Direkt zum Inhalt

Mikroskopie: Schnappschuss der Zellteilung

Biologen haben ein Problem: Die interessantesten Teile einer Zelle bleiben ihnen bislang weit gehend verborgen, weil sie so klein sind, dass herkömmliche Lichtmikroskope sie nicht auflösen können. Ein neues Mikroskop schafft Abhilfe, indem es einen vom Scannen von Bildern bekannten Effekt nutzt, um das Auflösungsvermögen zu verdoppeln. An einem sich teilenden Zellkern offenbart es nun atemberaubende Details.
Zellkern einer Mauszelle
Der Physiker Ernst Abbe formulierte 1873 jenes Gesetz, das Biologen lange Zeit den Blick auf die kleineren Komponenten der Zelle verstellte: Eine Linse kann einen Lichtstrahl nicht zu einem Punkt bündeln, sondern nur zu einer Scheibe, deren Durchmesser etwa der halben Wellenlänge des Lichtes entspricht. Ein Mikroskop bildet deshalb Zellbestandteile, die innerhalb dieser Scheibe Platz finden, nicht als getrennte Objekte ab, sondern nur als einen verwaschenen Fleck.

Weil sichtbares Licht Wellenlängen zwischen 380 und 780 Nanometer (Millionstel Millimeter) aufweist, bleiben den Forschern Strukturen verborgen, die kleiner als 200 Nanometer sind – dazu gehören zum Beispiel Poren in der Hülle, die den Zellkern umgibt. Beim Stoffaustausch zwischen Zellkern und seiner Umgebung spielen diese selektierenden Tore eine entscheidende Rolle und sind daher für Biologen hochinteressant.

Überlistet

Forscher um John Sedat von der University of California in San Francisco und Heinrich Leonhardt von der Ludwigs-Maximilan-Universität in München haben das Abbesche Gesetz nun überlistet. Inspirieren ließen sie sich vom so genannten Moiré-Effekt, den jeder Computernutzer beim Scannen von gedruckten Bildern beobachten kann. Der Scanner verwandelt Bilder in ein regelmäßiges Gitter von Bildpunkten (Pixeln). Gedruckte Vorlagen bestehen jedoch selbst aus einem solchen Gitter. Wenn die beiden Raster gegeneinander gedreht sind, ergibt sich aus der Überlagerung ein neues Muster. Dieses Moiré-Muster hat eine gröbere Struktur als die zugrunde liegenden Gitter und ist deshalb mit bloßem Auge sichtbar.

Den Moiré-Effekt übertrugen die Forscher auf die Mikroskopie, indem sie einen Laserstrahl mit Hilfe eines so genannten Phasengitters aufspalteten und die Komponenten des Strahls so fokussierten, dass sie in der Probe wieder zusammenliefen. Die Überlagerung der Strahlen erzeugt in der Probe ein feines Interferenzmuster. Die für ein Mikroskop unsichtbare Struktur der Probe bildet eine Art Raster, das sich mit dem Interferenzmuster überlagert. Es entsteht ein Moiré-Muster, das groß genug ist, um mit einem herkömmlichen Mikroskop beobachtet zu werden. Die darin enthaltenen Information über die unsichtbaren Strukturen allerdings ähneln einer mathematischen Gleichung, die nicht lösbar ist, weil sie mehrere unbekannte Größen enthält.

Um dennoch an die verborgene Information zu gelangen, erzeugten die Forscher mehrere unterschiedliche Moiré-Muster, indem sie das Interferenzmuster veränderten und drehten. So erhielten sie gewissermaßen ebenso viele Gleichungen wie Unbekannte und konnten die Struktur der Probe rekonstruieren. Um zusätzlich auch ein dreidimensionales Bild zu erhalten, verschoben die Forscher das flache Interferenzmuster in der Höhe und erhielten so einen Stapel von Moiré-Mustern, der die 3-D-Information enthält.

Detailgenau

Das neue Verfahren nennen die Wissenschaftler 3-D-SIM (SIM = Structured Illumination Microscopy). Die Methode erreicht in der Ebene ein Auflösungsvermögen von 100 Nanometern und senkrecht dazu von 200 Nanometern. Somit bildet es in jeder Richtung doppelt so detailgenau ab wie ein herkömmliches Lichtmikroskop.

Zellkern im Detail | Ein Maus-Zellkern kurz vor der Teilung (Mitose). Die kondensierten Chromosomen (rot) sind vom Fasernetz der Kernlamina (grün) umhüllt. Dieses ist an zwei Stellen durch die sich bildende Mitose-Spindel eingedellt.
Die Probe aufs Exempel machten die Biologen in München mit dem Kern einer Mäusezelle. Unter dem Objektiv sahen sie Dinge, die bis dahin verborgen geblieben waren: Poren in der Hülle, welche den Kern umgibt, und zwei an entgegengesetzten Enden des Kerns liegende Einstülpungen, die entstehen, wenn sich seine Teilung anbahnt. "In diesen kraterähnlichen Vertiefungen liegen die so genannten Zentrosomen", erläutert Leonhardt. Sie wirken als Anker für die Proteinfäden, die während der Kernteilung die Hälften der Chromosomen in jeweils eine der neu entstehen Tochterkerne ziehen.

Unter der Kernhülle konnten die LMU-Forscher die Chromosomen erkennen, die sich während der Zellteilung verdichten und für die Verteilung auf Tochterzellen vorbereitet werden. Auf den Bildern sind Details der Chromosomen-Oberfläche gut zu erkennen. Zellkernhülle und Chromosomen lassen sich sehr gut unterscheiden, weil sie mit unterschiedlichen Farbstoffen eingefärbt wurden, die im Bild grün und rot erscheinen.

Darin bestehe eine Stärke des neuen Mikroskops, sagt Leonhardt: "Die Zellbestandteile können mit herkömmlichen Farbstoffen markiert und anschließend kann ein mehrfarbiges Bild gemacht werden, das mehrere Komponenten unterscheidbar macht." Darin unterscheide es sich von dem so genannten STED-Mikroskop, ein vor wenigen Jahren entwickeltes Lichtmikroskop, mit dem sich das Abbesche Limit noch weiter unterschreiten lässt als mit dem 3-D-SIM.

Farbstark

"Mit STED lässt sich zwar eine bessere Auflösung erzielen, man ist aber noch auf wenige, spezielle Farbstoffe begrenzt", sagt Leonhardt. "Derzeit sind 3-D-Bilder mit drei oder vier Farben in dieser hohen Auflösung nur mit 3-D-SIM möglich." Auch in der Elektronenmikroskopie, die wegen der kleineren Wellenlänge der Materiewellen von Elektronen wesentlich kleinere Details darstellen kann als Lichtmikroskope, ließen sich Proben nicht so aussagekräftig einfärben wie bei der 3-D-SIM-Methode, sagt Leonhardt.

Das neue Mikroskop aus Kalifornien ist ein Prototyp. In etwa einem Jahr könne es aber bereits ein kommerziell erhältliches 3-D-SIM-Mikroskop geben, meint Leonhardt. Auf längere Sicht wollen die Wissenschaftler das Verfahren so verbessern, dass sich Vorgänge in lebenden Zellen regelrecht filmen lassen.
  • Quellen
Schermelleh, L. et. al: Subdiffraction Multicolor Imaging of the Nuclear Periphery with 3-D Structured Illumination Microscopy. In: Science 320, S. 1332–1336, 2008.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.