News: Variationen im Zauberberg
Auch 120 Jahre nach seiner Entdeckung durch Robert Koch fordert Mycobacterium tuberculosis immer noch seinen Tribut. Genetische Variationen verschiedener Stämme des Tuberkulose-Erregers zeugen von seiner Anpassungsfähigkeit.
Als Thomas Mann im Jahr 1924 seinen "Zauberberg" veröffentlichte, in dem er dem morbiden Charme eines Lungensanatoriums ein literarisches Denkmal setzte, kam die Diagnose "Schwindsucht" häufig noch einem Todesurteil gleich. Der Erreger, Mycobacterium tuberculosis, war zwar seit 1882 durch Roberts Koch historische Entdeckung bekannt, wirksame Medikamente standen aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Form von Antibiotika zur Verfügung.
Seitdem gilt Turberkulose in den Industrieländern als immer noch bedrohliche, letztendlich aber beherrschbare Gefahr. In den Entwicklungsländern fordert sie jedoch nach wie vor ihren Tribut: Etwa zwei Milliarden Menschen infizieren sich jährlich mit dem Erreger, zwei Millionen überleben die Infektion nicht.
Aufgrund dieser immer noch akuten Bedrohung gehörte Mycobacterium tuberculosis auch zu den ersten Organismen, deren Erbgut es zu entziffern galt. Seit 1998 ist nun die Basenabfolge im Genom des Keims bekannt.
Den Genetikern liegt damit jedoch nur das Erbgut eines einzigen Referenzstammes des Tuberkelbakteriums vor; seine genetischen Variationen sind damit noch nicht erfasst. Doch gerade diese Abwandlungen sind es, die den Mikrobiologen Peter Small von der Stanford University brennend interessieren, verbergen sich hier doch wertvolle Informationen, wie das Bakterium im Laufe der Evolution die Abwehr seines Opfers immer wieder durchbrechen konnte.
Smalls Arbeitsgruppe hat sich daher die 2498 Tuberkulosefälle der Stadt San Francisco vorgenommen, die in den Jahren zwischen 1991 und 1999 gemeldet worden waren. Aus den von den damaligen Patienten entnommenen Bakterienkulturen konnten die Forscher 1802 Tuberkulosestämme isolieren. Hiervon wählten sie wiederum 100 Stämme aus, um deren Genom mitsamt ihren Variabilitäten zu analysieren.
Es zeigte sich, dass Mycobacterium tuberculosis durchaus zu solchen Variationen neigt: Von den über 4000 Genen des Bakteriums unterschieden sich 224 deutlich vom Referenzstamm. Teilweise fehlten ihnen längere Abschnitte; die betroffenen Gene konnten damit nicht mehr funktionsfähig sein.
Als sich Anthony Tsolaki aus Smalls Arbeitsgruppe die entsprechenden Gene näher anschaute, stellte er überrascht fest, dass es sich häufig um Bauanleitungen für den Stoffwechsel und die Atmung der Bakterien oder auch für Bestandteile der Zellwand handelte – also durchaus Produkte, die für ein Überleben des Bakteriums nicht ganz unwichtig sind [1].
Doch offensichtlich hatte dieser Mangel die Bakterienstämme nur wenig beeinträchtigt. Die Forscher vermuten, dass sich die Keime hiermit einen kurzfristigen Vorteil verschaffen, wirken doch die entsprechenden Proteine häufig als Antigene, an denen das menschliche Immunsystem die Eindringlinge erkennt. Durch den Verzicht entziehen sie sich der Abwehrfront ihres Opfers, wenn auch ihre Lebensfähigkeit auf längere Sicht eingeschränkt bleibt.
Die genetischen Variationen der Bakterien konnten aber auch etwas über ihre Herkunft erzählen. Denn die Patienten hatten die Krankheit aus 17 verschiedenen Ländern von vier Erdteilen nach San Francisco eingeschleppt. Und es zeigte sich, dass diese Patienten mit jeweils unterschiedlichen Stämmen infiziert waren. Insgesamt vier Gruppen, eine aus Südostasien, eine aus den Philippinen und zwei aus Nordamerika, konnte Aaron Hirsh, der ebenfalls im Labor von Peter Smalls forscht, voneinander unterscheiden [2].
Interessanterweise blieben die verschiedenen geografischen Stämme, die sich vermutlich vor mehreren hundert Jahren bereits getrennt haben, ihren jeweiligen ethnischen Wirten in dem Schmelztiegel San Francisco weitgehend treu. Die Forscher erklären dies mit der relativ geringen Ansteckungsgefahr von Tuberkulose – bedarf es doch schon eines direkten Kontakts mit einem Kranken, um sich über ausgeschiedene Tröpfchen zu infizieren. Da nun in San Francisco, wie in vielen Städten Amerikas, die verschiedenen ethnischen Gruppierungen in typischen Vierteln unter sich bleiben, gilt dasselbe für die Tuberkelbazillen: Sie grassieren hauptsächlich in einem Gebiet und springen nur selten auf eine andere Bevölkerungsgruppe über.
