Hirnforschung: Schlaf Dich frei!
Jeder weiß es: Regelmäßiger Schlummer ist lebenswichtig - er regeneriert unser Immunsystem, hilft dem Stoffwechsel und der Kreativität und festigt unser Gedächtnis. Wie das funktioniert, weiß niemand genau. Offenbar sind Aufräumarbeiten ein Schlüssel.
Ein Paradoxon leuchtet allen ein: Wir brauchen den Schlaf, um wirklich wach zu bleiben – aufnahmebereit, lernfähig und am Puls des Geschehens sind nur Ausgeschlafene. Irgendetwas sorgt demnach Nacht für Nacht während einer Phase der Bewusstlosigkeit dafür, aus müden, unkonzentrierten und lernschwachen Dösern wieder frische und wissbegierige Denker zu machen. Wie das im Einzelnen geschieht, versuchen Hirnforscher und Psychologen seit geraumer Zeit herauszufinden.
Dabei interessiert derzeit besonders die Basisarbeit der Gedächtnisleistung: Wann, wo, wie und weshalb werden verschiedene Neuronen im Gehirn neu verknüpft, um damit Gelerntes mehr oder weniger dauerhaft ins neuronale Archiv zu übertragen? Und welche Rolle spielen dabei die Zustände "Schlaf" und "Wachheit"? Klar wurde in den vergangen Jahren, dass Lerninhalte während des Schlummers konsolidiert, also gefestigt werden – einleuchtend also, auf der Suche nach "neuronalem Lernen" auf Prozesse zu achten, die während des Schlafes für Neuverknüpfungen von Nerven im Gehirn sorgen.
Allzu leichtfertig sollte man allerdings nicht zur Tat schreiten, glauben Giulio Tononi von der Universität Wisconsin und seine Kollegen, die eben diese Prozesse nun an Ratten genauer untersucht haben. Dabei warfen die Wissenschaftler einen Blick auf das Zusammenspiel von Löschen und Speichern – also nicht nur der Synapsenverstärkung zwischen Neuronen, sondern auch ihrem Abbau – und darauf, wo diese Prozesse bevorzugt nachts und tags ablaufen.
Verräterische Rezeptorzahl
Als Maßeinheit für Verstärkung und Schwächung der neuronalen Verbindungen diente ihnen die Häufigkeit eines bestimmten Rezeptors an den Nervenverknüpfungen. Dieser "GluR1-enthaltende AMPA-Rezeptor" (AMPAR) wird bekanntermaßen bei besonders stark interagierenden, also gut verknüpften Synapsen besonders häufig eingesetzt.
Und dies, so ermittelte Tononis Team nun durch penibles Auszählen der AMPAR-Verteilungen von Hirnschnitten, geschieht bei Ratten besonders häufig eben gerade nicht während des Schlafes, sondern im Gegenteil bei durchaus wachen Ratten am Tag; nachts sinkt die Dichte der Rezeptoren an Synapsen dann wieder.
Ein zweites Ergebnis untermauerte diesen Befund. Dazu hatten die Forscher die Phosphorylierung der AMPAR-Rezeptoren analysiert, was Aussagen über ihre Aktivität und damit die Arbeitsbelastung der Synapsen zulässt. Wie sich zeigte, waren tagsüber auch deutlich höhere Aktivitäten der zudem ja ohnehin höheren Zahl einzelner Synapsenverknüpfungen zu verzeichnen.
Bestätigt wird diese Erkenntnis zudem durch elektrophysiologischen Ableitungen der Hirnaktivität, die Tononi und seine Kollegen an wachen und schlafenden Tieren durchführten: Auch hier belegen die Daten, dass tags deutlich mehr synaptische Aufbauarbeit als nachts geleistet wird. Kurz, Tononi und Co glauben nach ihrer Experimentenserie geradezu das das Gegenteil von dem, was die Forschermehrheit bislang postuliert hatte: Bei der nächtlichen Gedächtniskonsolidierung werden im Nagergehirn in der Gesamtheit Neuronenverbindungen eher entflochten denn verknüpft. Die Aufgabe des Schlafes sei demnach gar nicht, erlernte Gedächtnisinhalte sicher abzuspeichern, sondern vielmehr die Synapsenmasse effizient zu verschlanken und auf neue Aufgaben vorzubereiten.
Alles anders herum?
Ganz revolutionär ist natürlich auf den zweiten Blick auch diese Auffassung nicht. Dass zumindest in manchen besonders plastischen Hirnregionen Synapsen auch wieder gelockert werden, war schließlich im Prinzip allen Hirnforschern klar. Eine elegante Erklärung könnten in diesem Zusammenhang am Ende Studien aus dem vergangenen Jahr liefern, die die bedeutende Rolle einer intensiv geführten Unterhaltung verschiedener Hirnareale untereinander während des Schlafes nahe legten. Bei diesem Hirndialog werden wohl einerseits nützliche Informationen des zurückliegenden Alltags aus kurzfristigen Tagesspeichern wie dem Hippokampus in langfristigere Speicherdatenbanken des Neokortex überspielt – was sich etwa in den nachweisbar nachts wandernden Hirnimpulse verraten könnte, die nachts vom einen zum anderen Areal fließen.
