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Sonnensystem: Überholt

Bonner Astrophysiker haben anhand der thermischen Strahlung den Durchmesser von Planetenkandidat "Xena" bestimmt. Demnach wäre 2003 UB313 um 700 Kilometer größer als Pluto und avancierte zum größten im Sonnensystem gefundenen Objekt nach der Entdeckung von Neptun im Jahre 1846.
Größenvergleich
Vor einem Jahr – im Januar 2005 – sorgten Mike Brown und seine Kollegen am California Institute for Technology für Furore: Die Forscher meldeten, in ihren Aufnahmen mit dem Samuel-Oschin-Teleskopein ein sich langsam bewegendes, punktförmiges Objekt gefunden zu haben. Dessen Geschwindigkeit erlaubte den Wissenschaftlern, seine Distanz und Orbitparameter zu bestimmen. Die Größe des neu entdeckten Kleinplaneten konnten sie jedoch nicht ermitteln, obwohl die optische Helligkeit nahe legte, dass 2004 UB313 – so der offizielle Name – mindestens so groß wie Pluto sein müsste. Sollte "Xena", so die landläufige Bezeichnung, ein zehnter Planet unseres Sonnensystems sein?

Wie Pluto gehört auch Xena zu den eisigen Objekten des Kuiper-Gürtels, die jenseits von Neptun um die Sonne kreisen. UB313 ist dabei das entfernteste jemals im Sonnensystem gefundene Objekt – es ist dreimal so weit von der Sonne entfernt wie Pluto und braucht doppelt so lange wie dieser, um das Zentralgestirn zu umkreisen – wofür er 560 Erdenjahre benötigt. Die Entfernung zu unserem Heimatplaneten beträgt 14,5 Milliarden Kilometer. Seine stark exzentrische Umlaufbahn bringt es 97 Mal so weit von der Sonne wie die Erde und fast zweimal weiter als der entfernteste Punkt in Plutos Orbit.

Seine optische Helligkeit ließ darauf schließen, das UB313 mindestens genau so groß wie Pluto ist. Eine genaue Größenbestimmung war bislang jedoch nicht möglich, da das Reflexionsvermögen dieses Kleinplaneten nicht bekannt war. So sehen wir im optischen Licht Objekte des Sonnensystems durch das von ihnen reflektierte Sonnenlicht. Ihre scheinbare Helligkeit hängt daher sowohl von ihrer Größe als auch vom Reflexionsvermögen ihrer Oberfläche ab. Letztere kann zwischen einigen und über fünfzig Prozent variieren, was eine genaue Größenbestimmung allein aus der optischen Helligkeit unmöglich macht.

IRAM 30-Meter-Radioteleskop | Um die Wärmestrahlung von UB313 zu messen, nutzten die Forscher das 30-Meter-Radioteleskop von IRAM auf dem Pico Veleta im Süden Spaniens und dessen hoch wärmesensible Kamera MAMBO-2, die von der Gruppe um Ernst Kreysa am Max-Plack-Institut für Radioastronomie entwickelt und gebaut wurde. IRAM (Institut de Radio Astronomie Millimétrique), das "Institut für Radioastronomie im Millimeterwellenbereich", wird gemeinsam von der Max-Planck-Gesellschaft, dem französischen CNRS und dem spanischen IGN (Instituto Geográfico Nacional) betrieben.
Doch jetzt ist es einem Astronomenteam der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) um Frank Bertoldi sowie Wilhelm Altenhoff gelungen, dieses Problem zu lösen. Durch die kombinierte Messung der von UB313 abgestrahlten Wärmeleistung sowie seiner optischen Helligkeit konnten die Wissenschaftler Reflektivität und Größe bestimmen. Sie benutzten dafür die wärmeempfindliche Bolometer-Kamera "MAMBO-2" am 30-Meter-Radioteleskop von IRAM (Institut de Radio Astronomie Millimétrique) in Spanien.

Bei der verwendeten Wellenlänge von 1,2 Millimetern ist die reflektierte Sonnenstrahlung vernachlässigbar, und die Helligkeit hängt nur noch von der Größe und Oberflächentemperatur des Objekts ab. Die Temperatur kann man gut aus der Distanz zur Sonne abschätzen, sodass sich die Objektgröße und das optische Reflexionsvermögen aus der von MAMBO gemessenen Helligkeit bestimmen lässt. Zudem können die Forscher daraus schließen, dass die Oberfläche von UB313 etwa sechzig Prozent der einfallenden Sonnenstrahlung reflektiert, was vergleichbar mit Plutos Reflexionsvermögen ist.

2003 UB313 im Vergleich | Die Größe von Xena (2003 UB313) im Vergleich zu Pluto, dem Erdmond sowie der Erde
Und ihre Messungen zeigen: Xena ist dicker als Pluto. 3000 Kilometer ermittelten die Forscher als Durchmesser des Planetenkandidaten und damit 700 mehr, als der neunte Planet zu Buche schlägt. "Da UB313 deutlich größer ist als Pluto", gibt Frank Bertoldi zu bedenken, "wird es zunehmend schwieriger, Pluto einen Planeten zu nennen, aber UB313 diesen Status zu verwehren."

"Es ist sehr aufregend, dass dieses Objekt im Sonnensystem größer ist als Pluto", freut sich Altenhoff. "Es beweist, dass Pluto, der ja eigentlich auch als Kuiper-Gürtel-Objekt gelten muss, kein so außergewöhnliches Objekt ist. Vielleicht gelingt es uns, noch weitere solch große Objekte zu finden, die uns dann Aufschlüsse über die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems erlauben."

"Da UB313 deutlich größer ist als Pluto, wird es zunehmend schwieriger, Pluto einen Planeten zu nennen, aber UB313 diesen Status zu verwehren"
(Frank Bertoldi)
1992 gelang es Astronomen erstmals, einen Kleinplaneten jenseits von Neptun und Pluto zu finden und damit eine damals fast 40-jährige Vorhersage der Astronomen Kenneth Edgeworth (1880-1972) und Gerard Kuiper (1905-1973) zu bestätigen, die einen Gürtel von kleinen Planeten oder Gesteinsbrocken jenseits von Neptun vermutet hatten.

Die im Kuiper-Gürtel beheimateten Objekte sind aus der Zeit der Entstehung des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren übriggeblieben. In ihren entfernten Umlaufbahnen blieben sie vom Säuberungseffekt der Großplaneten verschont, die ähnlich kleine Brocken aus dem inneren Sonnensystem verdrängt haben. Einige Objekte des Kuiper-Gürtels werden auch heute noch durch die Gravitationskraft von Neptun aus ihren entfernten Bahnen geworfen und besuchen zum Beispiel als Kometen das innere Sonnensystem.

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