Seitdem gilt Turberkulose in den Industrieländern als immer noch bedrohliche, letztendlich aber beherrschbare Gefahr. In den Entwicklungsländern fordert sie jedoch nach wie vor ihren Tribut: Etwa zwei Milliarden Menschen infizieren sich jährlich mit dem Erreger, zwei Millionen überleben die Infektion nicht.
Aufgrund dieser immer noch akuten Bedrohung gehörte Mycobacterium tuberculosis auch zu den ersten Organismen, deren Erbgut es zu entziffern galt. Seit 1998 ist nun die Basenabfolge im Genom des Keims bekannt.
Den Genetikern liegt damit jedoch nur das Erbgut eines einzigen Referenzstammes des Tuberkelbakteriums vor; seine genetischen Variationen sind damit noch nicht erfasst. Doch gerade diese Abwandlungen sind es, die den Mikrobiologen Peter Small von der Stanford University brennend interessieren, verbergen sich hier doch wertvolle Informationen, wie das Bakterium im Laufe der Evolution die Abwehr seines Opfers immer wieder durchbrechen konnte.
Smalls Arbeitsgruppe hat sich daher die 2498 Tuberkulosefälle der Stadt San Francisco vorgenommen, die in den Jahren zwischen 1991 und 1999 gemeldet worden waren. Aus den von den damaligen Patienten entnommenen Bakterienkulturen konnten die Forscher 1802 Tuberkulosestämme isolieren. Hiervon wählten sie wiederum 100 Stämme aus, um deren Genom mitsamt ihren Variabilitäten zu analysieren.
Es zeigte sich, dass Mycobacterium tuberculosis durchaus zu solchen Variationen neigt: Von den über 4000 Genen des Bakteriums unterschieden sich 224 deutlich vom Referenzstamm. Teilweise fehlten ihnen längere Abschnitte; die betroffenen Gene konnten damit nicht mehr funktionsfähig sein.
Als sich Anthony Tsolaki aus Smalls Arbeitsgruppe die entsprechenden Gene näher anschaute, stellte er überrascht fest, dass es sich häufig um Bauanleitungen für den Stoffwechsel und die Atmung der Bakterien oder auch für Bestandteile der Zellwand handelte – also durchaus Produkte, die für ein Überleben des Bakteriums nicht ganz unwichtig sind [1].
Doch offensichtlich hatte dieser Mangel die Bakterienstämme nur wenig beeinträchtigt. Die Forscher vermuten, dass sich die Keime hiermit einen kurzfristigen Vorteil verschaffen, wirken doch die entsprechenden Proteine häufig als Antigene, an denen das menschliche Immunsystem die Eindringlinge erkennt. Durch den Verzicht entziehen sie sich der Abwehrfront ihres Opfers, wenn auch ihre Lebensfähigkeit auf längere Sicht eingeschränkt bleibt.
Die genetischen Variationen der Bakterien konnten aber auch etwas über ihre Herkunft erzählen. Denn die Patienten hatten die Krankheit aus 17 verschiedenen Ländern von vier Erdteilen nach San Francisco eingeschleppt. Und es zeigte sich, dass diese Patienten mit jeweils unterschiedlichen Stämmen infiziert waren. Insgesamt vier Gruppen, eine aus Südostasien, eine aus den Philippinen und zwei aus Nordamerika, konnte Aaron Hirsh, der ebenfalls im Labor von Peter Smalls forscht, voneinander unterscheiden [2].
Interessanterweise blieben die verschiedenen geografischen Stämme, die sich vermutlich vor mehreren hundert Jahren bereits getrennt haben, ihren jeweiligen ethnischen Wirten in dem Schmelztiegel San Francisco weitgehend treu. Die Forscher erklären dies mit der relativ geringen Ansteckungsgefahr von Tuberkulose – bedarf es doch schon eines direkten Kontakts mit einem Kranken, um sich über ausgeschiedene Tröpfchen zu infizieren. Da nun in San Francisco, wie in vielen Städten Amerikas, die verschiedenen ethnischen Gruppierungen in typischen Vierteln unter sich bleiben, gilt dasselbe für die Tuberkelbazillen: Sie grassieren hauptsächlich in einem Gebiet und springen nur selten auf eine andere Bevölkerungsgruppe über.
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