Blut saugende Krankheitsüberträger: Kampf den Zecken
An einem lauen Tag Ende Juni wartet Scott Williams darauf, dass die kleine Weißfußmaus der Art Peromyscus leucopus einschläft. Der Wildbiologe von der landwirtschaftlichen Versuchsstation in Connecticut in New Haven hatte sie gerade aus einer der Fallen genommen und in die Tasche mit einem in Betäubungsmittel getränkten Wattebausch gesetzt. Als sich die Atmung der Maus verlangsamt und Williams nur noch einen Atemzug pro Sekunde zählt, entnimmt er ihr Blut, wiegt sie, befestigt eine Ohrmarke zur späteren Identifizierung und untersucht sie auf Zecken – alle mit Blut vollgesogenen Parasiten werden für später aufgehoben. Er muss sich beeilen, denn die Maus wird in etwa zwei Minuten wieder aufwachen und könnte dann sehr gereizt sein.
Williams ist Wissenschaftler und beschäftigt sich mit mit Borrelia burgdorferi infizierten Zecken, sprich den Überträgern der Lyme-Borreliose. Er untersucht, ob sich der Anteil von infizierten Zecken reduzieren lässt, indem man deren Wirtsmäuse gegen die Bakterien impft. Borrelia burgdorferi löst Borreliose aus, und die Gesundheitsbehörden verfolgen die Untersuchungen mit großem Interesse. Der US-Bundesstaat Connecticut hat landesweit eine der höchsten Borrelioseraten, und Juni ist die Hauptübertragungszeit. Nach Schätzungen der US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta in Georgia infiziert Borrelia burgdorferi in den USA jährlich etwa 329 000 Menschen. Und obwohl sich die meisten sofort behandelten Patienten schnell wieder erholen – Williams selbst hatte schon dreimal Borreliose –, so zeigt doch ein Fünftel langfristige und potenziell lebensbedrohliche Symptome, einschließlich Herzproblemen, Seh- und Gedächtnisstörungen und kraftzehrenden Gelenkschmerzen.
Williams verfolgt eine von mehreren neuen Strategien zur Eindämmung der durch Zecken übertragenen Krankheiten. Ansätze wie die Impfung von Mäusen zielen auf die den Erreger beiläufig weitergebenden Wildtiere und sollen den ökologischen Kreislauf unterbrechen. Impfstoffe für den Menschen sollen direkt vor der Infektion schützen. Bei einem anderen, eher radikalen Ansatz sollen die Zecken daran gehindert werden, Mensch und Tier überhaupt zu stechen. Letztendlich ist das Ziel, die Ausbreitung Dutzender von Erkrankungen in den USA, Europa, Afrika und Asien zu verhindern.
Alles in allem sind neue Lösungen gefragt, weil der Erfolg der bisher empfohlenen Maßnahmen laut wissenschaftlichen Studien doch sehr unterschiedlich ist, sei es die Anwendung von Pestiziden oder die Kontrolle der Hirschpopulation als wichtiger Wirt der adulten Zecken. Auch für die berühmten alltäglichen Schutzmaßnahmen gibt es keinen evidenzbasierten Nachweis einer Wirksamkeit. "Wir fordern die Leute zwar auf, Insektenschutzmittel aufzutragen, ihren Körper auf Zecken abzusuchen und nach dem Aufenthalt im Freien zu duschen – aber eigentlich zeigen nur wenige Studien, dass sich hierdurch die Erkrankungsfälle wirklich reduzieren lassen", erklärt Ben Beard, der Leiter der Abteilung für bakterielle Erkrankungen im Fachbereich vektorgebundene Erkrankungen der CDC.
