»Ab ins All!«: Für eine neue kosmische Heimat?
Unter dem Titel »Ab ins All!« erzählt die Wissenschaftsjournalistin Anne-Dorette Ziems auf unterhaltsame Weise von jenem Traum, der Menschen seit Generationen fasziniert: Reisen zu anderen Planeten, vielleicht gar als ein erster Schritt zu einer neuen kosmischen Heimat der Menschheit. Ihr an alle Altersgruppen gerichtetes Buch erscheint in einer Zeit, in der Raketen erstmals wieder auf die Startrampe zurückkehren können und nach über 50 Jahren mit Artemis II 2026 wieder Menschen in die Mondumlaufbahn fliegen sollen. Auch das mag dazu beitragen, dass der Funke beim Lesen schnell überspringt und man den Eindruck gewinnt: Die Zeit ist reif für ein Buch wie dieses. Denn Anne-Dorette Ziems schreibt gleichermaßen zugänglich, humorvoll und kenntnisreich, egal ob es um futuristische Visionen wie Terraforming oder ganz praktische Raumfahrtmedizin geht.
Passend zum Thema ist das Buch als Countdown gestaltet – von der Auswahl eines geeigneten Zielplaneten in Kapitel 10 zu den Herausforderungen in einer hypothetischen neuen Heimat in Kapitel 1. Auf dieser Reise erfährt der Leser zunächst von den Grundlagen für Leben auf anderen Planeten in Bezug auf Temperatur, Atmosphärenstruktur und den Schutz vor Strahlung durch das planetare Magnetfeld. Diese Ausführungen werden sehr schön an den aktuellen Stand der Exoplanetenforschung angebunden, die bereits zahlreiche Gesteinsplaneten entdeckt hat und sich mittlerweile auch an die Atmosphärenzusammensetzung und Magnetfelder von Exoplaneten herantastet.
Nachdem der ideale Zielplanet zwar vielleicht existieren mag, sich aber absehbar außer Reichweite befindet, erwarten den Leser dann sogleich futuristische Themen und Fragen: Könnte man dem Mars eine geeignete Atmosphäre verschaffen? Oder gar die Venus hinreichend kühlen und für das dort benötigte Wasser einen Eismond des Saturns stehlen? Und kann man schneller als mit den heutigen chemischen Raketenantrieben zu anderen Himmelskörpern gelangen – mit Kernenergie, Antimaterie oder gar Warpantrieb? Der Autorin gelingt es hervorragend, die faszinierende Grenze zwischen science und fiction auszuloten und den Bogen zu den aktuellen Herausforderungen der Raumfahrt zu schlagen, wie beispielsweise die einer Betankung im All.
Von künstlicher Schwerkraft und Kälteschlaf
In den nächsten Kapiteln erfahren die Leserinnen und Leser dann viel von den ganz praktischen Problemen der Raumfahrt: Wie gestaltet man Raumfahrzeuge und bemannte Missionen, um den Schutz vor Strahlung und Mikrometeoriten zu gewährleisten? Wie versorgt man die Crew mit Essen, Wasser und Sauerstoff und das Raumschiff mit Energie? Wie schläft der Mensch im All, und was macht die Schwerelosigkeit mit dem menschlichen Körper? Die heutige Raumfahrttechnik und Raumfahrtmedizin erweisen sich dabei als genauso spannend wie die futuristischen Visionen von Terraforming und exotischen Antrieben. Aber auch in diesen Kapiteln kommen die Zukunftsvisionen nicht zu kurz. Die psychologischen Herausforderungen einer beschränkten Privatsphäre im All werden ebenso geschildert wie die Möglichkeit von künstlicher Schwerkraft und Kälteschlaf auf langen Missionen sowie die gar nicht so einfache Idee von Generationsraumschiffen.
Abschließend geht es darum, wie man auf dem Mond oder Mars vorhandene Rohstoffe zum Aufbau einer Basis nutzen könnte, sei es zur Fertigung mit 3-D-Druckern oder als Quelle von Sauerstoff und Wasser. Und damit führt uns das Buch zum vielleicht spannendsten Thema: nämlich jenen Reisen ins All, die in absehbarer Zukunft tatsächlich möglich zu sein scheinen.
Mit »Ab ins All!« schlägt Anne-Dorette Ziems erfolgreich die Brücke zwischen der visionären Seite der Raumfahrt und der geerdeten Vermittlung ihrer wissenschaftlichen und technischen Grundlagen – genau, wie man es sich bei diesem Thema wünscht. Wer einen leicht zu lesenden und spannenden Einstieg sucht, ist hier an der richtigen Adresse. Bei aller Lockerheit im Stil fußt das Buch jedoch auf gründlicher und aktueller Recherche und überzeugt als originelle Darstellung des Themas. Und im richtigen Moment versteht es die Autorin, ihre Leserinnen und Leser auch einmal zum Nachdenken über ethische und weltraumrechtliche Fragen anzuregen. Das liebevolle Design und die Illustrationen von Yalini Sivalingam sind eine zusätzliche Bereicherung und runden den stimmigen Gesamteindruck ab.
Am Ende schreibt Anne-Dorette Ziems im Bewusstsein aller praktischen Schwierigkeiten der Weltraumforschung, diese sollten uns »nicht entmutigen, trotzdem immer wieder einen Schritt weiter zu denken.« Dieser Gedanke trägt das ganze Buch, und wer sich in ihm wiederfindet, wird es mit großer Freude lesen.
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