Andererseits bemerkten Hirnforscher aber eben auch eine mindestens ebenso intensive Informationsübermittlung in Gegenrichtung. Vielleicht sorgen diese nächtlichen Befehle vom Neokortex dafür, die vom Hippokampus tagsüber gespeicherten Gedächtnisinhalte vor Ort zu löschen und so den täglich neu dringend benötigten frischen Speicherplatz zu schaffen? Würden nun im Hippokampus mehr Synapsen wieder gelöst als im Neokortex geknüpft, so könnte dies Tononis am Gesamtgehirn gewonnene Bilanz durchaus erklären. Gut möglich also, dass nachts weder ausschließlich gespeichert noch tags nur gelernt wird oder auch umgekehrt. Wahrscheinlicher passiert eben beides, nur in unterschiedlicher Intensität in verschiedenen Hirnarealen mit unterschiedlicher Spezialisierung.
Dabei interessiert derzeit besonders die Basisarbeit der Gedächtnisleistung: Wann, wo, wie und weshalb werden verschiedene Neuronen im Gehirn neu verknüpft, um damit Gelerntes mehr oder weniger dauerhaft ins neuronale Archiv zu übertragen? Und welche Rolle spielen dabei die Zustände "Schlaf" und "Wachheit"? Klar wurde in den vergangen Jahren, dass Lerninhalte während des Schlummers konsolidiert, also gefestigt werden – einleuchtend also, auf der Suche nach "neuronalem Lernen" auf Prozesse zu achten, die während des Schlafes für Neuverknüpfungen von Nerven im Gehirn sorgen.
Allzu leichtfertig sollte man allerdings nicht zur Tat schreiten, glauben Giulio Tononi von der Universität Wisconsin und seine Kollegen, die eben diese Prozesse nun an Ratten genauer untersucht haben. Dabei warfen die Wissenschaftler einen Blick auf das Zusammenspiel von Löschen und Speichern – also nicht nur der Synapsenverstärkung zwischen Neuronen, sondern auch ihrem Abbau – und darauf, wo diese Prozesse bevorzugt nachts und tags ablaufen.
Verräterische Rezeptorzahl
Als Maßeinheit für Verstärkung und Schwächung der neuronalen Verbindungen diente ihnen die Häufigkeit eines bestimmten Rezeptors an den Nervenverknüpfungen. Dieser "GluR1-enthaltende AMPA-Rezeptor" (AMPAR) wird bekanntermaßen bei besonders stark interagierenden, also gut verknüpften Synapsen besonders häufig eingesetzt.
Und dies, so ermittelte Tononis Team nun durch penibles Auszählen der AMPAR-Verteilungen von Hirnschnitten, geschieht bei Ratten besonders häufig eben gerade nicht während des Schlafes, sondern im Gegenteil bei durchaus wachen Ratten am Tag; nachts sinkt die Dichte der Rezeptoren an Synapsen dann wieder.
Ein zweites Ergebnis untermauerte diesen Befund. Dazu hatten die Forscher die Phosphorylierung der AMPAR-Rezeptoren analysiert, was Aussagen über ihre Aktivität und damit die Arbeitsbelastung der Synapsen zulässt. Wie sich zeigte, waren tagsüber auch deutlich höhere Aktivitäten der zudem ja ohnehin höheren Zahl einzelner Synapsenverknüpfungen zu verzeichnen.
Bestätigt wird diese Erkenntnis zudem durch elektrophysiologischen Ableitungen der Hirnaktivität, die Tononi und seine Kollegen an wachen und schlafenden Tieren durchführten: Auch hier belegen die Daten, dass tags deutlich mehr synaptische Aufbauarbeit als nachts geleistet wird. Kurz, Tononi und Co glauben nach ihrer Experimentenserie geradezu das das Gegenteil von dem, was die Forschermehrheit bislang postuliert hatte: Bei der nächtlichen Gedächtniskonsolidierung werden im Nagergehirn in der Gesamtheit Neuronenverbindungen eher entflochten denn verknüpft. Die Aufgabe des Schlafes sei demnach gar nicht, erlernte Gedächtnisinhalte sicher abzuspeichern, sondern vielmehr die Synapsenmasse effizient zu verschlanken und auf neue Aufgaben vorzubereiten.
Alles anders herum?
Ganz revolutionär ist natürlich auf den zweiten Blick auch diese Auffassung nicht. Dass zumindest in manchen besonders plastischen Hirnregionen Synapsen auch wieder gelockert werden, war schließlich im Prinzip allen Hirnforschern klar. Eine elegante Erklärung könnten in diesem Zusammenhang am Ende Studien aus dem vergangenen Jahr liefern, die die bedeutende Rolle einer intensiv geführten Unterhaltung verschiedener Hirnareale untereinander während des Schlafes nahe legten. Bei diesem Hirndialog werden wohl einerseits nützliche Informationen des zurückliegenden Alltags aus kurzfristigen Tagesspeichern wie dem Hippokampus in langfristigere Speicherdatenbanken des Neokortex überspielt – was sich etwa in den nachweisbar nachts wandernden Hirnimpulse verraten könnte, die nachts vom einen zum anderen Areal fließen.
Andererseits bemerkten Hirnforscher aber eben auch eine mindestens ebenso intensive Informationsübermittlung in Gegenrichtung. Vielleicht sorgen diese nächtlichen Befehle vom Neokortex dafür, die vom Hippokampus tagsüber gespeicherten Gedächtnisinhalte vor Ort zu löschen und so den täglich neu dringend benötigten frischen Speicherplatz zu schaffen? Würden nun im Hippokampus mehr Synapsen wieder gelöst als im Neokortex geknüpft, so könnte dies Tononis am Gesamtgehirn gewonnene Bilanz durchaus erklären. Gut möglich also, dass nachts weder ausschließlich gespeichert noch tags nur gelernt wird oder auch umgekehrt. Wahrscheinlicher passiert eben beides, nur in unterschiedlicher Intensität in verschiedenen Hirnarealen mit unterschiedlicher Spezialisierung.
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