Freistetters Formelwelt: Die einfachste Art, eine Fläche zu vermessen
In der Grundschule lernen wir zuerst die natürlichen Zahlen kennen. Aus ihnen entwickelt sich mit der Zeit das ganze komplexe Netzwerk der Mathematik. Genau das ist ihre Stärke: Aus simplen Objekten wie den natürlichen Zahlen kann sie (buchstäblich) unvorstellbar abstrakte Beziehungen ableiten. In der Geometrie ist es ähnlich. Dort ist das grundlegende Element ein Punkt: ein Objekt ohne jede Ausdehnung. Man kann – vereinfacht gesagt – jedes beliebige geometrische Objekt als Menge von Punkten definieren. Aber selbst wenn man bei den Punkten bleibt, findet man viele interessante Beziehungen, wie den Satz von Pick:
Der österreichische Mathematiker Georg Alexander Pick beschäftigte sich Ende des 19. Jahrhunderts mit Gitterpolynomen und stellte 1899 die oben genannte Beziehung auf. Dabei geht es um Vielecke, deren Ränder auf den Punkten eines Gitters liegen. Oder anders gesagt: Vielecke, deren Ecken in einem entsprechenden Koordinatensystem immer ganzzahlige Koordinaten haben. Wenn man nun die Anzahl I der Gitterpunkte zählt, die im Inneren des Polygons liegen, und die, die gerade auf dem Rand des Vielecks zu liegen kommen (R), dann gibt der Satz von Pick den Flächeninhalt A des Polygons an.
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Der Beweis der Aussage ist nicht allzu schwer und lässt sich zum Beispiel aus dem eulerschen Polyedersatz ableiten. Alternativ kann man auch andersherum den Polyedersatz aus dem Satz von Pick erhalten; die beiden mathematischen Gesetzmäßigkeiten sind also äquivalent.
Eine nicht so exakte Version des Satzes von Pick kann auch abseits der Mathematik hilfreich sein, um die Fläche von unregelmäßig geformten Objekten ganz einfach zu bestimmen. Dazu benutzt man ein so genanntes Netzplanimeter. Im einfachsten Fall ist das eine transparente Scheibe mit einem regelmäßigen Netz aus Punkten. Das legt man auf die zu vermessende Fläche und zählt die Punkte, die innerhalb der Fläche liegen. Das Resultat wird mit der Fläche eines der Quadrate des Netzes multipliziert. Etwas genauer wird die Bestimmung, wenn man Punkte, die am Rand der Fläche liegen, nur als ½ mit einberechnet. Und wenn man dann noch einen Korrekturterm von 1 abzieht, landet man wieder beim Satz von Pick.
Natürlich gibt es auch Methoden, mit denen sich unregelmäßige Flächen sehr viel exakter berechnen lassen. Doch manchmal reicht eine grobe Schätzung aus – und wenn es schnell gehen muss, sind Netzplanimeter durchaus nützlich. Zum Beispiel wenn Botaniker die Fläche von Pflanzenblättern bestimmen oder Geowissenschaftler die Fläche von Gesteinen und den darin enthaltenen Einschlüssen.
Die Punkte beschäftigen die Mathematik bis heute
Auch die Mathematik hat noch einiges zu Gittern aus Punkten zu sagen. Angenommen, wir haben einen Kreis mit Radius r, dessen Mittelpunkt bei den Koordinaten (0, 0) liegt. Wie viele Punkte (x, y) liegen innerhalb des Kreises, wenn x und y ganze Zahlen sind? Oder anders formuliert: Wie viele Zahlenpaare (x, y) kann man finden, für die x2 + y2 ≤ r2 gilt?
Wenn r = 0 ist, dann kann das logischerweise nur der Mittelpunkt selbst sein. Bei r = 1 kann man insgesamt fünf Punkte finden, für die die Beziehung gilt. Bei r = 2 sind es 13 Punkte, bei r = 3 erhält man 29, und so weiter. Der Flächeninhalt von Kreisen mit den Radien 0, 1, 2 und 3 entspricht (abgerundet auf die nächste ganze Zahl) den Werten 0, 3, 13, 28. Tatsächlich (und wenig überraschend) sind die gezählten Punkte eine gute Näherung an den Flächeninhalt des Kreises. Die interessante Frage ist nun, wie groß der Fehler (in Abhängigkeit von r) ist, den man mit dem Satz von Pick macht.
Der Erste, der sich intensiv damit befasst hat, war Carl Friedrich Gauß. Deswegen nennt man die Frage auch das »gaußsche Kreisproblem«. Die Mathematik beschäftigt sich seit mehr als 200 Jahren damit – und noch immer werden neue Abschätzungen für die Grenzen des Fehlers veröffentlicht. Wie sich herausstellt, können ein paar Punkte erstaunlich komplex sein.
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