Körperwuchs: Warum sind Holländer die größten?
Die Statistik lügt nicht und sagt: Niederländer sind gerade die größten Menschen der Welt. Allerdings nur derzeit – vor 200 Jahren zählten sie sogar noch zu den kleinsten Europäern. Diese Entwicklung verblüfft auch Evolutionsbiologen, denn was exakt förderte bei unseren Nachbarn an der Nordsee einen enormen Größenschub von rund 20 Zentimetern in den zurückliegenden zwei Jahrhunderten? Offenbar gesellen sich dort groß und groß zumindest gerne und erfolgreich, meinen Forscher nun: Hochgewachsene Männer und Frauen haben zusammen mehr Kinder als kleinere Menschen, errechneten Gert Stulp und seine Kollegen von der London School of Hygiene and Tropical Medicine und liefern damit immerhin eine Ursache, wenn auch keine Erklärung.
Ein Trend zu höherem Wuchs ist in der Moderne bei allen Industrienationen zu verzeichnen gewesen, dauerte bei den Einwohnern der Niederlande aber länger an und bescherte ihnen so eine Spitzenposition, schreiben die Forscher. Sie werteten Daten der LifeLines-Kohortenstudie aus, die unter anderem auch den Fortpflanzungserfolg von 94 516 Holländern aus dem Norden des Landes über Jahrzehnte dokumentiert. Erkennbar ist darin tatsächlich eine Korrelation von Kinderreichtum und überdurchschnittlicher Größe zwischen den Jahren 1935 und 1967. Dass ein höherer Wuchs auch genetisch vererbt wird, ist seit Langem klar; kein Wunder also, dass mehr große Kinder den Landesdurchschnitt dann, wie in Holland, insgesamt heben.
Die zu Grunde liegenden Ursachen eines Größenzuwachs in Populationen sind hoch umstritten. Man postuliert unter anderem eine bessere Ernährung, vor allem auch mit Milchprodukten, sowie ein funktionierendes Gesundheitssystem und eine geringe soziale Ungleichheit in der Bevölkerung: Alle diese Faktoren bevorzugen Holländer seit rund 150 Jahren gegenüber, zum Beispiel, den Einwohnern der USA, die im Durchschnitt in dieser Zeit gerade einmal sechs Zentimeter größer wurden und von den Holländern nun in den Schatten gestellt werden. Die Wissenschaftler warnen aber davor, aus ihrem noch recht spärlichen Datensatz zu schnell Schlussfolgerungen zu ziehen. Möglich wären, etwa neben den schon angesprochenen Ernährungsunterschieden, auch soziokulturelle Hintergründe für die Entwicklung: Holländer bekommen etwa, wohl aus Gründen der gesellschaftlichen Norm, die ersten Kinder in einem höheren Alter als US-Amerikaner. Weil zudem – eine weitere statistische Merkwürdigkeit – kleinere Menschen aber oft früher heiraten, bekommen diese auch früher und über einen längeren Zeitraum Nachwuchs. Das fördert dann kleinere Menschen in Ländern, in denen eine frühe Heirat gängig ist, wie etwa in den USA, sagen die Forscher – und schließen an, dass sie über all das aber wirklich höchstens spekulieren können.
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