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Psychische Störungen: Zwangsstörung

Was sind Zwangshandlungen, was sind Zwangsgedanken? Wie verläuft eine Zwangsstörung, und welche Folgen hat sie? Eine Information für Betroffene und Angehörige.
Zwangsstörung

Was ist eine Zwangsstörung?

Zwänge sind Handlungen, die unfreiwillig mehrfach wiederholt werden, und Gedanken, die sich immer wieder aufdrängen. Die meisten Zwangskranken leiden an beiden Arten, wobei oft eine stärker ausgeprägt ist. Anderen Menschen erscheinen Zwänge stark übertrieben, unbegründet oder unsinnig, und zumindest zu Beginn glauben die Betroffenen das selbst. Diese Einsicht kann aber stark schwanken. Zunächst versuchen sie, die Zwänge zu unterdrücken, resignieren aber irgendwann – sie haben das Gefühl, sich nicht kontrollieren zu können.

Beispiel: Jeder überlegt manchmal, ob er das Auto wirklich abgeschlossen hat. Aber ein Gesunder schaut einfach nach und ist beruhigt. Wer mehrfach und nach bestimmten Regeln oder Ritualen nachprüfen muss, leidet dagegen unter einem Zwang. Eine Zwangsstörung ist es nur dann, wenn die Zwänge mindestens eine Stunde am Tag in Anspruch nehmen oder sie den Beruf oder das Sozialleben beeinträchtigen. Außerdem sollten andere Ursachen wie eine Ticstörung, zu deren Bild auch Zwänge gehören, ausgeschlossen sein.

Zu den Zwangsgedanken zählen (1) extremes Zweifeln oder Befürchten, beispielsweise die Haustür nicht abgeschlossen zu haben, etwas nicht "richtig" getan zu haben oder etwas Peinliches zu tun, (2) endloses Grübeln oder Zögern vor trivialen Entscheidungen, um etwas immer wieder zu durchdenken, (3) unerwünschte Vorstellungen, etwa jemanden überfahren zu haben, und (4) unerwünschte Impulse oft aggressiver oder sexueller Art, zum Beispiel das eigene Kind zu erwürgen.

Zwangsgedanken drängen sich unkontrollierbar auf und erscheinen unangemessen oder irrational. Auch wenn die Betroffenen sie selbst unsinnig, fremd oder abstoßend finden, erleben sie sie doch als eigene Gedanken (nicht wie bei Schizophrenen als von außen eingegeben). Meist versuchen sie, die Gedanken zu unterdrücken, zu ignorieren oder zu neutralisieren, indem sie etwas anderes denken oder etwas Bestimmtes tun.

Zwangshandlungen werden stereotyp wiederholt (etwa Herd oder Tür kontrollieren), sie können aber auch gedanklich ablaufen (etwa zählen, wiederholen von Worten). Meist folgen die Handlungen einem aufdringlichen Gedanken oder einer Regel, die symbolisch eine Gefahr abwenden soll (etwa "Wenn ich jemanden auf der Straße gestreift habe, muss ich bis 150 zählen, sonst passiert meiner Familie etwas Schlimmes"). Triviale Handlungen wie Waschen brauchen Stunden, weil der Betroffene sie immer wieder wiederholt, um es "richtig" zu machen. Dabei baut er Angst oder Anspannung ab. Verhindert jemand die Ausführung des Zwangs, steigen Angst oder Anspannung auf ein unerträgliches Maß.

Typische Themen von Zwängen sind Ordnung, Symmetrie, Kontamination, Verschmutzung, Gewalt, Sexualität, zufälliges Unglück, Zahlen.

Wie verbreitet sind Zwänge, und wie verlaufen sie?

Studien zufolge erkranken rund zwei Prozent aller Menschen im Lauf ihres Lebens einmal an einer Zwangsstörung. Das Risiko ist für beide Geschlechter gleich hoch, aber die meisten der betroffenen Männer zeigen schon vor dem 15. Lebensjahr erste Zwänge, die Frauen erst mit 20 bis 30 Jahren. Nur jeder 20. erkrankt erst nach dem 40. Lebensjahr. Bei der Mehrzahl wird die Störung chronisch und zeigt sich mal mehr und mal weniger stark.

Wie entstehen Zwangsstörungen?

Forscher nehmen an, dass viele Faktoren zusammenwirken – wie genau, ist unklar.

Familie: Je näher jemand mit einem Zwangskranken verwandt ist, desto höher sein eigenes Risiko für eine Zwangsstörung. Es gibt also eine genetische Vorbelastung. Aber auch die Erziehung scheint eine Rolle zu spielen: Das Risiko ist größer, wenn Eltern ihre Kinder stark kontrollieren.

Biologie: Die Inhalte der Zwänge erfüllen ursprünglich einen biologisch sinnvollen Zweck, beispielsweise Schutz vor Infektionen. Aber bei den Zwangskranken ist ein Regelkreis im Gehirn außer Kontrolle geraten und gibt ständig Alarm. Diese Fehlermeldungen vermitteln dem Zwangskranken immer wieder das Gefühl, dass "etwas nicht in Ordnung ist". Außerdem bildet das Gehirn nicht genug von einem Botenstoff, dem Serotonin. Bestimmte Psychopharmaka, die Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, verringern deswegen die Zwänge.

Persönlichkeit: Rund jeder Fünfte neigt schon vor Beginn der Zwänge zu zwanghaftem Denken und Verhalten, so ist er etwa perfektionistisch und kann sich nicht entscheiden. Wer Risiken überschätzt und starre Vorstellungen dazu hat, wie man sich vor Gefahren schützt, zählt ebenfalls zur Risikogruppe. "Schlimmen" Gedanken schenkt er deswegen zu viel Aufmerksamkeit.

Lernen: Treten diese "schlimmen" Gedanken, Vorstellungen oder Impulse auf, bekommt der Zwangskranke Angst oder fühlt sich unwohl. Kann er eine Zwangshandlung nach bestimmten Regeln ausführen, fühlt er sich danach besser. Treten die Gedanken wieder auf, führt er die Handlung wieder aus, denn das verringert sein Unwohlsein. So verstärkt er den Teufelskreis und erhält damit die Störung selbst aufrecht.

Stress: Starke seelische Belastung kann Zwänge auslösen oder sie verschlimmern.

Was sind die Folgen einer Zwangsstörung?

Angehörige reagieren oft verständnislos, denn die Zwänge erscheinen ihnen irrational und bizarr. Weil die Betroffenen sich dessen bewusst sind und sich schämen, halten sie sie geheim – und das meist jahrelang. Viele ziehen sich deswegen von Familie und Freunden zurück. Sie verlieren ihre Arbeit oder kündigen selbst, weil die Zwänge sich nicht mehr verbergen lassen. Mehr als 70 Prozent erkranken an einer weiteren psychischen Störung, darunter Depressionen, Phobien und Panikstörungen.

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