Gute Frage: Hilft Melatonin beim Einschlafen?
Immer öfter werden heute Melatonin-Präparate in der Werbung angepriesen. Sie sollen zu einem raschen und geruhsamen Schlaf verhelfen. Die Sprays, Pillen oder Tropfen bekommt man in Apotheken und Drogerien. Doch was ist dran an den Versprechen der Hersteller?
Tatsächlich kommt Melatonin natürlicherweise in unserem Körper vor. Der Stoff wird im Zwischenhirn, genauer in der Zirbeldrüse, gebildet, regelt den Schlaf-wach-Rhythmus und beeinflusst unsere innere Uhr. Tagsüber produziert die Zirbeldrüse wenig Melatonin, da Lichteinstrahlung ein dafür nötiges Enzym hemmt. Ab zirka 18 Uhr steigt die Konzentration, die nachts zwischen 2 und 4 Uhr meist am höchsten ist. Melatonin sorgt also vereinfacht gesagt dafür, dass wir ins Bett gehen, wenn es dunkel ist, und nicht stattdessen den Tag verschlafen.
Melatonin fördert zwar den Schlaf, ist aber nur eines von mehreren Schlafhormonen und bei Weitem nicht das wichtigste. Essenziell für die Nachtruhe ist Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Menschen mit einem GABA-Mangel können kaum schlafen, solche mit wenig Melatonin hingegen schon. Das lässt sich gut an Schichtarbeitern zeigen: Wer morgens von der Nachtschicht kommt, kann sich tagsüber oft ganz gut hinlegen – auch ohne Melatonin, das um diese Tageszeit noch kaum im Körper vorhanden ist. Allein der Schlafdruck nach der durchwachten Nacht lässt den müden Arbeiter einschlafen.
Manche Schichtarbeiterinnen und -arbeiter, die einen besonders leichten und anfälligen Schlaf haben, kommen jedoch morgens nach der Arbeit trotz Erschöpfung schlecht zur Ruhe. Dann ist es mitunter durchaus sinnvoll, mit einem Melatonin-Schub nachzuhelfen.
Auch in einem anderen Fall kann künstlich verabreichtes Melatonin unterstützend wirken: bei Langstreckenflügen. Will man sich ein Schläfchen im Flieger gönnen, das zeitlich nicht ins normale Schlaffenster passt, kann eine entsprechende Tablette das Einschlafen erleichtern und somit einem Jetlag vorbeugen – vorausgesetzt man ist müde und hat vorher keinen Kaffee oder andere koffeinhaltige Getränke zu sich genommen.
In der Schlafmedizin ist Melatonin auch von Bedeutung für Menschen, die blind sind. Wenn jemand gar kein Licht wahrnimmt, kommt es mitunter zu einem so genannten Non-24-Syndrom: Der Schlaf-wach-Rhythmus gerät aus dem Takt, weil dem Organismus der natürliche Taktgeber fehlt. Stattdessen folgen Wachheit und Müdigkeit bei manchen vollständig blinden Menschen einer inneren Uhr, die jedoch nicht exakt dem 24-Stunden-Rhythmus folgt. Betroffene haben häufig Probleme beim Ein- und Durchschlafen und sind tagsüber müde. Melatonin oder ähnliche Präparate können denjenigen helfen, im Takt zu bleiben.
Melatonin ist zudem das einzige bisher bekannte Hormon aus dem Schlaf-wach-System, dessen Konzentration altersbedingt abnimmt. Für GABA, Serotonin, Dopamin, Orexin und andere Hormone ist das bisher nicht bekannt. Der Melatonin-Spiegel sinkt etwa ab dem 55. Lebensjahr allmählich. Aus diesem Grund liegen manche Senioren abends häufig länger wach. Auch hier kann Melatonin vor dem Zubettgehen in einer Dosierung von zwei bis acht Milligramm nützlich sein. Mittel in dieser Dosierung sind in Deutschland allerdings verschreibungspflichtig. Als kurzzeitige Therapie bei Schlafstörungen sind sie nur für Patienten und Patientinnen ab 55 zugelassen.
Bei jüngeren Menschen mit stressbedingten Einschlafproblemen hilft es hingegen in den meisten Fällen überhaupt nicht. Nur wenn ein Melatonin-Mangel das Problem ist, mag es angezeigt sein, diesen pharmazeutisch zu beheben. Davon abgesehen kann man sich das Geld für Melatonin-Mittel in der Regel getrost sparen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.