Der fast perfekte Ansturm der Zecken
Von Zecken übertragene Krankheiten sind rund um den Globus auf dem Vormarsch, angeheizt durch Faktoren wie Klimaveränderung und Ausbreitung des Menschen in ländliche Gegenden. Die häufigste dieser Erkrankungen ist die Lyme-Borreliose: Die Fälle haben sich seit 1992 in den USA verdreifacht, auch wenn ein Teil des zahlenmäßigen Anstiegs vielleicht eher auf ein gewachsenes Bewusstsein in der Bevölkerung zurückzuführen ist. Borreliose wird auch in Teilen Europas, der Mongolei und China zunehmend zum Problem; doch so schlimm das ist – mehr Unheil droht, weil in manchen Teilen Afrikas, im Nahen Osten, in Asien und Südeuropa die Zecken noch Krim-Kongo-Fieber verbreiten, das in 40 Prozent aller Fälle tödlich verläuft. Darüber hinaus ist in einigen Gebieten des Senegal jeder 20. Bewohner von dem durch Zecken übertragenen Rückfallfieber betroffen. In den USA verbreiten Zecken mindestens 16 verschiedene Erkrankungen, einschließlich Anaplasmose, Babesiose, Ehrlichiose und Rocky-Mountains-Fleckfieber. Laut Beard handelt es sich bei allen um "schwer wiegende, lebensbedrohliche Infektionen", und viele nehmen stärker zu als die Borreliose. Die amerikanische Entomologische Gesellschaft sprach sich im Juli für eine nationale Strategie zum Kampf gegen zeckenübertragene Erkrankungen aus. "Das neuerliche Zusammenkommen von umweltabhängigen, ökologischen, soziologischen und demografischen Faktoren hat zu einem 'fast perfekten Ansturm' der Zecken geführt, was sich in der gestiegenen Zahl und der größeren Verbreitung in Nordamerika äußert."
Kampf im Verborgenen
Williams kennzeichnet die betäubte Maus, wiegt sie und lässt sie gerade rechtzeitig vor dem Aufwachen frei. Sie hatte keine Zecken, die er im Labor nutzen könnte. Aber ihm werden sich andere Gelegenheiten bieten: 32 Haushalte in Connecticut haben sich bereit erklärt, auf ihrem Grundstück Mausefallen aufzustellen, und einige werden auch Material zur Impfung der Nager erhalten. Ziel der Aktion ist es, dass immer weniger Mäuse und Zecken mit Bakterien infiziert sind.
Dieser Plan ist recht unkonventionell im Vergleich zu den meisten anderen Maßnahmen zur Borreliose-Kontrolle, die sich eher auf Weißwedelhirsche (Odocoileus virginianus) konzentrieren. Deren Population war im letzten Jahrhundert in einer ganzen Reihe von US-Staaten fast explodiert, weil es durch die Ausbreitung des Menschen immer weniger zusammenhängende Waldstücke gab und die großen Fressfeinde der Hirsche mehr oder weniger ausgerottet wurden. Adulte Hirschzecken (Ixodes scapularis) ernähren sich und ihre Nachkommen normalerweise vom Blut der Hirsche, und viele Wissenschaftler dachten, man könne die Borreliose am besten durch deren Ausrottung loswerden. Doch all die Bemühungen zeigten nur "extrem vereinzelt Erfolge", sagt der Krankheitsökologe Richard Ostfeld vom Cary Institute of Ecosystem Studies in Millbrook in New York, der schon seit Jahrzehnten an zeckenübertragenen Erkrankungen arbeitet.
So wurde in den 1980er Jahren in einem Projekt des Epidemiologen Sam Telford von der Tufts University in North Grafton in Massachusetts die Hirschpopulation von Great Island auf Cape Cod um 50 Prozent reduziert – die Zahl der Zecken sank dabei nicht, dagegen stieg die Zahl der Zeckenlarven auf der Insel sogar noch an. Laut Ostfeld sind deshalb wohl gar nicht so viele Hirsche zur Erhaltung einer großen Zeckenpopulation nötig. Wenn es weniger Hirsche gibt, können die Plagegeister anscheinend weiter in den übrigen Hirschen überleben oder sie finden andere Wirtstiere. Erst als damals fast alle Hirsche von Great Island eliminiert waren, ging die Zeckenzahl wesentlich zurück. Für Telford war es "ein Albtraum, die Hirschpopulation so zu dezimieren", und ganz abgesehen davon wäre dieses Vorgehen praktisch nur auf einer Insel und sonst nirgendwo durchführbar.
Problemfall Maus
Ostfeld und andere Wissenschaftler sehen die Mäuse als treibenden Faktor sowohl der Zecken als auch der Erkrankung. Mäuse wie auch Hirsche breiten sich in zerstreuten Waldlandschaften aus, zum Teil weil ihre Fressfeinde wie Fuchs und Opossum verdrängt werden. Die Zecken überleben dann auf den Mäusen mit ihren langen Barthaaren: Wie Studien zeigen, haben die Zeckenlarven auf Mäusen eine Überlebenschance von 50 Prozent, auf Opossums dagegen nur von 3,5 Prozent.
