter anderem chemische Verbindungen, die bei Wunden lokal auftretende DNA-Schäden beheben. »Üblicherweise machen sich die Leute Gedanken darüber, wie man Krebs am besten bekämpfen kann, wenn er erst einmal aufgetreten ist«, sagt die Raumfahrtmedizinerin. »Wir verfolgen einen präventiven Ansatz.«

Das Fleisch mag willig sein, aber der Geist ist schwach

Selbst wenn solche körperlichen Probleme behoben werden können, bleibt das Gehirn ein großer Schwachpunkt. Eine Übersichtsarbeit hat 2021 die psychischen Risiken dargelegt, denen Menschen auf ihrer Reise ausgesetzt wären. Die Grundlage bildeten gesammelte Forschungsergebnisse über echte und Analog-Astronauten. Die möglichen Probleme reichen von schlechter Emotionsregulation, verminderter Belastbarkeit, verstärkter Angst und Depression über Kommunikationsprobleme innerhalb des Teams bis hin zu Schlafstörungen und kognitiven sowie motorischen Funktionseinschränkungen auf Grund von Stress. Um eine Ahnung davon zu bekommen, warum solche Komplikationen auftreten, stellen Sie sich einfach vor, Sie säßen monatelang mit einigen anderen Personen in einer Art Blechbüchse in einer Tod bringenden Umgebung, ohne natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus, strukturiert nur durch einen monotonen Zeitplan, zu dessen Erfüllung eine ferne Missionskontrolle Sie ständig drängt.

So dramatisch die körperlichen und geistigen Folgen sein mögen, sie sind nicht einmal die unmittelbarsten Hürden auf dem Weg zu einer Siedlung im All. Das größere Problem sind die Kosten. Wer soll das alles bezahlen? Sogar ein milliardenschwerer Finanzier mit viel Abenteuerlust oder Altruismus (oder schlechtem Urteilsvermögen) wird keine komplette Weltraumkolonie aus dem Ärmel schütteln. Und ein zentrales Ziel gewinnorientierter Raumfahrtunternehmen ist es nun einmal, Geld zu verdienen.

Matthew Weinzierl untersucht an der Harvard Business School die ökonomischen Zusammenhänge in der Raumfahrt. Zusammen mit seinem Harvard-Kollegen Brendan Rousseau hat er versucht herauszufinden, wie groß die Nachfrage nach der Erforschung des Alls und nach Tätigkeiten außerhalb der Erde ist. »Das Angebot ist enorm gestiegen und die Kosten für Weltraumaktivitäten wurden gesenkt«, stellt Weinzierl fest. »Aber wer steht auf der anderen Seite?« Raumfahrtunternehmen sind seit jeher Insellösungen: Spezialisten mit einem Angebot für Spezialisten. Sie vermarkten keine Waren oder Dienstleistungen für die breite Öffentlichkeit. Selbst kommerzielle Firmen wie SpaceX bauen hauptsächlich auf staatliche Aufträge. Die Ideengeber haben auch nicht zwangsläufig detailliert die marktwirtschaftlichen Hintergründe durchdacht; oft sind sie einfach nur begeistert, dass die Raketen funktionieren. »Technische Machbarkeit ist nicht gleichbedeutend mit einem überzeugenden Business Case«, mahnt Rousseau.

Wenn sie nicht gerade Regierungsaufträge anstreben, zielen private Raumfahrtunternehmen heutzutage auf Touristen ab. Diese sind jedoch nicht durch dieselben Sicherheitsvorschriften geschützt, die für staatliche Astronauten gelten. Bereits ein einziger Unfall könnte der Todesstoß für die Branche Weltraumtourismus sein. Erschwerend kommt hinzu, dass wohl nur ein Bruchteil derjenigen, die über genügend Geld verfügen, an einem Ort wie dem Mars leben wollen – statt bloß einen Kurztrip knapp jenseits der Atmosphäre zu machen.

Der Weltraum, unrentable Weiten?

Menschen neigen dazu, die Erforschung des Alls mit dem Vorstoß zu neuen Grenzen auf der Erde zu vergleichen. Früher suchten Pioniere hier zum Beispiel nach Gold oder nach fruchtbarem Land. Auf anderen Welten kann man nicht sicher sein, lohnende Werte vorzufinden. »Wir müssen also ein wenig vorsichtig sein, wenn wir glauben, es würde sich schon irgendwie auszahlen«, betont Weinzierl.

