Freistetters Formelwelt: Eine Grenze für die Unendlichkeit
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Als ich kürzlich für eine andere Kolumne in dieser Rubrik über die Fibonacci-Reihe recherchiert habe, bin ich auf einen Fachartikel gestoßen, dessen Titel mir sofort ins Auge fiel. Die Arbeit der beiden Mathematiker Florian Luca and Pantelimon Stǎnič aus dem Jahr 2006 ist unter folgender Überschrift veröffentlicht worden:
\[ F_{1} F_{2} F_{3} F_{4} F_{5} F_{6} F_{8} F_{10} F_{12} = 11!\]Dass man in mathematischen Fachartikeln auf Formeln stößt, ist nicht weiter überraschend. Im Titel kommen sie allerdings nicht so oft vor. Und dass dort ausschließlich eine Formel zu finden ist, fand ich so außergewöhnlich, dass ich mir ein wenig genauer angesehen habe, worum es hier geht.
Die Zahlen Fn auf der linken Seite der Gleichung sind die Fibonacci-Zahlen aus der gleichnamigen Reihe. Sie beginnt mit F1 = 1 und F2 = 1 und jede weitere Zahl ist die Summe der beiden vorherigen. Die ersten zehn Fibonacci-Zahlen lauten also beispielsweise: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34 und 55. Auf der rechten Seite der Formel steht 11! Das Ausrufezeichen ist hier nicht als Ausdruck der Begeisterung gemeint, sondern steht als mathematisches Symbol für die Rechenoperation der Fakultät. In diesem Fall bedeutet 11!, dass die ganzen Zahlen von 1 bis 11 miteinander multipliziert werden. Das Ergebnis ist laut der Formel identisch mit dem Produkt der entsprechenden Fibonacci-Zahlen.
Man kann sich leicht davon überzeugen, dass die Gleichung korrekt ist – aber das ist nicht das, worum es in dieser Arbeit geht. Die von den Forschern untersuchte Frage lautet: Wenn man eine beliebige Auswahl an Fibonacci-Zahlen miteinander multipliziert, was ist dann das größtmögliche Ergebnis, das als Fakultät dargestellt werden kann? Die Antwort, so der im Artikel geführte Beweis, ist die Formel aus dem Titel.
Das größtmögliche Ergebnis
Das Problem klingt trivial, es steckt aber mehr dahinter, als man auf den ersten Blick sehen kann. Die Zahlen der Fibonacci-Reihe werden natürlich immer größer, da sie aus der Addition der vorangegangenen Zahlen entstehen. Die Fakultätswerte werden ebenfalls immer größer, aber sie wachsen deutlich schneller, da hier multipliziert wird. Hinzu kommt, dass auch die Primfaktoren auf beiden Seiten der Gleichung übereinstimmen müssen. Das und das unterschiedlich schnelle Wachstum von Fibonacci-Zahlen und Fakultätswerten machen es immer schwieriger, die Gleichung zu erfüllen, je größer die Zahlen werden. Die beiden Autoren konnten zeigen, dass die Formel aus dem Titel tatsächlich die ist, die die größte mögliche Lösung darstellt.
Florian Luca scheint nicht nur ein Fan von Fibonacci-Zahlen zu sein, sondern seine Forschungsergebnisse generell gerne als Titel von Arbeiten zu verwenden. Einer seiner Artikel aus dem Jahr 2024 heißt zum Beispiel »F₄F₅⁶F₇F₈⁴F₉F₁₀²F₁₂⁵F₁₄F₁₅⁻¹F₁₈F₂₄F₃₀ = 36!«. Darin geht es um ein ähnliches Thema, aber mit einer kleinen Variation. Auch diese Arbeit ist interessant – und wer möchte, kann gern selbst nachlesen, worum es dabei geht.
Ich persönlich finde aber vor allem die Tatsache spannend, dass es in beiden Fachartikeln um die Begrenzung der Unendlichkeit geht. Die Reihe der Fibonacci-Zahlen hat kein Ende; es gibt per Definition keine größte von ihnen. Gleiches gilt für die Fakultät – und trotzdem ist 11! die Grenze, wenn es um den in der Formel dargestellten Vergleich mit den Fibonacci-Zahlen geht. Dass wir in der Mathematik bis in die Unendlichkeit (und tatsächlich sogar darüber hinaus) zählen können, ist eine der Eigenschaften, die sie so mächtig macht. Und genau deswegen finde ich es immer wieder besonders erstaunlich, wenn ich auf Gleichungen stoße, die zeigen, dass Zahlen mit bestimmten Eigenschaften nicht über eine konkrete Grenze hinauswachsen können. Die Unendlichkeit ist faszinierend, aber es ist beruhigend, dass sie nicht überall ist.
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