Neurologie: Verborgen verwirren
Ratgeber für Schwangere gibt es viele, und in allen finden sich sicher drei Merksätze: keine Zigaretten, kein Alkohol, kein Katzenklo säubern - denn dort könnte ein kleiner Erreger lauern, der Mutter und Kind gefährlich werden kann. Sonst halten medizinische Ratgeber den recht häufigen Parasiten aus dem Stubentigerkot aber für harmlos. Vielleicht ein Irrtum.
So ist das mit viel berühmteren Verwandten: Keiner würdigt die eigene Leistung. Das ging auch Toxoplasma gondii lange Zeit so, einem entfernten Vetter der Malariaerreger. Der recht häufige Katzenparasit, der üblicherweise über Mäuse und andere Kleintiere von Wirt zu Wirt übertragen wird, ist kein echter Gegner für das Immunbollwerk eines gesunden, gut ernährten Mitteleuropäers. Auch wenn sich der Schmarotzer durchaus in den Menschen verirren kann: Unsereins kommt mit dem Parasiten über Katzenkot, gepaart mit mangelnder Hygiene, oder halbgares, kontaminiertes Fleisch von allerlei Tieren gar nicht so selten in Berührung.
Insgesamt also Mahnung zur Vorsicht im Spezialfall – und dann Entwarnung? Dagegen mehren sich Stimmen, die beunruhigende Korrelationen in Feld führen: Jahre nach einer niedergerungenen akuten Toxoplasma-Infektion scheint etwa das Risiko einer Hirnhautentzündung zu steigen. Überraschend viele ehemalige Toxoplasmose-Opfer zeigen auch viel später auffällige psychische Veränderungen bis hin zu Schizophrenie-Symptomen, plötzliche Abstürze ihres IQ-Werts und psychomotorische Ausfälle, wie eine Reihe von Studien nahe zu legen scheinen. Steckt hinter all dem eine latent verschleppte Toxoplasmose? Verursacht der Befall vielleicht chronische neurologische Spätfolgen? Sind also sechzig bis achtzig Prozent aller Europäer gefährdeter als gedacht?
Auf Umwegen näherten sich nun Joanne Webster und ihre Kollegen von der Universität Oxford einer Antwort. Die Forscher untersuchen seit Jahren die Folgen einer Toxoplasma-Infektion bei Mäusen: Hier, in seinem eigentlichen Zwischenwirt, manipuliert der Parasit den unfreiwilligen tierischen Gastgeber kräftig in seinem Sinn – wozu im Wesentlichen gehört, sich möglichst schnell von einer Katze verspeisen zu lassen. Dazu programmiert Toxoplasma im Gehirn der Nager ein paar wesentliche Dinge um, wie das Oxforder Forscherteam zeigen konnte: Infizierte Maus-Zwischenwirte zeigen eine plötzliche – und eindeutig selbstzerstörerische – Vorliebe für ihren samtpfötigen Feind. Offenbar schaltet der Parasit etwa die angeborene Abneigung der Mäuse gegen Katzengeruch ab und macht den Zwischenwirt zudem in freiem Feld ohne Deckung deutlich weniger scheu als üblich – also zum suizidalen Amokläufer.
So weit, so gut für Katzen und Parasiten. Nun wurden Webster und Kollegen auf Untersuchungen aufmerksam, die eine weitere Verbindung zwischen Toxoplasmose und Schizophrenie nahe legen: Die Parasiten sind in Zellkulturen nicht nur extrem anfällig für verschiedene gut wirksame Parasitenmedikamente, sie stellen zudem ihre Vermehrung ein, wenn sie mit Mitteln in Berührung kommen, die als Antipsychotika auch gegen Schizophrenie eingesetzt werden. Was bewirken wohl diese Medikamente bei den verhaltensauffälligen Toxoplasmose-Mäusen?
Die Forscher testeten mit ihrem infizierten, katzenliebenden Mausstamm – und konstatieren, dass behandelte Mäuse ihre suizidale Katzenliebe ad acta legen und sich wieder weit gehend normal verhalten. Damit liegt der schon verdichtete Verdacht noch näher, dass zwischen einer latenten, lang zurückliegenden Toxoplasma-Infektion bei Menschen und Schizophrenie ein Zusammenhang besteht: Die mehr oder minder erfolgreich eingesetzten Schizophrenie-Medikamente beenden vielleicht schlicht den Einfluss latent verbliebener, chronischer Toxoplasmose-Erreger.
Sichtbares Zeichen des Zusammenhangs ist auch, dass sich bei Behandlung die Pegel von Neurotransmittern wie Dopamin, Serotonin oder Norepinephrin wieder auf normale Werte einpendeln: Diese geraten – im Licht der neuen Erkenntnisse kaum ein Zufall – sowohl bei Schizophrenie als auch bei einer akuten Toxoplasmose aus dem Lot.
Auch wenn vielleicht nicht jeder Schizophreniefall auf eine lang zurückliegende, verschleppte Toxoplasma-Infektion zurückzuführen ist – einen Gedanken an diese Möglichkeit zu verschwenden, kann wohl wirklich nicht schaden. Und vielleicht lässt sich, so die Hoffnung, bald nicht nur Maus-Toxoplasmose mit menschlichen Schizophrenie-Medikamenten bekämpfen, sondern auch Schizophrenie mit Waffen gegen den Parasiten. Das wäre dann vielleicht schlecht für Katzen und Schmarotzer – aber gut nicht nur für die Labormäuse in Oxford.