Weinzierl und Rousseau finden die Idee einer dauerhaften menschlichen Präsenz im Weltraum durchaus inspirierend, bloß können sie nicht sagen, wann oder wie dies aus finanzieller Sicht funktionieren wird. Inspiration zahlt keine Miete. »Wir würden uns freuen, wenn es so weit kommt«, sagt Rousseau. Seiner Meinung nach dürfte es vielen so gehen. »Solange jemand anderes die Rechnung übernimmt.«

Dem würden wohl die meisten Steuerzahler zustimmen. So schwer es für Weltraumfans auch zu glauben ist: Kaum ein Mensch misst außerirdischen Abenteuern einen großen Nutzen bei. 2018 bat das US-Meinungsforschungsinstitut Pew einen Bevölkerungsquerschnitt darum, die Relevanz von neun der wichtigsten NASA-Missionen als »höchste Priorität«, »wichtig, aber mit geringerer Priorität« oder »nicht so wichtig / sollte nicht durchgeführt werden« zu bewerten. Lediglich 18 beziehungsweise 13 Prozent der Befragten hielten die Entsendung von Menschen zum Mars oder zum Mond für vorrangig. Damit sind solche Missionen hinsichtlich potenzieller Unterstützung die Schlusslichter. Deutlich mehr Zuspruch ernten Vorhaben zur Überwachung des Erdklimas, zur Suche nach gefährlichen Asteroiden und zur Grundlagenforschung allgemein. Die US-Umfragefirma Morning Consult ermittelte im Jahr 2020, dass nur sieben bis acht Prozent der Befragten der Meinung waren, die Entsendung von Menschen zum Mond oder Mars sollte höchste Priorität haben.

Die 1960er Jahre gelten als eine Ära der Begeisterung für die bemannte Raumfahrt, aber dem widersprechen Umfragen aus jener Zeit

Überraschenderweise lässt sich Ähnliches über die Anfänge der Monderkundung sagen. Zwar gelten die 1960er Jahre im Rückblick oft als eine Ära der allgemeinen Begeisterung für die bemannte Raumfahrt; dem widersprechen allerdings Umfragen aus jener Zeit, wie der Raumfahrthistoriker Roger Launius in einer 2003 veröffentlichten Analyse feststellte: »Während der 1960er Jahre glaubte eine Mehrheit der US-Amerikaner nicht, das Apollo-Programm sei die Kosten wert, mit der einzigen Ausnahme einer Umfrage, die zur Zeit der Mondlandung von Apollo 11 im Juli 1969 durchgeführt wurde.« Im Lauf des gesamten Jahrzehnts seien 45 bis 60 Prozent der US-Bevölkerung der Meinung gewesen, die Regierung gebe zu viel für die Raumfahrt aus. »Das deutet auf einen Mangel an Engagement für die Agenda hin.«

Entwicklungen für die Erde auf der Erde

Wenn Vertreter von Raumfahrtagenturen gefragt werden, weshalb man sich für die Erforschung des Weltraums interessieren sollte, antworten sie oft, es sei zum Nutzen der Menschheit. Manchmal zitieren sie Nebenprodukte, die ihren Weg zu alltäglichen Anwendungen finden, beispielsweise die Verbesserung der Laseraugenchirurgie durch Innovationen bei Teleskopspiegeln. Für die Kommunikationsexpertin und NASA-Beraterin Linda Billings ist dieses Argument jedoch nicht stichhaltig. Wenn man an der Förderung einer Technologie interessiert sei, schlägt sie vor, direkt in den privaten Sektor zu investieren – anstatt indirekt über eine Raumfahrtbehörde. Dort dauere die Entwicklung zwangsläufig länger, koste mehr und wäre nicht automatisch auf die irdische Nutzung zugeschnitten. »Meinem Eindruck nach liefert die NASA keine Belege dafür, dass die Besiedlung des Weltraums der Menschheit zugutekommen wird«, urteilt Billings.

Ob die Raumfahrt mit Steuergeldern unterstützt werden sollte, ist laut Brian Patrick Green von der Santa Clara University außerdem eine ethische Frage. Green begann sich für solche Zusammenhänge zu interessieren, als er als Lehrer auf den Marshallinseln arbeitete. Dort haben Atomwaffentests der USA dauerhafte Umwelt- und Gesundheitsschäden verursacht. Heute wird die pazifische Inselgruppe vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht, durch den wahrscheinlich große Teile der Infrastruktur überschwemmt, die Küsten erodiert und die nutzbaren Landflächen schrumpfen werden. »Das hat mein Interesse an den gesellschaftlichen Auswirkungen der Technologie geweckt«, sagt er.

