Wetter: Drohen Hurrikane im Mittelmeer?
Immer wieder im Herbst können sich im Mittelmeer schwere Stürme entwickeln: die so genannten Medicane – eine Art Tropensturm, die aber nur selten die Stärke eines schwachen Hurrikans erreicht. 2018 zog beispielsweise Medicane »Zorbas« durch das Meer zwischen Italien und Griechenland und sorgte für reichlich Regen und Sturmfluten an der griechischen Küste. Diese Gebilde entwickeln sich, wenn kalte Luftmassen aus Norden über das noch aufgeheizte Mittelmeer ziehen, was üblicherweise im September und Oktober geschehen kann. Der auslösende Kaltlufttropfen weist in der Höhe sehr niedrige Temperaturen auf und sorgt dann über dem badewannenwarmen Mittelmeer für einen starken Temperaturkontrast zwischen der Wasseroberfläche und der höheren Atmosphäre. Das führt zu einer rasanten Bildung eines Sturmtiefs, weil die feuchtwarmen Luftmassen innerhalb des betroffenen Gebiets rasch nach oben schießen und dabei durch Kondensation des Wasserdampfs dem Gebilde weiter Energie zuführen. Bisweilen bildet sich ein organisierter Wirbel, der sogar ein Auge wie ein richtiger Hurrikan aufweisen kann. Im Gegensatz zu Hurrikanen oder Taifunen erreichen Medicane in der Regel nur einen Durchmesser von rund 200 Kilometern im Gegensatz zu den mehr als 1000 Kilometern bei einem tropischen Wirbelsturm. Zudem sind sie meist kurzlebig und lösen sich nach wenigen Tagen wieder auf.
Medicane sind seltene, aber bekannte Wetterphänomene im Mittelmeerraum – und der Klimawandel wird auch sie zukünftig beeinflussen, wie Juan González-Alemán von der Universität Castilla-La Mancha, in Toledo und sein Team in den »Geophysical Research Letters« schreiben. Die Wissenschaftler haben dabei gute und schlechte Nachrichten: Die Stürme entwickeln sich demnach seltener, weil Kaltlufteinbrüche zahlenmäßig abnehmen – der Temperaturgegensatz zwischen Nord und Süd nimmt schließlich ab. Dafür heizt sich das Mittelmeer weiter auf, weshalb dennoch sich bildende Medicane intensiver ausfallen: Sie beziehen ihre Energie aus dem warmen Wasser und werden zukünftig stärker und ausdauernder, wenn sie länger über das Meer ziehen können. Und sie sollen intensivere Niederschläge bringen, so die Wissenschaftler.
Bei einem mittleren Klimawandelszenario – einer Aufheizung um zwei bis vier Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts – könnten Medicane regelmäßig eine Stärke von 1 auf der Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala erreichen. Stürme erreichen dann mittlere Windgeschwindigkeiten von 119 bis 150 Kilometer pro Stunde; in Böen liegen die Werte deutlich darüber. »Der Mittelmeerraum ist dicht bevölkert, so dass noch stärkere Medicane die Bevölkerung schwer treffen können. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie Menschen und ihre Infrastruktur treffen«, warnt González-Alemán. Wie verheerend Medicane schon gegenwärtig ausfallen können, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 1969: Damals starben mehrere hundert Menschen in Nordafrika durch Hochwasser, das von einem Medicane ausgelöst wurde.
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