Nach der Infektion aber, so dachte man bislang, beginnt eine ungleiche Schlacht gegen den fehlgelaufenen Erreger, die von Homo sapiens stets siegreich geschlagen wird. Alte Antikörperreste gegen den niedergekämpften Parasiten zeugen davon: Sie finden sich in acht von zehn Franzosen und sechs von zehn Deutschen und schützen die Träger vor späteren Attacken des Schmarotzers. Erstzunehmen ist der Toxoplasma-Kontakt höchstens dann, wenn sich eine werdende Mutter im letzten Drittel der Schwangerschaft erstmals mit dem Erreger ansteckt: Dieser kann dann auf das Kind übergreifen und es schädigen. Höchstens Erwachsene mit geschwächter Abwehrkraft – etwa durch die Einnahme immunsuppressiver Medikamente – kann Toxoplasma sogar töten.
Insgesamt also Mahnung zur Vorsicht im Spezialfall – und dann Entwarnung? Dagegen mehren sich Stimmen, die beunruhigende Korrelationen in Feld führen: Jahre nach einer niedergerungenen akuten Toxoplasma-Infektion scheint etwa das Risiko einer Hirnhautentzündung zu steigen. Überraschend viele ehemalige Toxoplasmose-Opfer zeigen auch viel später auffällige psychische Veränderungen bis hin zu Schizophrenie-Symptomen, plötzliche Abstürze ihres IQ-Werts und psychomotorische Ausfälle, wie eine Reihe von Studien nahe zu legen scheinen. Steckt hinter all dem eine latent verschleppte Toxoplasmose? Verursacht der Befall vielleicht chronische neurologische Spätfolgen? Sind also sechzig bis achtzig Prozent aller Europäer gefährdeter als gedacht?
Auf Umwegen näherten sich nun Joanne Webster und ihre Kollegen von der Universität Oxford einer Antwort. Die Forscher untersuchen seit Jahren die Folgen einer Toxoplasma-Infektion bei Mäusen: Hier, in seinem eigentlichen Zwischenwirt, manipuliert der Parasit den unfreiwilligen tierischen Gastgeber kräftig in seinem Sinn – wozu im Wesentlichen gehört, sich möglichst schnell von einer Katze verspeisen zu lassen. Dazu programmiert Toxoplasma im Gehirn der Nager ein paar wesentliche Dinge um, wie das Oxforder Forscherteam zeigen konnte: Infizierte Maus-Zwischenwirte zeigen eine plötzliche – und eindeutig selbstzerstörerische – Vorliebe für ihren samtpfötigen Feind. Offenbar schaltet der Parasit etwa die angeborene Abneigung der Mäuse gegen Katzengeruch ab und macht den Zwischenwirt zudem in freiem Feld ohne Deckung deutlich weniger scheu als üblich – also zum suizidalen Amokläufer.
So weit, so gut für Katzen und Parasiten. Nun wurden Webster und Kollegen auf Untersuchungen aufmerksam, die eine weitere Verbindung zwischen Toxoplasmose und Schizophrenie nahe legen: Die Parasiten sind in Zellkulturen nicht nur extrem anfällig für verschiedene gut wirksame Parasitenmedikamente, sie stellen zudem ihre Vermehrung ein, wenn sie mit Mitteln in Berührung kommen, die als Antipsychotika auch gegen Schizophrenie eingesetzt werden. Was bewirken wohl diese Medikamente bei den verhaltensauffälligen Toxoplasmose-Mäusen?
Die Forscher testeten mit ihrem infizierten, katzenliebenden Mausstamm – und konstatieren, dass behandelte Mäuse ihre suizidale Katzenliebe ad acta legen und sich wieder weit gehend normal verhalten. Damit liegt der schon verdichtete Verdacht noch näher, dass zwischen einer latenten, lang zurückliegenden Toxoplasma-Infektion bei Menschen und Schizophrenie ein Zusammenhang besteht: Die mehr oder minder erfolgreich eingesetzten Schizophrenie-Medikamente beenden vielleicht schlicht den Einfluss latent verbliebener, chronischer Toxoplasmose-Erreger.
Sichtbares Zeichen des Zusammenhangs ist auch, dass sich bei Behandlung die Pegel von Neurotransmittern wie Dopamin, Serotonin oder Norepinephrin wieder auf normale Werte einpendeln: Diese geraten – im Licht der neuen Erkenntnisse kaum ein Zufall – sowohl bei Schizophrenie als auch bei einer akuten Toxoplasmose aus dem Lot.
Auch wenn vielleicht nicht jeder Schizophreniefall auf eine lang zurückliegende, verschleppte Toxoplasma-Infektion zurückzuführen ist – einen Gedanken an diese Möglichkeit zu verschwenden, kann wohl wirklich nicht schaden. Und vielleicht lässt sich, so die Hoffnung, bald nicht nur Maus-Toxoplasmose mit menschlichen Schizophrenie-Medikamenten bekämpfen, sondern auch Schizophrenie mit Waffen gegen den Parasiten. Das wäre dann vielleicht schlecht für Katzen und Schmarotzer – aber gut nicht nur für die Labormäuse in Oxford.
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