Die womöglich wichtigste ethische Frage in der Raumfahrt ist die nach dem Warum: Was erreichen wir damit? Greens eigene vage Antwort lautet: »Es verdeutlicht unsere Handlungsfähigkeit – dass wir, wenn wir uns wirklich anstrengen, Ziele tatsächlich erreichen können. Es bringt Menschen zusammen.« Diese eher philosophischen Vorteile müssen jedoch gegen konkrete Kosten abgewogen werden. Ob es nun um sonstige Raumfahrtprojekte wie Erdüberwachung oder Sonden zu anderen Himmelskörpern geht oder um irdische Belange wie den Bau von bezahlbarem Wohnraum – viele Vorhaben können nicht stattfinden, wenn das Geld zum Mond, zum Mars oder nach Alpha Centauri fließt.

Selbst wenn ein Astronaut eine solche Mission übersteht, stellt sich die Frage, was für eine Art Existenz er dabei führt

Dazu kommt Green zufolge eine weitere Frage: »Sollten wir wirklich Menschen dorthin schicken?« Über das erhebliche Risiko für Krebs und weitere körperliche Schäden hinaus lauern im All ständig tödliche Gefahren. Und selbst wenn ein Astronaut eine solche Mission übersteht, stellt sich die Frage, was für eine Art Existenz er dabei führt. »Es ist eine Sache, einfach nur zu überleben«, wirft Green ein. »Es ist eine ganz andere, sein Dasein tatsächlich zu genießen. Wird der Mars zum Äquivalent einer Folterkammer?«

Außerdem müssen wir die Risiken für die Himmelskörper selbst berücksichtigen, und zwar sowohl für die, zu denen Menschen reisen, als auch für unsere Heimat, sofern es denn ein Rückfahrticket für die Entdecker gibt. So könnte der Mars durch Mikroorganismen kontaminiert werden, die sich bereits bei robotischen Missionen nur mit großem Aufwand und nie vollständig von den Komponenten entfernen lassen. Und wenn es irgendwo auf den anderen Welten unentdecktes Leben gibt, könnten extraterrestrische Mikroben mit den Astronauten oder der Ausrüstung zurückkehren – ein Risiko, das als Rückwärtskontamination bezeichnet wird.

Valles Marineris | Das gigantische Grabensystem auf dem Mars entstand wohl nicht durch Wasser, wie früher vermutet wurde. Dennoch könnte es auf dem Mars einst Ozeane gegeben haben, in denen sich Leben entwickelte, das sich in Nischen möglicherweise bis heute hält. Menschen könnten etwaige Mars-Ökosysteme kontaminieren – oder umgekehrt.

Fragwürdige Pionierromantik

Der Sciencefiction-Experte Gary Westfahl äußert grundsätzliche Zweifel am Wertegerüst, das hinter solchen Unternehmungen steht. In seinen umfangreichen Analysen des Genres ist er zu der Überzeugung gelangt, dass Sciencefiction-Utopien einer fehlerhaften Logik und Motivation unterliegen. 1997 veröffentlichte er den viel beachteten Essay »The Case against Space«. Über den Anstoß dazu berichtet er: »Ich stieß wieder und wieder auf dasselbe Argument: Die Raumfahrt ist das Schicksal der Menschheit.« Astronauten werden oft als mutiger dargestellt als diejenigen, die auf ihrem Heimatplaneten bleiben; sie sind diejenigen, die zivilisatorische Entwicklungen vorantreiben. »Aus philosophischer Perspektive wollte ich der Behauptung widersprechen, Entdecker seien die Besten und Klügsten der Menschheit und Fortschritt könne nur durch kühne Vorstöße in unbekanntes Gebiet erreicht werden«, resümiert Westfahl. Schließlich verbringen viele intelligente und produktive (ganz zu schweigen von glücklichen) Menschen ihr Leben nicht mit Davonlaufen. In seinem Beitrag erkannte er »keinen Zusammenhang zwischen Reisetätigkeit und Tugendhaftigkeit«. Im Gegenteil. Er schrieb: »Die Geschichte unserer Spezies deutet stark darauf hin, dass Fortschritt auf einem stabilen Leben auf der Erde basiert und dass ein umfangreiches Programm für einen Aufbruch in den Weltraum zu einer neuen Periode der menschlichen Stagnation führen wird.«

Konzept einer Mondbasis | Die Illustration zeigt mögliche Konstruktionen für einen dauerhaften Aufenthalt von Menschen auf dem Mond mit Solarzellen zur Energieversorgung, Gewächshäusern für Nahrungsmittel sowie Wohnbereichen, die von Hügeln aus Mondgestein gegen kosmische Strahlung und Einschläge kleiner Meteoriten geschützt werden.

