»Das verborgene Leben der Füchse«: Ansteckende Faszination für Füchse
Mit Meisen und Walen hat sich Andreas Tjernshaugen zuletzt beschäftigt. Nun gilt sein Interesse dem Fuchs. Allein oder in Begleitung seiner Hündin zog der Norweger oft schon früh am Morgen los, um in einem Wald am Oslofjord Fuchsspuren zu folgen, wobei er manchmal stundenlang vor den Bauten der scheuen Raubtiere ausharrte. Um Füchse zu Gesicht zu bekommen, stellte Tjernshaugen auch seine Wildkamera auf. Einige der auf diese Weise entstandenen Aufnahmen zeigt sein Buch und gibt dadurch unter anderem Einblicke in das Jagd- und Sozialverhalten der Tiere. In nüchternem, gleichwohl angenehmem Schreibstil berichtet Tjernshaugen dazu von seinen Beobachtungen: etwa von einer Fähe, einem weiblichen Fuchs, die eine Maus zuerst wiederholt in die Luft warf, bevor sie sie erlegte und fraß – offenbar spielte sie wie eine Katze mit ihrer Beute.
Dass der mit dem Wolf und Hund verwandte Rotfuchs (Vulpes vulpes) daneben noch andere Eigenschaften wie zum Beispiel schlitzförmige Pupillen mit Katzen teilt, ist einer von mehreren interessanten und manchmal überraschenden Fakten, mit denen der Autor seine Beobachtungen vertieft. Und aus denen er Schlüsse zieht. Etwa, dass Füchse anpassungsfähige Opportunisten sind: Allesfresser, die erfolgreich Städte besiedelt haben und als Elternpaar zum Teil mehrere Jahre lang ein Revier verteidigen, manchmal aber auch in großen Familienverbänden mit anderen Füchsen zusammenleben, sich untereinander paaren und ihre Würfe gemeinsam großziehen. Diese Flexibilität hat wohl neben anderen Faktoren wie dem wärmeren Klima dazu beigetragen, dass zumindest der Rotfuchs heute stark verbreitet und in seinem Bestand nicht gefährdet ist – trotz Bejagung durch den Menschen.
Ein ambivalentes Verhältnis
Dem bisweilen zwiespältigen Verhältnis zwischen Mensch und Fuchs widmet Tjernshaugen ebenfalls mehrere Kapitel und schaut sich dabei auch einige kulturgeschichtliche Darstellungen der Tiere an. In der chinesischen, japanischen und koreanischen Tradition sind Füchse zum Teil gute, oft aber auch bösartige Wesen: Gestaltswandler, die sich in Menschen verwandeln, oder Geister, die von Menschen Besitz ergreifen. In Deutschland kennt man den Fuchs seit Jahrhunderten als listige Fabelgestalt vor allem unter dem Namen »Reineke«; in Skandinavien dagegen heißt er »Mikkel Rev«. In manchen neueren Erzählungen wie »Der kleine Prinz« (1943) wird der Fuchs dagegen um einiges positiver dargestellt: als weiser und geselliger Charakter, der sich vom Protagonisten zähmen lassen möchte, um sein Freund zu werden.
Nicht nur in der Literatur werden Füchse zu treuen Begleitern. Der Genetiker Dmitri Beljajew (1917–1985) und die Biologin Ludmilla Trut zeigten das in den 1950er Jahren anhand eines wissenschaftlichen Experiments. Generation um Generation züchteten sie Silberfüchse, die besonders freundlich auf Menschen reagierten, um herauszufinden, ob sie wie Wölfe zahm werden können. Tatsächlich hatten Beljajew und Trut Erfolg. Die domestizierten Füchse wiesen dabei mit der Zeit immer mehr Merkmale von Hunden wie zum Beispiel hängende Ohren oder ein geflecktes Fell auf.
Tjernshaugen ist jedoch kein Freund der Domestizierung von Füchsen. »[…] in einer Welt, in der auf jeden Menschen immer weniger wilde Tiere kommen, sollten wir doch alle lernen, Tiere zu bewundern, ohne sie notwendigerweise zu jagen, zu fangen, zu zähmen oder zu stören«, schreibt er an einer Stelle seines Buchs. Mit diesem vermittelt er auf gelungene Art seine eigene Faszination für Füchse und schafft so ein kurzweiliges, lehrreiches Leseerlebnis. Schade nur, dass eine seiner Internetquellen zum Zeitpunkt dieser Rezension nicht mehr abrufbar war.
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