Lexikon der Neurowissenschaft: freie Radikale
freie Radikale [von latein. radix = Wurzel] E free radicals, anorganische oder organische Verbindungen, die ein oder mehrere (durch einen Punkt symbolisierte) ungepaarte (einsame) Elektronen besitzen, oft sehr reaktionsfähig sind und als solche häufig nur kurzfristig existieren. Sie entstehen z.B. bei der Spaltung kovalenter Bindungen, wenn jeweils ein Elektron des gemeinsamen Elektronenpaares bei den Spaltstücken verbleibt (homolytische Fission). Von besonderer biologischer Bedeutung sind das Stickoxid sowie Sauerstoffradikale, unter anderem das Hydroxylradikal (OH·) und das Sauerstoffanion- oder Superoxidradikal (O2·-). Freie Radikale können in einer großen Anzahl verschiedener Reaktionen sowohl exogen als auch endogen produziert werden. Derartige Reaktionen laufen besonders im Zusammenhang mit phagocytotischen Vorgängen (Phagocytose) in Verbindung mit Entzündungen und hämolytischen Prozessen ab. Das Hydroxylradikal gehört zu den reaktionsfreudigsten chemischen Stoffen. Es geht mit organischen Molekülen Reaktionsketten ein, in denen jede Reaktion neben einem Reaktionsprodukt ein neues freies Radikal bildet. Durch Antioxidantien (siehe unten) kann die Reaktionskette unterbrochen werden ( siehe Abb. ). Die wichtigsten Quellen für die Bildung des Superoxidradikals sind die Atmungskette in den Mitochondrien und das endoplasmatische Reticulum. Das Reaktionsvermögen von O2·- ist in organischen Lösungen wesentlich stärker als in wäßrigen Lösungen. O2·- kann daher im hydrophoben Milieu der Membranen erhebliche Schäden anrichten (z.B. Zerstörung von Phospholipiden). In wäßrigem Milieu wirkt O2·- reduzierend und wird dabei schnell zu einer weiteren reaktiven Sauerstoffspezies, dem Wasserstoffperoxid (H2O2) dismutiert. O2·- allein ist weniger gefährlich, vielmehr ist es die Bildung von Peroxynitrit (Stickoxid) und von Hydroxylradikalen über die Weiterreaktion des Wasserstoffperoxids mit H2O – eine Umsetzung, die schon seit 1934 als Haber-Weiss-Reaktion bekannt ist. – Reaktionen freier Radikale werden als pathogenetische Faktoren für eine Reihe von primären und sekundären neurodegenerativen Krankheiten (z.B. amyotrophe Lateralsklerose; Neurodegeneration), für die Zerstörung von Zellmembranen und für Alterungsprozesse verantwortlich gemacht (Altern). Die Synthese von Prostaglandinen sowie – unter Beteiligung einer Lipoxygenase – von Leukotrienen, die unter anderem als Mediatoren eine Rolle spielen, gehört zu den "positiven" Wirkungen der Radikale. Dem Organismus stehen eine Reihe von körpereigenen Enzymen und nicht-enzymatischen Antioxidantien oder sogenannten Radikalfängern zur Verfügung, mit deren Hilfe er sich direkt oder indirekt vor der schädigenden Wirkung freier Radikale schützen kann. Für die Dismutation von Superoxidradikalen sorgen verschiedene Superoxid-Dismutasen (SOD). Niedermolekulare Antioxidantien sind neben Glutathion Ascorbinsäure (Vitamin C) und Harnsäure. Auch Vitamin E spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle.
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