In gewisser Weise steckt hinter der Raumfahrt zum Teil sogar ein Wunsch nach einem einfacheren Leben. Astronauten müssen bloß mit wenigen Menschen auskommen – eine geradezu dörfliche Lebensart. Sie müssen sich mit den Vorräten in der Nähe begnügen oder sich selbst versorgen, so wie es vor den Zeiten von Supermärkten und Internetbestellungen üblich war. Die Kommunikation mit Personen außerhalb ihres unmittelbaren Umfelds ist mühsam. Ihr Arbeitstag folgt einem strengen, aber überschaubaren und vorgeschriebenen Ablauf. Alles ist ein Kampf; es gibt keine Annehmlichkeiten. Anders als in einer modernen, digital vernetzten Umgebung zerstreut sich ihre Aufmerksamkeit nicht in viele Richtungen – sie sind auf die Gegenwart fokussiert.

So fühlte sich zumindest die Analog-Astronautin Ashley Kowalski aus Moskau während des Projekts SIRIUS-21. Zusammen mit einer internationalen Crew verbrachte sie im Rahmen einer gemeinsam von den USA und Russland simulierten Mondmission die Zeit zwischen November 2021 und Juli 2022 in einem abgeschlossenen Gebäudekomplex. Kowalskis Vortrag auf der Analog Astronaut Conference in der Biosphäre 2 trug den Titel »Only Eight Months«. Das Ziel dieser acht Monate war es, die medizinischen und psychischen Auswirkungen der Isolation zu untersuchen. Alle aus dem Team nahmen regelmäßig Blut-, Stuhl- und Hautproben, um Daten über ihren Stress, ihre Stoffwechselfunktionen und immunologische Veränderungen zu liefern. Ein weiterer Teil des Programms waren psychologische Tests, um die Zeitwahrnehmung, die kognitiven Fähigkeiten sowie Veränderungen bei den zwischenmenschlichen Beziehungen zu untersuchen. Auf dem Speiseplan stand Astronautennahrung: Pizza und Burger gab es nur in Tuben. Kowalski drückte die Paste in rehydrierte Suppe und machte die Mahlzeiten so herzhafter. Ein Gewächshaus lieferte etwas Salat zur Abwechslung – alle drei Wochen eine Schüssel voll, die sie sich zu sechst teilen mussten.

Natürlich vermisste Ashley Kowalski Freiheit, ordentliches Essen und Freunde. Doch die eigentliche Herausforderung bestand für sie darin, nach der Isolation in die reale Welt zurückzukehren: »Ein Wiedereintritt nicht etwa in die Atmosphäre, sondern auf den Planeten.« Sie hatte verlernt, mit Gesellschaft, Hobbys oder normaler Arbeit umzugehen. Plötzlich kamen Anfragen nicht mehr nur von der Missionskontrolle, sondern von vielen verschiedenen Seiten. In der Fragerunde nach dem Vortrag bedankte sich Tara Sweeney, eine Geologin aus dem Publikum, bei Kowalski dafür, dass sie über diese Erfahrungen gesprochen hatte. Sweeney war gerade von einer langen Forschungsreise in der Antarktis zurückgekehrt und wusste nicht so recht, wie sie sich wieder in das Leben an einem gastfreundlicheren Ort eingliedern sollte. So sehr beide das gewohnte Leben vermisst hatten, so schwer fiel es ihnen, es wieder aufzunehmen.

Dennoch herrschte bei der Veranstaltung weiter Optimismus vor. Einmal fragte die Konferenzinitiatorin Sian Proctor, die 2021 Pilotin beim ersten weltraumtouristischen Orbitalflug des Unternehmens SpaceX war: »Wie geht es weiter?« Sofort zeigten die Anwesenden nach oben und sagten: »Zum Mond!«

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  • Quellen

Arone, A. et al.:The burden of space exploration on the mental health of astronauts: A narrative review. Clinical Neuropsychiatry 18, 2021

Launius, R. D.:Public opinion polls and perceptions of US human spaceflight. Space Policy 19, 2003

Westfahl, G.:The case against space. Science Fiction Studies 24, 1997

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