Dynastie mit Licht und Schatten
Viel ist über »Englands schrecklichste Dynastie« geschrieben worden, die mehr als 200 Jahre, von 1154 bis 1399, in direkter Linie die Könige von England stellte. Dabei richtete sich der Fokus meist auf die internen Querelen dieser eigentlich aus Nordwestfrankreich stammenden Sippschaft: Der Vater-Sohn-Konflikt zwischen König Heinrich II. und Richard Löwenherz, der Bruderzwist zwischen Richard und Johann ohne Land, der Bruch Eleonores, der vormaligen Herzogin Aquitaniens, mit ihrem Mann Heinrich – das alles bot hinreichend Stoff für eine Familientragödie von shakespearischer Wucht.
Englands schrecklichste Dynastie
Doch die Geschichte der Plantagenets erschöpft sich längst nicht nur in aufreibenden Familienfehden, wie Dan Jones zu zeigen vermag. In »Spiel der Könige« widmet sich der britische Historiker und Journalist der wechselvollen Historie des mächtigen Herrschergeschlechts, dessen Reich neben England auch weite Teile Frankreichs umfasste.
Dicht an den Quellen und stets auf der Höhe der Forschung lässt Jones die Welt des Hofs, des Adels und des Schlachtfelds in seinem fesselnd geschriebenen Buch aufleben. Er beleuchtet die genealogischen Wurzeln der Plantagenets – der Name geht auf den Stammvater Graf Gottfried V. von Anjou zurück, der einen Ginsterzweig (lateinisch: planta genista; französisch: plante genêt) als Helmzier trug – und legt schlüssig dar, wie die Adelsfamilie ihre Macht über ihre französische Heimat hinaus auf die Britischen Inseln ausdehnte und die dortige Politik nachhaltig veränderte.
Breiten Raum nimmt der Dauerkonflikt mit dem fränkischen Adelsgeschlecht der Kapetinger um die englischen Besitzungen auf französischem Festland ein, der im Hundertjährigen Krieg (1337-1453) kulminierte. In diesem Kräftemessen entstand nicht nur die Erbfeindschaft zwischen England und Frankreich, sondern auch eine englische Identität, die sich weniger in einer Loyalität dem Land gegenüber als zum König und zur Krone ausdrückte, wie Jones überzeugend darlegt.
Gleichzeitig gab es aber auch Bestrebungen, die Macht des Königs einzuschränken. Detailliert erläutert der Autor, wie es während des Ausbaus der königlichen Zentralgewalt zu Spannungen mit Adel und Bürgerschaft um politische Mitspracherechte kam und welche Auswirkungen das auf die gesellschaftliche und politische Entwicklung Englands hatte. Anders als auf dem europäischen Festland, so Jones, begannen sich in England schon früh Vorformen des Rechtsstaats herauszubilden, die lange vor Montesquieu die Trennung von gesetzgebender, vollziehender und Recht sprechender Gewalt anbahnten.
Unter den Plantagenets entstand ein im ganzen Land verbindliches Recht: das von Richtern und nicht vom König gesetzte »Common Law«. 1215 rangen rebellierende Adlige dem König in der »Magna Carta Libertatum« Zugeständnisse ab, die ihnen ein Widerstandsrecht gegen königliche Entscheidungen sicherten und Englands Weg zur konstitutionellen Monarchie ebneten. 1265 tagten zum ersten Mal im englischen Parlament neben aristokratischen »Lords« auch »Commons«, frei gewählte Vertreter der Städte und des niederen Landadels. Und 1376 erhoben die Parlamentarier eine förmliche Anklage gegen einen Vertrauten des Königs wegen Hochverrat und setzten so ihr Recht auf die Kontrolle der Exekutive durch.
»Spiel der Könige« ist eine erfrischend lebendige, unterhaltsame und fesselnd geschriebene Geschichte des Hauses Plantagenet, die mit viel Liebe zum Detail, aber auch mit historischem Weitblick dessen politisches Vermächtnis beleuchtet, das sich beileibe nicht nur auf Mord und Totschlag, Hinterlist und Ranküne beschränkt.
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