Und genau auf diesen Mäusen nehmen die Zecken normalerweise B. burgdorferi auf, wobei sich die meisten Mäuse in Borreliose-Endemiegebieten schon in jungem Alter infizieren. Aus welchen Gründen auch immer gelten die Mäuse als besonders gute Überträger der Bakterien auf die Zecken. Fast alle Zecken infizieren sich beim Blutsaugen an Weißfußmäusen, an Hirschen ist es nur ein Prozent. Somit könnte die Unterbrechung des Infektionszyklus von Zecke und Maus die Gefahren wesentlich verringern, meint Ostfeld.
Dem stimmt Maria Gomes-Solecki zu, die als medizinische Mikrobiologin am University of Tennessee Health Science Center in Memphis arbeitet und die Mausvakzine entwickelte, die Williams nun testet. Der Impfstoff regt bei den Mäusen die Bildung von Antikörpern gegen das Oberflächenprotein A (OspA) an, das von B. burgdorferi im Darm der Zecken gebildet wird. Wenn die Maus den Impfstoff aufnimmt, produziert sie Antikörper gegen OspA. Wenn nun eine Zecke das Blut dieser Maus saugt, greifen die mitaufgesaugten Antikörper die Bakterien im Zeckendarm an und eliminieren sie. Weil sich so der Anteil an mit B. burgdorferi infizierten Zecken verringert, sinkt ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass die nächste Generation von Mäusen den Parasiten aufnimmt, auch wenn die Tiere selbst gar nicht geimpft sind.
Ostfeld und seine Kollegen berichteten schon im Jahr 2014 von den ersten Feldversuchen mit Gomes-Soleckis Impfstoff. Nach fünf Jahren hatten zwar nur 28 Prozent der Mäuse im behandelten Gebiet ausreichend OspA-Antikörper gebildet, doch die Prävalenz infizierter Hirschzecken-Nymphen (des Lebensstadiums zwischen Larve und adultem Tier) war um 75 Prozent gesunken. Die Ködervakzine ist auch deshalb interessant, weil sie ökologisch weniger destruktiv ist als andere Strategien. Es werden keine Tiere – nicht einmal Zecken – getötet, sondern nur die Pathogene.
Gomes-Solecki hat die Zulassung der Vakzine mit Hilfe der von ihr gegründeten Firma US Biologic in Memphis erreicht und hofft auf Hausbesitzer, die Boxen mit Durchgangsköder für die Mäuse in ihrem Garten aufstellen. Die lokalen Behörden könnten die Fallen zudem in Parks und Wäldern verteilen, wie sie das auch mit Ködervakzinen gegen Tollwut bei Waschbären und Kojoten tun, schlägt sie vor. "Die kleinen Nager scheinen die Köder zu lieben", sagt Williams über die Impfstoff-Leckerbissen, und einer seiner Kollegen nennt sie liebevoll "Pommes frites für Mäuse".
"Ein Fiasko des öffentlichen Gesundheitswesens"Stanley Plotkin
Andere Forscher wollen eher direkt den Menschen vor Borreliose schützen, idealerweise mit einem Humanimpfstoff. So auch Stanley Plotkin. Sein Sohn war 35 Jahre alt, als er an Borreliose erkrankte; doch wie häufig bei diesen Infektionen, wurde sie vom Arzt nicht als solche diagnostiziert, und der junge Mann blieb monatelang ohne Behandlung. Die Bakterien drangen in sein Herz ein, und eines Tages brach er einfach zusammen, als er gerade seinen Hund ausführte. Plotkin ist inzwischen emeritierter Professor von der University of Pennsylvania in Philadelphia, doch er erinnert sich noch gut, wie die Herzfrequenz seines Sohns gefährlich niedrig war, als die Rettungssanitäter kamen. Sein Sohn hat sich inzwischen wieder erholt, und Plotkin hat diese Erfahrung "stärker von einer Humanvakzine überzeugt – wenn das überhaupt nötig war", sagt er. Dass es keinen Impfstoff gegen Borreliose gibt, sieht er als "Fiasko des öffentlichen Gesundheitswesens".
Plotkin arbeitete schon in den 1990er Jahren an einer Vakzine, doch letztendlich wurde 1998 das Konkurrenzprodukt LYMErix der Pharmafirma SmithKline Beecham (inzwischen GlaxoSmithKline) von der US-Gesundheitsbehörde FDA zugelassen. Der Impfstoff hatte in klinischen Studien das Risiko für Lyme-Borreliose durch einen amerikanischen Borrelia-Stamm um 76 Prozent gesenkt. Doch es gab von Anfang an Probleme mit dem Impfstoff, für den es erst nur halbherzige Unterstützung durch die US-Behörden gab und der nur für den Personenkreis zwischen 15 und 70 Jahren und nur für Endemiegebiete empfohlen wurde. Dann gab es einige Beschwerden und Anklagen gegen das Unternehmen wegen Nebenwirkungen im Autoimmunbereich wie Arthritis, woraufhin LYMErix im Jahr 2002 von der Firma freiwillig vom Markt genommen wurde – für Plotkin war das ein Fehler: "Der Impfstoff war sicher", kommentiert er.
