Auf der Suche nach Zufriedenheit
Mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Mann: Menschen, die scheinbar alles haben, lächeln uns täglich von Werbeprospekten und TV-Bildschirmen entgegen. Doch was macht uns tatsächlich zufrieden? Dieser Frage widmet sich der Soziologieprofessor Martin Schröder von der Universität Marburg in seinem neuen Buch. Dafür hat er Daten von rund 85 000 Menschen analysiert, die seit 1984 immer wieder dazu befragt wurden.
Der Autor hält wenig von der Suche nach dem Glück. Die könnten wir getrost vergessen. Denn Glück sei eine Emotion, die wild und oft ohne erkennbares Muster schwanke und zudem von unserer Persönlichkeit abhänge. Besser sei es daher, nach Zufriedenheit zu streben. Dieser Zustand stelle sich ein, wenn unser Leben unseren Vorstellungen und Wünschen entspricht. Wie zufrieden eine Person ist, hängt unter anderem von ihrem Wohnort ab: Die Menschen in Hamburg sind am zufriedensten, während jene in Ostdeutschland weniger zufrieden sind als im Rest der Bundesrepublik. Sogar Zugezogene scheinen sich von der grassierenden Unzufriedenheit dort anstecken zu lassen – selbst dann, wenn sich ihr Einkommen und Beschäftigungsstatus nicht ändern. Warum das so ist, weiß Schröder nicht. Nur, dass dieser Effekt seit einigen Jahren abnimmt.
Drum prüfe, wer sich bindet
Kapitel für Kapitel erklärt Schröder seine Ergebnisse, unterteilt in Bereiche wie Familie, Arbeit, Finanzen, Freunde, Gesundheit und politische Einstellung. Die Befunde sind immer wieder für Überraschungen gut. Denn sie decken sich zuweilen nicht mit unseren Vorstellungen davon, was glücklich macht. Ein paar Beispiele: Adipöse Menschen sind zwar weniger zufrieden als normalgewichtige, aber wenn sie abnehmen, werden sie noch unzufriedener. Und eine Heirat macht zwar tatsächlich zufriedener – doch der Effekt verpufft schon nach ein paar Jahren.
Auch Schröders Analyse zu Gehaltsunterschieden bei Männern und Frauen passt möglicherweise nicht immer ins Weltbild: Männern fühlen sich etwa im Schnitt gut, wenn sie mehr als ihre Partnerin verdienen. Am schlimmsten ist es für sie, wenn die Frau Alleinverdienerin ist. Frauen dagegen fühlen sich umso schlechter, je mehr sie im Vergleich zu ihrem Partner verdienen. Der Soziologe weiß nicht, warum das so ist. An anderen Stellen kann er dagegen Gründe für die Effekte erkennen. Übergewichtige Menschen seien möglicherweise deswegen unzufriedener, weil sie sich diskriminiert fühlen. Eine Studie hatte gezeigt, dass es Männern nichts ausmache, dick zu sein, wenn alle anderen auch dick sind.
Mehrfach geht der Autor darauf ein, wie aussagekräftig die Daten sind, verdeutlicht diese mit verständlichen Grafiken und verweist auf statistische Ungenauigkeiten. Zudem betont er, dass seine Ergebnisse die Meinung der Mehrheit abbilden – und sich jeder Einzelne natürlich anders fühlen kann. Trotz vieler Zahlen ist das Buch vergnüglich geschrieben und bietet immer wieder Anlass zum Schmunzeln. Zum Beispiel wenn Schröder resümiert, dass Männer, die in Fitnessstudios trainieren, zwar zufriedener seien, er aber trotzdem nicht hingehen würde. Oder wenn er auf den dürren Hering im Lied von Marius Müller-Westernhagen verweist, der so froh ist, kein Dicker zu sein.
Am Ende zitiert er einen Glücksforscher mit der Aussage, man solle es nicht zu ernst nehmen mit der Suche nach einem zufriedenen Leben. Sonst tappe man in die Falle, Ratgebern hinterherzulaufen, die einem weismachen wollen, sie wüssten, was glücklich macht. So machen eigene Kinder etwa entgegen der landläufigen Meinung langfristig nicht unbedingt zufriedener. Wer also mit der eigenen Kinderlosigkeit hadert, dem hilft vielleicht das Wissen, dass die meisten Menschen ohne Nachwuchs ein vergleichbar zufriedenes Leben führen. Ähnliches gelte aber auch für eine Heirat, ein Auto und andere Reichtümer.
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