Lexikon der Biologie: Beschwichtigung
Beschwichtigung, Beschwichtigungsverhalten, Abbau von Angriffs- (Angriff) oder Fluchttendenzen (Flucht) beim Interaktionspartner durch Verhaltensweisen mit Signalcharakter, welche die eigene Friedfertigkeit und die Bereitschaft zu freundlichem Kontakt (Kontaktverhalten) anzeigen. Beim Menschen spielen zusätzlich verbale Einlenkversuche in Konfliktsituationen (Konfliktverhalten) eine wichtige beschwichtigende Rolle. Beschwichtigungsverhalten wird teils als Überbegriff für situationsgebunde Beschwichtigungsgebärden (zu denen Ablenkungsverhaltensweisen und Demutsgebärden bzw. Demutsverhalten gezählt werden) und versichernde Verhaltensweisen verwendet. Demutsverhalten ist oft genau gegensätzlich zum Drohverhalten ( vgl. Abb. ) und soll vorhandene Aggressionen abbauen, während die anderen Beschwichtigungsverhaltensweisen häufig auf Aktivierung anderer, nicht mit Aggression in Verbindung stehender Verhaltenstendenz zielen, wie z. B. Begrüßung (Begrüßungsverhalten). Daher werden Demutsgebärden teils nicht zu den Beschwichtigungsverhaltensweisen gerechnet, sondern gesondert gehandhabt; eine strenge Trennung zwischen Demuts- und Beschwichtigungsgebärden ist jedoch nicht immer möglich, da Elemente beider miteinander kombiniert sein können. – Bei versichernden Verhaltensweisen werden z. B. die körpereigenen Waffen oder aggressionsauslösende Signale abgewendet oder aber Geschenke überreicht. Brutpflegehandlungen (Brutpflege), die eine Berührung erfordern, können durch die Annäherung des Partners auch Aggression wecken. So wird bei der Begrüßung zweier sich beim Brüten ablösender Weißstörche demonstrativ der Hals mit den Schnäbeln als potentielle Waffe nach hinten gebogen – begleitet von dem typischen Schnabelklappern. Andere Arten überreichen Nistmaterial (Ablösungszeremoniell). Bei dem flugunfähigen Galapagos-Kormoran ist die aggressionsablenkende Funktion der Beschwichtigungsgebärde besonders deutlich; der brütende Partner nimmt das Material mit offensichtlich aggressiver Bewegung ab. Nimmt man dem zurückkehrenden Tier das Material kurz vorher weg, richtet sich die Aggression des noch brütenden direkt gegen ihn, teils bis zu seiner Flucht. Häufig sind es angeborene Abläufe, die beim Partner über einen angeborenen auslösenden Mechanismus angst- (Angst) oder aggressionshemmend wirken. Ablenkungsverhaltensweisen enthalten oft Komponenten aus der Jungenbetreuung (z. B. Bettelverhalten; Infantilismus) oder dem Sexualverhalten. Nicht nur bei Primaten dient die weibliche Begattungsaufforderung als Beschwichtigung (Genitalpräsentation) und wird als solche auch von Männchen gezeigt. Jungtiere, die bei Primaten hohe Attraktivität haben, werden oft als Vermittler zur Kontaktaufnahme nach Spannungssituationen eingesetzt oder fungieren als Annäherungserleichterung zu ranghohen Tieren (Jungentransfer). Schimpansen signalisieren durch verschiedenste Art des Körperkontakts ihre Friedfertigkeit, indem sie die Hand reichen, sich auf den Mund küssen, sich umarmen. Bei den Bonobos haben Sexualverhaltensweisen eine im Vergleich zu anderen Arten herausragende Form der Beschwichtigung und Befriedung erreicht. Enger Körperkontakt mit Berührung und Aneinanderreiben der Geschlechtsorgane wird direkt als Befriedungsmaßnahme in spannungsgeladener Situation eingesetzt, aber auch, um sich bestehender freundschaftlicher Bande zu versichern – unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit. Beim Menschen dient als mimisches (Mimik) Beschwichtigungssignal z. B. das Lächeln, in etwas veränderter Form tritt es auch bei anderen Primaten auf. Auch die verschiedenen Grußgebärden sind zu erwähnen. Die einzelnen Verhaltensweisen müssen jedoch artabhängig betrachtet werden. Bei katzenartigen Raubtieren fungiert z. B. das Gähnen als Beschwichtigung, das von den meisten Primaten jedoch als Drohung oder Imponiergehabe eingesetzt und verstanden wird (Drohverhalten). Augengruß, Balzfüttern.
H.H./E.K.
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