Inzwischen sind die Sicherheitsstudien für eine neue und möglicherweise verbesserte Vakzine abgeschlossen. Der neue Impfstoff wurde von Wissenschaftlern der Stony Brook University und des Brookhaven National Laboratory in New York entwickelt, Baxter Innovations aus Wien erwirkte die Zulassung. Er ist LYMErix ähnlich und zielt auch auf OspA. Allerdings enthält er nicht das Proteinsegment, das Forscher und Betroffene im Zusammenhang mit den Autoimmunreaktionen im Verdacht haben. Der Impfstoff enthält auch mehrere OspA-Varianten und schützt damit gegen viele Borrelia-Arten, einschließlich der in Europa relevanten Bakterienspezies, die alle Borreliose im Menschen auslösen.
Trotzdem ist die Zukunft des Impfstoffs unsicher, denn Pfizer kaufte im Jahr 2014 zwar die Rechte für viele Baxter-Impfstoffe, jedoch nicht für den gegen Lyme-Borreliose. Baxter steht nun in Verhandlungen mit dem Unternehmen Great Plains Biotechnology in Roca, Nebraska, welches Interesse an Kauf und Entwicklung eines entsprechenden Impfstoffs zeigt.
Der Mikrobiologe und Impfstoffexperte Richard Marconi von der Virginia Commonwealth University in Richmond glaubt, mit seinen Kollegen an einer noch besseren Vakzine zu arbeiten. Der Nachteil eines OspA-Impfstoffs ist nämlich die ständig nötige Auffrischung der Impfung, weil die OspA-Antikörper immer im Blut zirkulieren müssen, wenn sie B. burgdorferi im Darm der Blut saugenden Zecke angreifen sollen. Marconis Team arbeitet nun an einem Impfstoff gegen immunologisch relevante Teile des Oberflächenproteins OspC, das nur dann von B. burgdorferi exprimiert wird, wenn es in Säugetiere gelangt ist. Wird ein Mensch gegen OspC geimpft, bilden seine Gedächtniszellen die Antikörper erst nach Kontakt mit dem Bakterienantigen, sprich nach dem Biss durch eine infizierte Zecke. Somit müssen die Antikörper nicht ständig im Blut des Menschen zirkulieren. Marconi und seine Kollegen haben schon die Zulassung für eine Impfstoffvariante für Hunde. "Der Erfolg des Impfstoffs und die Einzigartigkeit des Ansatzes lassen ahnen, dass eine entsprechende Humanvakzine im Menschen hocheffektiv sein wird", sagt er.
Angesichts der Probleme von LYMErix ist fraglich, ob die Behörden und die Bevölkerung eine Impfung des Menschen überhaupt annehmen werden. "Vielleicht bin ich ja zu optimistisch, aber ich glaube, die Haltung hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren geändert, und mehr und mehr Leuten ist die Bedeutung der Borreliose bewusst", sagt Plotkin. Aber es ist noch schwer zu sagen, ob die Angst vor Borreliose die Bedenken gegenüber einer Impfung überwiegen wird.
Eine Impfung der Mäuse würde weniger Vorbehalte schüren, doch neben Plotkin ist auch manch anderer Wissenschaftler skeptisch, ob man hiermit überhaupt genügend Mäuse erreicht, um die Erkrankung wirklich einzudämmen. Beide Impfansätze haben ihre Einschränkungen, denn beide gehen nur eine durch Zecken übertragene Krankheit an, obwohl sich mehr als ein Dutzend anderer gerade auf der Welt ausbreiten.
Kehrtwende
Den Spieß umzudrehen, könnte bei all den Erkrankungen Wirkung zeigen: Die Idee wäre, das Werkzeug der Zecke – ihren Speichel – gegen sie selbst zu richten. Wenn eine Zecke einen Wirt beißt, lindern Moleküle in ihrem Speichel den Schmerz, so dass sie unentdeckt bleibt. Zudem werden Entzündung und Immunsignale des Wirts eingedämmt. Wenn es möglich wäre, mit Hilfe einer Vakzine eine Immunantwort gegen wichtige Speichelproteine der Zecke auszulösen, könnten die Zeckenbisse besser vom Körper erkannt und das Blutsaugen der Zecke blockiert werden.
