Lexikon der Biologie: Brassinosteroide
Brassinosteroide, frühere Bezeichnung Brassinolide, Gruppe pflanzlicher Steroide mit wachstumsstimulierenden und streßmindernden (Lichtstreß, Pflanzenstreß) Eigenschaften, die als neue Klasse von Phytohormonen nachgewiesen sind. Die Isolierung und Strukturaufklärung erfolgten zum ersten Mal bei Kreuzblütlern (Brassicaceae, daher der Name). Bisher (1999) sind mehr als 40 Brassinosteroide chemisch charakterisiert worden ( vgl. Infoboxvgl. Abb. ) oder ein davon abgeleitetes Steroidringsystem mit einem 7-gliedrigen B-Ring (6-Oxo-7-Oxa-Lacton) (wichtigster Vertreter: Brassinolid,vgl. Abb. ). Alle natürlichen Brassinosteroide enthalten die vicinale (benachbarte) 22R,23R-Diolgruppierung in der Seitenkette, die für die biologische Wirksamkeit unentbehrlich ist. Unterschiede gibt es dagegen im Substitutionsmuster des A-Rings und im Alkylierungsgrad am C-24. Glykoside sind, wie auch für einige andere Phytohormone, ebenfalls bekannt. Beispiele für synthetische Brassinosteroide sind Homobrassinolid und Epibrassinolid ( vgl. Abb. ).
Brassinosteroide kommen weit verbreitet in Bedecktsamern und Nacktsamern vor, vereinzelt wurden sie auch in Algen (z. B. Grünalgen) und Farnpflanzen (z. B. Schachtelhalmen) nachgewiesen. Der Gehalt an Brassinosteroiden liegt bei Höheren Pflanzen normalerweise im Mikro- bis Nanogramm-Bereich pro Kilogramm Frischmasse; Pollen enthalten dagegen mehrere hundert Mikrogramm pro Kilogramm Frischmasse. Die Phytohormone kommen in allen pflanzlichen Geweben außer den Wurzeln vor. In biologischen Testsystemen für Auxine, Cytokinine und Gibberelline zeigen exogen applizierte Brassinosteroide teils synergistische oder additive, teils gar keine Wirkung. Für sich allein stimulieren exogen zugeführte Brassinosteroide im allgemeinen langfristige Wachstums- und Differenzierungsvorgänge, z. B. die Wurzelbildung (Wurzel) an Stecklingen, das Zellstreckungs- und Zellteilungswachstum oder die Entstehung von Leitbündeln. Außerdem erhöhen sie die Streßtoleranz. Für die Untersuchung der Brassinosteroidwirkung sind die sog. deetiolated (det) von Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand) von Bedeutung, bei denen die Fähigkeit zum Dunkelwachstum (Etiolement oder Vergeilung) gestört ist. Diese Mutanten zeigen im Dunkeln also die sonst nur nach Belichtung auftretenden Merkmale wie Ergrünung, Hemmung des Längenwachstums und Entfaltung der Keimblätter. Diese Mutanten können durch exogene Applikation von Brassinosteroiden, nicht aber von klassischen Phytohormonen, teilweise normalisiert werden. Es konnte nachgewiesen werden, daß bei diesen Mutanten Gene für wichtige Enzyme der Brassinosteroidsynthese betroffen sind. Zum Beispiel codiert das bei einigen Mutanten defekte DET2-Gen eine Steroidreductase, die vermutlich die Umwandlung von Campesterin katalysiert; das bei anderen Mutanten defekte CPD-Gen codiert eine Cytochrom-P-450-Monooxygenase, die Hydroxylierungsreaktionen katalysiert. In einigen Fällen wurde nach exogener Applikation von Brassinosteroiden die Bildung spezifischer Proteine beobachtet.
Es wurde diskutiert, ob das Anschalten der lichttypischen Entwicklung (Photomorphogenese) möglicherweise über ein durch Belichtung ausgelöstes Absenken des Brassinosteroidpegels vermittelt wird. Dagegen spricht jedoch, daß bei belichteten Pflanzen selbst hohe Konzentrationen dieser Hormone kein Etiolement hervorrufen können. Über die Steuerung des Brassinosteroidpegels durch Signale wie Licht ist bisher nur wenig bekannt. Um den Rezeptor für Brassinosteroide identifizieren zu können, wurden Mutanten von Arabidopsis thaliana untersucht, die zunächst als Brassinosteroid-Mangelmutanten angesehen worden waren, sich aber nicht durch die Zugabe von exogenem Brassinosteroid normalisieren ließen. Das bei diesen sog. brassinosteroid-insensitive-1-(bri1-)Mutanten veränderte Gen konnte kloniert werden. Es codiert für ein Membranprotein mit vielfach wiederholten, hintereinander angeordneten Leucin-reichen Motiven. Die Struktur dieses Proteins spricht für eine Funktion als Rezeptorkinase, und es wird angenommen, daß es sich um den (oder einen) Brassinosteroidrezeptor handelt.
Aufgrund des amphiphilen (amphipathisch) Charakters der Brassinosteroide hatte man schon früher eine Wechselwirkung mit Membranen vermutet. Zelluläre Effekte, die dies zu bestätigen scheinen, sind 1) eine reversible Hyperpolarisierung der Plasmamembran (PM) im Dunkeln (z. B. bei Blättern des Froschbißgewächses Egeria densa und der Ackerbohne oder Wicke, Vicia faba), 2) eine leichte Stimulierung der Protonensekretion an der PM, 3) eine gesteigerte Aminosäure- und Zuckeraufnahme, 4) eine Umorientierung der membrannahen Mikrotubuli bei der Adzukibohne. Es ist noch unklar, ob eine PM-H+-ATPase oder ein PM-Elektronentransport ursächlich hierfür verantwortlich ist. Aufgrund ihrer allgemein wachstums- und ertragssteigernden Wirkung, ihrer Antistreßwirkung und der geringen benötigten Aufwandsmengen kommen diese natürlichen Wirkstoffe möglicherweise auch als umweltverträgliche Wachstumsregulatoren und Streßregulatoren für Pflanzen in Frage. M.H./M.B./P.N.
, vgl. Abb. ).
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