Ostfeld selbst ist das beste Beispiel dafür, dass der Ansatz im Prinzip funktioniert. Er wurde schon mehr als 100-mal gebissen, und sein Körper reagiert inzwischen gegen Zeckenspeichel. "Ich merke es, wenn mich eine Zecke beißt, weil es brennt, und zwar ziemlich stark", erklärt er. Ostfeld hat dann reichlich Zeit, die Zecke zu entfernen, bevor es zur Infektion kommt – wenn es die Zecke überhaupt überlebt, denn oftmals ist sie schon tot, wenn er sie entfernt – warum auch immer.
Das von der Europäischen Kommission finanzierte Konsortium ANTIDotE (Anti-tick Vaccines to Prevent Tick-borne Diseases in Europe) charakterisiert derzeit die neuen Zielproteine im Zeckenspeichel. Schon 2011 beschrieb einer der beteiligten Wissenschaftler eine neue Technik zur schnellen Bestimmung von Proteinen, die mit dem Blutserum der gegen Zecken immunen Tiere reagieren. Das Team impfte Kaninchen gegen drei identifizierte Speichelproteine; eines davon nutzen die Zecken zur Hemmung der Blutgerinnung, und eines verhindert die Immunantwort des Gebissenen. Im Ergebnis konnten die Zecken tatsächlich bei den geimpften Tieren nur schlecht Blut saugen. Andere Forscher der Gruppe versuchen Speichelgene zu identifizieren, die bei der Übertragung von B. burgdorferi relevant sind. "Eine Vakzine gegen Zecken könnte unserer Meinung nach Mensch und Tier schützen", sagt Hein Sprong, einer der Gruppenleiter des ANTIDotE im National Institute for Public Health (RIVM) in Bilthoven in den Niederlanden.
Das Unternehmen US Biologic plant ebenfalls die Entwicklung einer Ködervakzine für Mäuse, welche die Ernährung der Zecken verhindert und so den Menschen gegen verschiedene Erkrankungen schützen soll. Mit dieser Methode könnte auch insgesamt die Zahl der Zecken reduziert werden, weil die Zeckenlarven weniger Nahrung zum Überleben bis ins adulte Alter und zur Vermehrung hätten.
Doch diese Ansätze stehen erst am Anfang der Entwicklung, und auch die spärliche Finanzierung ist noch ein Problem. Das Image der Borreliose und anderer Zeckenerkrankungen der USA als Yuppie-Erkrankung ist dabei wenig hilfreich. Ostfeld erinnert sich an Kommentare in Gutachten zu seinen Anträgen, mit dem Tenor, "ob es wirklich wert ist, das Geld der Steuerzahler für eine Krankheit der Wohlhabenden im Nordosten der USA auszugeben, wenn es doch so viele Erkrankungen der Armen in anderen Ländern der Welt gibt". "Diese Ansicht ist natürlich legitim; aber die Auswirkungen der Erkrankung auf eine große Zahl von Bewohnern, nicht nur in den wohlhabenden Gegenden und nicht nur lokal, ist meiner Meinung nach unterschätzt", erklärt er. Der Umstand, dass Borreliose und ähnliche Erkrankungen in den USA nur selten tödlich enden, mag ebenfalls zur geringen Finanzierungsbereitschaft dieser Forschungsrichtung beitragen. Denn auch wenn jährlich mehr Fälle von Lyme-Borreliose diagnostiziert werden als Prostatakrebsfälle, genehmigten die NIH (National Institutes of Health) für Letztere im Jahr 2014 zehnmal mehr Finanzmittel.
Für eine umfassende Lösung des Zeckenproblems wird eine ganze Reihe kleinerer Ansätze nötig sein, nach und nach sowie auf verschiedenen Ebenen. Klar ist, dass ein ganzes Arsenal von Waffen gebraucht wird, um den Feind aufzuhalten, vor allem wenn man sich die Komplexität der Ökologie der zeckenübertragenen Erkrankungen betrachtet, wie sehr sich auch der Mensch dabei verändert hat und wie die Leute mit diesen Parasiten umgehen. "Wir haben das natürliche Gleichgewicht gestört", sagt Telford. Die Waage wieder auszutarieren, wird keine leichte Aufgabe.
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